Über den mysteriösen “Planet X” bzw. “Nibiru” wurde hier ja schon viel diskutiert. Wenn es nach den Esoterikern und Weltuntergangspropheten geht, dann steht uns im Jahr 2012 eine nahe Begegnung oder gar Kollision mit diesem Objekt bevor und das wird katastrophale Folgen haben. Natürlich ist das Unsinn! Es lässt sich schnell und einfach zeigen, dass ein Objekt mit den Eigenschaften die dem Planet X zugeschrieben werden, nicht existieren kann. Denn angeblich haben ja die alten Kulturen – wahlweise Maya, Babylonier oder Sumerer – den Planeten schon gekannt und herausgefunden, dass er alle 3600 Jahre wieder zurück zur Erde kommt und sich den Rest der Zeit weit weg im äußeren Sonnensystem befindet. Nun, wie gesagt: gegen so einen Planeten der die Sonne auf dieser speziellen Bahn umkreist sprechen nicht nur grundlegende himmelsmechanische Gesetze – sondern auch Beobachtungsdaten. Denn dieser Planet müsste schon längst hell und dramatisch am Nachthimmel zu sehen sein wenn er rechtzeitig im Jahr 2012 die Erde erreichen will. Aber was ist, wenn sich Planet X irgendwie von außerhalb des Sonnensystems “anschleicht” und ganz überraschend im Dezember 2012 aus dem Nichts auftaucht?
Nun, erstmal widerspricht diese Hypothese dem, was die 2012-Freaks selbst behaupten. Ein Planet, der von außerhalb des Sonnensystems ankommt kann ja logischerweise früher noch nie dagewesen sein und die ach so weisen und fortgeschrittenen Kulturen früherer Zeiten hätten ihn nie bemerken können (mal abgesehen davon dass die astronomischen Kenntnisse der antiken Zivilisationen in den esoterischen bzw. pseudowissenschaftlichen Kreisen gerne mal dramatisch übertrieben werden). Aber wenn wir diese Inkonsistenzen mal ignorieren, dann brauchen wir uns trotzdem nicht davor fürchten, in naher Zukunft von einem überraschend auftauchenden Objekt aus dem interstellaren Raum überrumpelt zu werden. Lorenzo Iorio hat das ganze nämlich mal konsequent durchgerechnet. Und seine Arbeit mit dem Titel “Is it plausible to expect a close encounter of the Earth with a yet undiscovered astronomical object in the next few years?“ kommt zu einem eindeutigen Ergebnis.
Prinzipiell gibt es in unserer Milchstrasse natürlich so einiges, dass sich wild durch die Gegend bewegt und theoretisch die Bahn des Sonnensystems kreuzen könnte. Da wären zum Beispiel die hypervelocity stars. Diese “überschnellen Sterne” wurden durch nahe Begegnungen mit dem zentralen schwarzen Loch der Milchstrasse enorm beschleunigt und sind nun oft sogar so schnell, dass sie die Anziehungskraft der Milchstrasse ganz überwinden und sie verlassen können. Aktuelle Modelle gehen davon aus, dass etwa 0.0001 bis 0.001 solcher Sterne pro Jahr produziert werden und momentan etwa 1000 Stück davon in unserer Galaxis rumschwirren.
Dann könnte es auch noch einige Neutronensterne geben, die schneller als erwartet durch die Milchstrasse fliegen. Denn wenn die Supernovaexplosion bei der diese extrem dichten Objekte entstehen asymmetrisch verlaufen ist, dann kann dadurch der Neutronenstern selbst beschleunigt werden – so ähnlich wie bei einer Rakete: die Explosion verläuft nur in einer Richtung und das Objekt wird deswegen in die Gegenrichtung beschleunigt.
Dann sind da sicherlich noch jede Menge braune Zwerge die sich überall in der Milchstrasse rumtreiben und man vermutet, dass es auch viele sogenannte free floating planets gibts. Denn nicht jeder Planet der aus der ursprünglichen Staubscheibe entsteht die einen Planeten umgibt bleibt dann auch dort. Wenn die Planetensysteme noch jung sind, dann geht es dort oft wild zu; es sind mehr Planeten da als aus dynamischer Sicht Platz vorhanden ist und es kommt immer wieder zu Kollisionen (wie zwischen Erde und “Theia”; so entstand unser Mond) oder zu nahen Begegnungen bei denen dann Planeten aus dem System in den interplanetaren Raum geschleudert werden können. Für solche free floating planets hat man schon einige Kandidaten entdeckt – und Schätzungen gehen davon aus, dass sich an die 700 Millionen davon in unserer Milchstrasse befinden.
Wie stehen also nun die Chancen, dass wir in naher Zukunft Besuch von einem dieser Objekte bekommen die da so durch die Galaxis fliegen? Dazu ist Iorio die Sache erstmal theoretisch angegangen und hat sich überlegt, wie schnell ein Objekt sein müsste, wenn es aus einer bestimmten Entfernung rechtzeitig zu 2012 bei uns sein will. Die Ausgangsentfernung hat er anhand der Bahnstörungen geschätzt, die so ein “Planet X” verursachen würde. Da wir ja jetzt noch keine außergewöhnlichen Veränderungen der Planetenbahnen beobachten müssen die Dinger als eine bestimmte Mindestentfernung von uns haben außerhalb derer ihr Einfluss auf unser Sonnensystem einfach zu klein ist, um ihn messen zu können. Bei einem “Planet X” mit der Masse der Sonne – also eher einem “Stern X” – müsste der sich etwa 12000 astronomische Einheiten (AE), wobei eine AE dem mittleren Abstand zwischen Erde und Sonne also 150 Millionen Kilometern entspricht, weit weg befinden. Wenn er noch in den nächsten Jahren die Erde erreichen will, dann muss er sich ordentlich beeilen! Die Geschwindigkeit von “Objekt X” müsste 6 bis 10% der Lichtgeschwindigkeit ausmachen! Dieses Diagramm zeigt die Abhängigkeit der Geschwindigkeit (x-Achse) von der Dauer der Reise bis zu uns (y-Achse):
Die schnellsten Sterne die wir kennen bewegen sich allerdings nur mit 0.2 bis 0.5% der Lichtgeschwindkeit. Und genaugenommen müsste sich Objekt X noch viel weiter weg befinden. Denn auch wenn es jetzt noch keine Bahnstörungen verursacht, so müssten wir es doch sehen können (wenn wir mal davon ausgehen, dass es nicht aus irgendeiner seltsamen Materie besteht, die nicht elektromagnetisch wechselwirkt). Um den bisherigen Beobachtungen entgangen zu sein müsste sich Objekt X mindesten 100000 AE weit weg befinden – und wenn es sich mit 0.2 bis 0.5% der Lichtgeschwindigkeit bewegt wäre es erst in 300 bis 800 Jahren bei uns.
Für braune Zwerge sieht die Sache wenig anders aus. So ein “halber” Stern mit 80facher Jupitermasse müsste sich 5200 AE weit weg befinden und bräuchte 3 bis 5% der Lichtgeschwindigkeit um in den nächsten Jahren bei uns zu sein (8 bis 20% wenn man realistischere Werte für die Ausgangsentfernung verwendet).
Und ein echter “Planet X” mit der Masse der Erde müsste sich momentan weit hinter dem Kuiper-Asteroidengürtel bei 175 astronomischen Einheiten befinden und sich mit 0.1 bis 0.3% der Lichtgeschwindigkeit bewegen um in den nächsten Jahren bei der Erde eintreffen zu können. Auch diese Werte sind höchst unrealistisch; ausgeworfenen Planeten bewegen sich mit Spitzengeschwindigkeiten von 0.0003 bis 0.001% der Lichtgeschwindigkeit.
Iorio hat zusätzlich noch numerische Simulationen durchgeführt bei der auch die Einflüsse der anderen Planten in unserem Sonnensystem berücksichtigt wurden. Das Ergebnis ist das selbe: damit uns irgendein Objekt von außerhalb des Sonnensystems in den nächsten Jahren erreichen kann, muss es sich mit unrealistisch hohen Geschwindigkeiten bewegen.
Eine Konfiguration fand Iorio aber dann doch, bei der die Erde aus ihrer Bahn geworfen wird:
Dazu braucht es allerdings ein bisher unentdecktes Objekt das so schwer ist wie die Sonne und sich innerhalb der Neptunbahn bei 26.3 astronomischen Einheiten befindet. Ein Szenario, das man wohl getrost ausschließen kann 😉
Also: Nicht nur kann es den “Planet X” der Esoteriker nicht geben – auch die Ausweichvariante eines in ein paar Jahren quasi aus dem Nichts auftauchenden Himmelskörpers kann guten Gewissens zu den AKten gelegt werden. Die Welt wird im Jahr 2012 nicht untergehen.
P.S. “Plutokiller” Mike Brown spricht hier in einem lesenswerten Interview ebenfalls über die Wahrscheinlichkeit das uns ein Planet X im Jahr 2012 überraschen wird.
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