Die Planeten in unserem Sonnensystem bewegen sich alle auf annähernd kreisförmigen Bahnen. Die Abweichungen von der Kreisform – die sogenannte Exzentrizität – ist relativ klein. Bei den fast 500 extrasolaren Planetensystemen die wir bisher entdeckt haben, sieht das aber anders aus. Hier haben wir bisher überraschend viele Objekte mit überraschend hohen Exzentrizitäten gefunden. Das ist ein wenig verwunderlich weil die normale Theorie der Planetenentstehung eigentlich Planeten auf eher kreisförmigen Bahnen produzieren sollte. Man erklärt sich die hohen Exzentrizitäten durch einen Vorgang, der “planet-planet scattering” genannt wird. Der basiert auf der planetare Migration bei der Planeten ihre Bahnen vergrößern oder verkleinern. Wenn zwei Planeten gemeinsam migrieren, dann kann es zu Bahnstörungen kommen die zu hohen Exzentrizitäten führen. Einer der Planeten fliegt dann schließlich aus dem System oder kollidiert mit einem anderen Objekt oder dem Stern und es bleibt ein Planet auf exzentrischer Bahn übrig.
Daniel Malmberg von der Sternwarte in Lund und seine Kollegen haben nun einen anderen Mechanismus untersucht. Können nahe Begegnungen mit anderen Sternen vielleicht die großen Exzentrizitäten verursacht haben?
In ihrer kürzlich erschienenen Arbeit “The effects of fly-bys on planetary systems” haben Daniel Malmberg, Melvyn B. Davies und Douglas C. Heggie untersucht, wie sich nahe Begegnungen von Sternen auf eventuell vorhandene Planetensysteme auswirken können und vor allem ob diese Begegnungen für die hohen Exzentrizitäten verantwortlich sein können.
Ok, heute ist die Nachbarschaft der Sonne ziemlich leer. Bis zum nächsten Stern sind es über 4 Lichtjahre und nahe Begegnungen sind relativ selten. Aber als unsere Sonne geboren wurde, hatte sie jede Menge Geschwister. Und so war es auch bei den anderen Sternen: in ihren Geburtsclustern hatten sie jede Menge Nachbarn und die Chance auf nahe Begegnungen war deutlich größer.
So ein Fly-By kann dann die ganze Dynamik eines Planetensystems durcheinander bringen. Es wäre zum Beispiel möglich, dass ein Stern einen anderen, nahe vorbeiziehenden Stern oder braunen Zwerg einfängt. Im so entstandenen Doppelsternsystem können dann Resonanzen wirken die die Exzentrizität der Planeten erhöhen. Oder aber die Begegnung führt dazu, dass ein Planet aus dem System geworfen wird – und dann vom anderen Stern eingefangen; dann aber auf einer exzentrischen Bahn. Es kann aber auch passieren, dass das planet-planet scattering erst durch so eine nahe Begegnung ausgelöst wird.
Die Autoren haben nun verschiedene Arten von Sternhaufen simuliert um herauszufinden, wie häufig solche nahen Begegnungen sind. Danach haben sie nachgesehen, wie sich die Planetensysteme verändert hatten. Dazu gingen sie von vier Planeten aus, die den Gasriesen Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun in unserem Sonnensystem entsprechen. Und mit denen passierte so einiges:
In vielen Systemen kam es nach der nahen Begegnung mit dem Stern zu nahen Begegnungen zweier Planeten – was dann in Folge zu höheren Exzentrizitäten führen kann. Die Kurven zeigen, wie sich die Anzahl solcher Systeme im Lauf der Zeit ändert. Die Zeit selbst ist auf der x-Achse aufgetragen; bei t=0 kam es zur Begegnung zwischen den beiden Sternen (mit einem Minimalabstand der weniger als 100 astronomische Einheiten betrug). Die drei Kurven entsprechen drei verschiedenen Nachbarsternen mit jeweils 0.6, 1 und 1.5 Sonnemassen. Von den 600000 Simulationen sind am Ende fast immer mehr als die Hälfte in einer Konfiguration, die zu hohen Exzentrizitäten führen kann!
Die Autoren haben noch jede Menge andere Simulationen durchgeführt und jede Menge Spezialfälle betrachtet – wer möchte, kann das alles im Detail im Artikel nachlesen. Ich möchte aber lieber gleich zum interessanten Resultat kommen. Das zeigt dieses Diagramm hier.
Ok – die verschiedenen Linien sind ein bisschen schwer zu erkennen, darum habe ich noch ein bisschen im Bild herumgekritzelt damit man besser sieht, welche Linie welche ist:
Man sieht hier die Verteilung der extrasolaren Planeten (also eine Funktion die angibt, wieviele Planeten eine Exzentrizität haben die kleiner als ein bestimmter Wert ist). Die rote Linie zeigt das, was man tatsächlich beobachtet hat. In grün, blau und gelb sind die Ergebnisse der Simulation von Malmberg und Kollegen zu sehen (die nicht markierte Linie bezieht sich auf eine andere Arbeit). Grün gibt die Ergebnisse für den Fall an, dass die Planeten den Gasriesen in unserem Sonnensystem entsprechen. Im Falle der blauen Linie hatten alle Planeten die Masse des Jupiter und bei der gelben Linie lagen die Massen dazwischen.
Bei der grünen Linie ist die Übereinstimmung recht gut – es gibt allerdings trotzdem noch ein kleines Problem. Die Exoplaneten die man beobachtet, haben meist auch sehr kleine Bahnen (die rote Linie im Diagramm bezieht sich auf Exoplaneten deren Bahnen alle innerhalb der Jupiterbahn liegen). Die Fly-Bys in der Simulation erzeugen aber solche kleinen Bahnen nicht so häufig, wie es nötig wäre. Wenn Fly-Bys von nahen Sternen also wirklich für die hohen Exzentrizitäten verantwortlich sind, dann müssten die Planeten dort vorher schon – z.B. durch Migration – auf kleinen Bahnen laufen. Dieser Aspekt wurde von den Autoren aber noch nicht detailliert untersucht; das soll erst in zukünftigen Arbeiten erfolgen. Aber man weiß jetzt jedenfalls schon, dass die Planetensysteme in ihrer Jugend durch die vielen nahen Begegungen mit den Nachbarsternen ordentlich durchgeschüttelt worden sind…
Daniel Malmberg, Melvyn B. Davies, & Douglas C. Heggie (2010). The effects of fly-bys on planetary systems MNRAS arXiv: 1009.4196v1
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