Die Astronomen sitzen nicht nur hinterm Teleskop und beobachten den Himmel. So wie überall sonst gibt es auch hier das Wechselspiel von Beobachtung und Theorie. Die Beobachter finden was und die Theoretiker erklären es. Oder die Theoretiker sagen etwas vorher – das die Beobachter dann finden (oder auch nicht). Natürlich ist das Verhältnis nicht immer frei von Spannungen. Als ich zum Beispiel vor 3 Jahren in einem Artikel die Existenz von Planeten um den Stern Beta Pictoris vorhergesagt hatte, war mir auch ein wenig Unwohl bei dem Gedanken, dass es nun die Beobachter in der Hand haben, unsere Arbeit entweder zu bestätigen oder mich gnadenlos zu widerlegen. Aber in diesem Fall hatte ich Glück – zumindest einer der Planeten ist tatsächlich da. Natürlich gehts auch andersum. Beobachter entdecken Planeten um einen Stern – und die Theoretiker finden heraus, dass das gar keine Planeten sein können. Christian Marois und seine Kollegen die vor 2 Jahren das erste direkte Bild eines extrasolaren Planetensystems um den Stern HR 8799 gemacht haben, dürften daher den kürzlich erschienen Artikel von Amaya Moro-Martin et al. mit etwas Unbehagen gelesen haben. Trägt er doch den Titel “Could the Planetes around HR 8799 be Brown Dwarfs?“. Das wäre schon blöd, wenn man “nur” ein System von braunen Zwergen gefunden hätte und kein echtes Planetensystem. Aber immerhin steht im Titel ja ein Fragezeichen – also schauen wir mal, wie die Geschichte ausgeht.
Der Stern HR 8799 ist nicht wirklich sonnenähnlich. Er ist vom Spektraltyp A (oder F) und damit deutlich heisser als die Sonne und auch etwas schwerer. Außerdem ist er viel jünger – wahrscheinlich nur einige hundert Millionen Jahre alt (im Gegensatz zu den 5 Milliarden Jahren, die unsere Sonne auf dem Buckel hat). Sein exaktes Alter kennt man aber nicht und genau das ist das Problem.
Denn die Planeten um HR 8799 wurden mit “direct imaging” gefunden. Das heisst, man sie direkt forografiert (im Gegensatz zu den indirekten Methoden die man sonst bei der Planetensuche verwendet). Das ist zwar insofern toll, als man das Licht der Planeten auch direkt untersuchen und so z.B. herausfinden kann, woraus sie bestehen. Es ist aber unpraktisch, wenn man wissen will, wie schwer die Objekte sind. Denn die einzige Information die das Bild liefert, ist die Helligkeit. Man könnte einige Jahrzehnte warten, bis die Planeten (die i.A. sehr weit von ihrem Stern entfernt sind und sich deswegen auch sehr langsam bewegen) den Stern einmal umkreist haben und dann ihre Masse mit den keplerschen Gesetzen berechnen. Aber so viel Zeit hat man normalerweise nicht; also hilft man sich mit theoretischen Modellen. Da berechnet man, wie hell bestimmte Körper mit bestimmter Masse im Laufe der Zeit sind (je älter, desto stärker abgekühlt und dunkler sind sie) und kann aus der beobachteten Helligkeit die Masse bestimmen. Allerdings klappt das nicht sonderlich genau und auch nur dann, wenn man das Alter des Sterns gut kennt, der ja als Vergleich dient. Weiß man also nicht, wie alt der Stern ist, kann man die Masse seiner Begleiter nur schwer bestimmen.
Genau das ist hier das Problem. Geht man von dem Alter aus, dass die Beobachter für HR 8799 bestimmt haben – 30 bis 160 Millionen Jahre – dann erhält man Massen für seine Begleiter, die gerade noch so im planetaren Bereich liegen. Der innerste Planet ist 5 bis 11 mal schwerer als Jupiter und die beiden äußeren sind 7 bis 13 mal schwerer. Und bei 13 Jupitermassen befindet sich die Grenze zwischen Planeten und braunen Zwergen (das sind zwar noch keine echten Sterne; sie können aber trotzdem schon ein wenig Kernfusion in ihrem Inneren ablaufen lassen). Wäre der Stern älter, als man bisher angenommen hat, dann hätte man auch die Massen der Begleiter unterschätzt und es würde sich in Wahrheit wohl um braune Zwerge und nicht um Planeten handeln. Und tatsächlich gibt es Arbeiten, nach denen HR 8799 bis zu einer Milliarden Jahre alt sein soll.
Amaya Moro-Martin und ihre Kollegen haben nun probiert, die Sache dynamisch anzugehen. Man geht davon aus, dass sich die Objekte um HR 8799 in einer resonanten Konfiguration befinden; d.h. ihre Umlaufzeiten stehen in einem ganzzahligen Verhältnis. Damit das der Fall sein kann, dürfen die Planeten nicht zu schwer sein. Die maximalen Massen die die Himmelskörper haben dürfen, damit die Resonanz nicht zusammenbricht, liegen bei etwa 13 und 19 Jupitermassen (also im Bereich der braunen Zwerge). Diese Maximalmassen haben Moro-Martin und ihre Kollegen nun als Ausgangslage für ihre dynamischen Simulationen benutzt. Dabei haben sie nicht nur die Bewegung und Stabilität der Planeten selbst untersucht sondern auch deren Wirkung auf die Trümmerscheibe, die HR 8799 umgibt. Über diese Scheiben aus Staub und Asteroiden, die viele Sterne umgeben habe ich hier schonmal ausführlicher geschrieben. Denn damit es keinen Widerspruch zu den Beobachtungen gibt, muss das System nicht nur für mindestens 160 Millionen Jahre lang stabil sein – auch die Bahnen der Asteroiden die dann den Staub der Trümmerscheibe erzeugen dürfen durch die Planeten nicht so stark gestört werden, dass sie nicht mehr die beobachtete Konfiguration zeigen bzw überhaupt instabil werden.
Die Ergebnisse der Simulation sehen dann z.B. so aus:
Hier sieht man links die Entwicklung der Planeten. Das oberste Bild zeigt, wie sich die große Halbachse im Laufe der Zeit ändert; das darunter die Änderung der Exzentrizität (die beiden unteren Bilder beziehen sich auf die Resonanz und sind erstmal nicht so wichtig). Rechts sieht man die Teilchen der Trümmerscheibe. Oben sieht man, wie lange die Teilchen an bestimmten Positionen überleben; in der Mitte ihre maximale Exzentrizität (die schattierten Bereiche sind “verboten”; dort werden die Teilchen durch Begegnungen mit den Planeten instabil) und unten ihre Verteilung am Ende der Simulation. Man sieht, dass die Zeitskala auf der x-Achse nur bis etwa 130 Millionen Jahre geht – danach wurden die Objekte nämlich instabil!
Auch wenn also die Auswirkungen der Himmelskörper auf die Trümmerscheibe selbst bei der maximal möglichen Masse nicht in Konflikt mit den Beobachtungen gerät, sind die Planeten selbst nicht stabil genug. Solch hohe Werte sind extrem unwahrscheinlich und Moro-Martin und ihre Kollegen gehen davon aus, dass der Stern um die 100 Millionen Jahre alt ist und seine Begleiter Massen haben, die gerade so unter der Grenze von 13 Jupitermassen liegen. Wären die Objekte braune Zwerge, dann müsste der Stern älter sein – aber so lange sind dann die Bahnen nicht stabil. Die Beobachter haben in diesem Fall also Glück gehabt; die Theoretiker haben ihre Arbeit bestätigt und es gibt ein Happy End!
Amaya Moro-Martin, George H. Rieke, & Kate Y. L. Su (2010). Could the planets around HR 8799 be brown dwarfs? ApJ Letters arXiv: 1008.5021v1
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