Noch läuft alles gut am CERN und am großen Teilchenbeschleuniger LHC (der nicht gefährlich ist!). Nach den technischen Schwierigkeiten am Anfang läuft jetzt alles wieder und die ersten Ergebnisse laufen ein. Aber es gibt wieder Probleme – nicht mit den Maschinen; die sind in Ordnung. Aber die Regierungen der Mitgliedsländer wollen nicht mehr so viel Geld bezahlen und zwingen das CERN zu Einsparungen. Der Budgetentwurf für die Jahre 2011 bis 2015 hat zu großen Diskussionen geführt und nun wird das CERN etwa 135 Millionen Franken (ca. 105 Millionen Euro) weniger zur Verfügung haben. Um keine Experimente absagen zu müssen hat sich CERN-Direktor Rolf-Dieter Heuer dazu entschlossen, 2012 sämtliche Teilchenbeschleuniger ein Jahr lang pausieren zu lassen um so Kosten zu sparen.
Als Grund für die Einsparungen wird die Wirtschaftskrise angegeben. Wirklich? Also die Geschichte, wo die Bänker Milliarden verspekuliert haben und die Regierungen sofort ebenfalls unzählige Milliarden auftreiben konnten, um die Verluste der Banken wieder auszugleichen? Und deswegen bekommt das CERN jetzt weniger Geld? Man muss sich mal die Größenordnungen überlegen. Es geht um 105 Millionen Euro. Verteilt auf 5 Jahre. Verteilt auf 20 Mitgliedsstaaten. Das sind gerade mal 20 Millionen Euro pro Jahr! (und wenn ich das noch einfach durch die Zahl der Mitgliedsländer teile, dann ist es nur noch eine Million Euro pro Jahr und Mitgliedsland; in der Realität sind die Beiträge aber unterschiedlich hoch).
20 Millionen Euro sind im Budget eines Landes nicht wirklich viel. Das ist zum Beispiel das, was der Ex-Chef der Post, Klaus Zumwinkel, als Pension bekommt. Das ist das, was Hamburg an denSelbstanzeigen von Steuerhinterziehern eingenommen hat. Das ist das, was die Parteien an Spendengeldern aus der Wirtschaft bekommen haben. Projekte wie Stuttgart 21 sind 200 Mal teurer. 20 Millionen sind – zumindest aus nationaler Sicht – nicht wirklich viel. Es ist aber enorm viel für eine wissenschaftliche Einrichtung! Mit 20 Millionen lässt sich da einiges an Forschung anstellen.
Aber nun ja leider nicht. Immerhin – es werden keine Experimente gestrichen und keine Leute entlassen. Aber wenn 2012 überhaupt keine Beschleuniger mehr laufen und keine neuen Daten produzieren, dann ist ein harter Schlag für viele Wissenschaftler. Ok, der LHC sollte 2012 sowieso pausieren; wegen geplanten Wartungsarbeiten. Aber am CERN gibts ja nicht nur den LHC, da stehen noch viele andere Beschleuniger und es wird noch jede Menge andere Forschung betrieben. Vor allem kommen dorthin Unmengen an Gastwissenschaftlern aus aller Welt – und die stehen nun dumm da. Die Doktoranden und Diplomanden müssen hoffen, dass in den nächsten beiden Jahren genug Daten anfallen, damit sie ihre Arbeiten beenden können – ansonsten werden sie wohl eine Zwangspause einlegen müssen und ihr Studium erst später beenden können.
Ich versteh ja, dass nicht beliebig viel Geld vorhanden ist und das manchmal einfach gespart werden muss. Aber warum immer bei der Grundlagenforschung? Sind die Politiker wirklich so kurzsichtig und sehen nicht, wie wichtig Grundlagenforschung ist (Auch der ehemalige österreichische Wissenschaftsminister Hahn wollte ja kein Geld mehr für CERN ausgeben)? Oder meinen sie, dass die Bevölkerung Einsparungen bei der Wissenschaft eher akzeptieren weil den meisten Leuten nicht wirklich bewusst ist, was diese Einsparungen für Folgen haben können (siehe dazu den äußerst lesenswerten Artikel bei Gizmodo)? Und vor allem: 20 Millionen! Sowas wird anderswo mal eben locker für unsinnige Vorhaben und Projekte verschwendet – aber einer internationalen Forschungseinrichtung, die damit wirklich was Sinnvolles anfangen könnte: der nimmt man dieses Geld weg?
Manchmal versteh ich Politik nicht wirklich… Aber die ganze Geschichte zeigt wieder mal, wie wichtig die wissenschaftliche Öffentlichkeitsarbeit ist. Wissenschaft braucht eine Lobby und Wissenschaft braucht Rückhalt in der Bevölkerung. Aber die hat leider immer weniger Ahnung von Wissenschaft und ob Gelder für die Forschung gekürzt werden oder nicht ist den meisten relativ egal. Dabei ist Grundlagenforschung wirklich wichtig – für jeden! Das zeigt dieses Zitat von Carl Sagan sehr schön (mehr dazu ist im oben verlinkten Gizmodo-Artikel nachzulesen):
Who discovered that CFCs [Chlorofluorocarbons] posed a threat to the ozone layer? Was it the principal manufacturer, the DuPont Corporation, exercising corporate responsibility? Was it the Environmental Protection Agency protecting us? Was it the Department of Defense defending us? No, it was two Ivory-tower, white-coated university scientists working on something else–Sherwood Rowland and Mario Molina of the University of California, Irvine. Not even an Ivy League university. No one instructed them to look for dangers to the environment. They were pursuing fundamental research. They were scientists following their own interests. Their names should be known to every schoolchild.
In their original calculations, Rowland and Molina used rate constants of chemical reactions involving chlorine and other halogens that had been measured in part with NASA support. Why NASA? Because Venus has chlorine and fluorine molecules in its atmosphere, and planetary aeronomers had wanted to understand what’s happening there.
Ja – die “unötige” und “teure” Raumfahrt; die Planetenforschung, die ja nix mit der Erde zu tun hat und niemanden hier irgendwas bringt war dafür verantwortlich, dass wir herausgefunden haben wie gefährlich FCKW für die Ozonschicht unserer Erde ist und diese “sinnlose” Forschung hat dazu geführt, dass es uns möglich war, das schlimmste zu verhindern und die Vergrößerung des Ozonlochs aufzuhalten. Grundlagenforschung ist niemals unsinnig. Wie der Name schon sagt ist sie die Basis jeder Forschung. Ohne Grundlagenforschung gibt es auch keine neuen Anwendungen und keinen Fortschritt. Hier zu sparen (vor allem wenn es um solche geringen Beträge geht) ist äußerst kurzsichtig…
(Danke an Thomas für den Hinweis!)
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