Mir fällt gerade auf, dass ich hier zwar schon sehr viel über Asteroiden geschrieben habe – aber noch nie wirklich eine allgemeine Übersicht über die verschiedenen Asteroidenpopulationen in unserem Sonnensystem. Das muss sich ändern! Denn da gibt es nicht den einen Asteroidengürtel zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter, den die meisten kennen werden. Das Sonnensystem ist voll mit den kleinen Dingern; sie verstecken sich überall 😉

Fangen wir am besten ganz in der Nähe an; bei unserer Erde. Hier finden wir – wenig überraschend – die sogenannten “erdnahen Asteroiden” oder auch NEAs (“Near Earth Asteroids). Sie sind aus verschiedenen Gründen interessant und der wichtigste davon ist wohl die Gefahr, die von ihnen ausgeht. Denn wenn wir irgendwann mal von einem Asteroid getroffen werden, dann wird es ein NEA sein!

Die NEAs findet man in etwa zwischen den Bahnen von Mars und Venus. Und das ist auch ihr großes Problem: da sie immer in der Nähe von Venus, Erde oder Mars sind, ist die Chance groß, dass sie einem dieser Planeten nahe kommen. Dieses Bild zeigt die Situation recht schön. Man sieht in blau bzw. weiß die Bahnen der Planeten und in rot bzw. gelb die Bahnen einiger NEAs:

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Bei so einer nahen Begegnung wird der kleine Asteroid vom großen Planet
ordentlich durchgeschüttelt und seine Bahn oft dramatisch verändert. Da
die NEAs nun ständig den Planeten nahe kommen, ist ihre Bahndynamik auch
prinzipiell chaotisch, d.h. sie sind keine stabile Asteroidenpopulation
(Details dazu habe ich hier beschrieben). Ein NEA wird also früher oder später entweder mit einem der Planeten kollidieren; in die Sonne stürzen oder nach einer nahen Begegnung ganz aus dem Sonnensystem geworfen. Trotzdem gibt es nicht wenige von ihnen! Wir haben heute schon einige tausend entdeckt – darunter glücklicherweise fast alle der sehr großen Objekte – und es gibt noch viel mehr. Wenn heute noch so eine große Population vorhanden ist, dann müssen ständig neue NEAs produziert werden, die die “verstorbenen” ersetzen. Wo kommt dieser Nachschub her?

Der kommt aus dem eigentlich Asteroidengürtel zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter; der, an den die meisten denken, wenn sie “Asteroidengürtel” hören. Da uns aber noch einige andere Asteroidengürtel begegnen werden, bleibe ich beim eindeutigeren “Hauptgürtel” (englisch: “main belt”). Die Asteroiden des Hauptgürtels wurden im 19. Jahrhundert entdeckt. Giuseppe Piazzi fand 1801 den ersten von ihnen: Ceres. Eigentlich war er ja auf der Suche nach einem Planeten der die Lücke zwischen Mars und Jupiter füllen sollte. Aber auch wenn Ceres dieses Status tatsächlich einige Jahre inne hatte wurde sie doch bald zum Asteroiden degradiert. Im Laufe der Zeit bekam sie allerdings viele Kollege: im Hauptgürtel kennen wir schon zehntausende Asteroiden und es gibt insgesamt zwischen einer und zwei Millionen davon (trotzdem macht ihre Gesamtmasse nur etwa 4% der des Mondes aus).

Die Hauptgürtelasteroiden selbst sind harmlos. Sie ziehen ihre Runden und kommen dabei keinem Planeten nahe. Ab und zu kollidieren sie mal miteinander und aus den Bruchstücken entstehen dann “Asteroidenfamilien” – aber eine Gefahr für die Erde stellen sie nicht dar. Es sei denn, sie kommen in schlechte Gesellschaft. Zum Beispiel in die Nähe von Resonanzen. Eine detaillierte Erklärung der Resonanzen gibt es hier. Kurz gesagt spricht man dann von einer Resonanz, wenn die Umlaufzeiten eines Asteroiden und eines Planeten (in diesem Fall Jupiter) in einem ganzzahligen Verhältnis stehen. Dann können sich die gravitativen Störungen aufschaukeln und die Bahn des Asteroiden instabil machen. Das sieht man in diesem Bild recht schön:

i-a8710d56ae42f09cc43df0de3958d488-asteroidenguertel-thumb-500x343.jpg

Die x-Achse zeigt den Abstand von der Sonne (in “astronomischen Einheiten (AE)” wobei eine AE dem mittleren Abstand zwischen Erde und Sonne entspricht) und die y-Achse zeigt, wieviele Asteroiden man dort findet. Man erkennt deutlich, dass die Asteroiden nicht zufällig verteilt sind, sondern dass es immer wieder Lücken gibt. Das sind die sg. “Kirkwood-Lücken” und man findet sie genau dort, wo eine Resonanz mit Jupiter wirkt. Wird ein Asteroid nun zum Beispiel durch eine Kollision in so eine Resonanz geschubst, dann können die Störungen von Jupiter dafür sorgen, dass sich seine Exzentrizität erhöht. Das bedeutet, dass seine Bahn immer ovaler wird – und irgendwann kreuzt sie dann vielleicht sogar die Bahn des Mars. Kommt es nun zu einer nahen Begegnung mit Mars kann die Bahn des Asteroiden endgültig so verändert werden, dass er nicht mehr Teil des Hauptgürtels ist. Er ist nun zum NEA geworden.

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Kommentare (12)

  1. #1 Schmidts Katze
    29. September 2010

    Hallo Florian,

    danke für die ausführliche Darstellung.

    Ich finde, du könntest auch mal speziell etwas zur Benennung der Objekte und Objektgruppen im SoSy schreiben.

    Und du könntest (natürlich gestrichelt),in den Graphiken die Bahn eines hypothetischen Planeten und seine heutige Position darstellen, der eine Umlaufzeit von 3600 Jahren hat, und in 2 Jahren die Bahn der Erde kreuzt.

  2. #2 Florian Freistetter
    29. September 2010

    @Katze: “Und du könntest (natürlich gestrichelt),in den Graphiken die Bahn eines hypothetischen Planeten und seine heutige Position darstellen, der eine Umlaufzeit von 3600 Jahren hat, und in 2 Jahren die Bahn der Erde kreuzt.”

    Warum? Das hat mit dem Thema nix zu tun. Der ist hier zu finden: https://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2009/09/warum-es-planet-x-nicht-geben-kann.php

    Aber über die Benennung schreib ich wirklich mal was…

  3. #3 Tr
    29. September 2010

    Hallo Florian,
    hast du mich gerade beruhigt, dass der 2010 ST3 für uns ungefährlich ist, und jetzt so ein Gruselartikel ;D
    Bleiben die Lagrange-Punkte etwa von den Monden nicht beeinflußt? quasi 3.1-Körper Problem…
    Wegen der Größe von der Oortschen Wolke, könnte man ja Objekte von außerhalb des Sonnensystems finden, wäre das mechanisch möglich, dass ein Brocken beide (alle drei) Sterne, Sonne und die Alapha-Centauri “bedient”?

  4. #4 Florian Freistetter
    29. September 2010

    @Tr. “Bleiben die Lagrange-Punkte etwa von den Monden nicht beeinflußt? quasi 3.1-Körper Problem…”

    Naja – exakt existieren die Lagrangepunkte wirklich nur im 3 Körperproblem. Sobald mehr Körper da sind, gibt es sie eigentlich nicht mehr bzw. sie ändern sich (da gibts dann nicht mehr 5 sondern mehr, usw). Aber näherungsweise passt das immer noch und die Einflüsse der anderen Körper sind gering und die Lagrangepunkte stabil. Apropos Monde: Saturn hat einige “Lagrangemonde” – also Monde, die sich in den Lagrangepunkten anderer Monde befinden…

    “Wegen der Größe von der Oortschen Wolke, könnte man ja Objekte von außerhalb des Sonnensystems finden, wäre das mechanisch möglich, dass ein Brocken beide (alle drei) Sterne, Sonne und die Alapha-Centauri “bedient”?”

    Ne – entweder er ist gravitativ an die Sonne gebunden oder nicht.

  5. #5 Schmidts Katze
    29. September 2010

    Aber über die Benennung schreib ich wirklich mal was…

    Super, hilft dir das:
    https://astronews.com/forum/showthread.php?t=3227
    https://www.iau.org/public/naming/#minorplanets

  6. #6 Thomas K
    30. September 2010

    Sehr ausführlich und spannend beschrieben! Am besten gefällt mir das Bild von Kuipers Gürtel 🙂

  7. #7 Engywuck
    30. September 2010

    du schreibst, dass die Oortsche Wolke aus Planetisimalen bestünde, die bei der Enstehung der Planeten aus dem System geworfen wurden.
    Das heißt aber, dass diese Objekte zuerst sehr elliptisch gewesen sein müssten (innerer Punkt der bahn innerhalb des normalen Planetensystems), oder?

    Wie haben diese Objekte es dann geschafft, sich auf halbwegs kreisförmige Bahnen zu ordnen?

  8. #8 Florian Freistetter
    30. September 2010

    @engywuck: Man geht davon aus, dass Störungen durch nahe Vorbeiflüge anderer Sterne im Laufe der Zeit die Objekte der oortschen Wolken zu einer Kugelschale angeordnet haben.

  9. #9 TheBug
    30. September 2010

    Na super, bei so viel Krempel im Weltraum muss man sich ja nicht wundern wenn das Horoskop mal wieder nicht stimmt…

  10. #10 hape
    1. Oktober 2010

    @Florian

    Und was ist mit den langperiodischen Kometen aus der Oortschen Wolke? Werden die durch Störungen auf ihre elliptischen stark exzentrischen Bahnen geworfen, oder ergibt sich ein Teil der Kugelsymmetrie einfach dadurch, dass die Kometen sich so weit von der Sonne entfern viel langsamer bewegen, also im zeitlichen Mittel die meiste Zeit einfach im Bereich der Oortschen Wolke sind? Ich hab nämlich nächste Woche meine Astroprüfung und wiederhole gerade den Stoff, heute war unter anderem das Sonnensystem dran ;).

  11. #11 Florian Freistetter
    1. Oktober 2010

    @hape: Hmm – wie kommen die langperiodischen Kometen ins innere Sonnensystem? Da gibts mehrere Möglichkeiten. Es könnten Störungen durch vorbeiziehende Sterne sein. Oder dort draussen sind noch größere Objekte; so groß wie die Erde oder gar Jupiter. Die können Kometen auch zu uns schleudern. Oder Kometen kollidieren miteinander und kriegen dadurch ne neuen Bahn. Genau wird mans erst wissen, wenn wir dort irgendwie nen Haufen Sonden hinkriegen…

  12. #12 Kallewirsch
    28. Juli 2011

    Hurra! Jetzt haben wir auf der Erde auch unseren eigenen Trojaner!

    https://www.astronews.com/news/artikel/2011/07/1107-032.shtml