Die ersten Galaxien die sich im frühen Universum – etwa eine Milliarde Jahre nach dem Urknall – formten, waren noch relativ klein. Zumindest verglichen mit Galaxien wie unserer Milchstrasse. Aber wie werden kleine Galaxien zu großen Galaxien? Das kann auf dramatische Art und Weise geschehen: durch Kollisionen. Wenn zwei Galaxien zusammenstoßen, dann entsteht eine größere Galaxie. Die Interaktion von Galaxien und deren Kollisionen werden seit langer Zeit theoretisch untersucht und durch Beobachtungen erforscht (ich habe schon öfter darüber berichtet – zum Beispiel hier, hier, hier, hier oder hier). Es gibt aber auch noch eine zweite Möglichkeit wie Galaxien wachsen können. Und für die scheint man nun Belege beobachtet zu haben.
Denn anstatt katastrophal zu wachsen kann der Massenzuwachs auch ganz sanft und allmählich erfolgt sein. Im frühen Universum gab es noch mehr intergalaktisches Gas als heute – dort schwirrte jede Menge Wasserstoff und Helium rum. Und dieses Gas könnten sich Galaxien einverleibt haben. Aus diesem Gas entstehen dann neue Sterne und die Galaxie wird größer.
Wie testet man so eine Hypothese? Ganz einfach: man beobachtet Galaxien, die sehr weit weg sind. Denn je weiter weg eine Galaxie ist, desto länger braucht auch ihr Licht zu uns und desto weiter blicken wir in die Vergangenheit. Giovanni Cresci vom Osservatorio Astrofisico di Arcetri in Italien und seine Kollegen haben sich daher drei Galaxien ausgesucht, deren Rotverschiebung etwas mehr als z=3 betrug. Das bedeutet, dass die Galaxien – sie tragen die schönen Namen SSA22a-C16, CDFa-C9 und SSA22a-M38 – aus einer Zeit stammen, in der das Universum erst etwa 2 Milliarden Jahre alt war.
Und wie findet man nun heraus, ob sich diese Galaxien intergalaktisches Gas einverleiben? Dazu braucht man die Spektroskopie. Je nachdem ob sich Gas auf die Galaxien zu bewegt oder von ihnen weg werden sich die Spektrallinien im Licht in eine andere Richtung verschieben (Dopplereffekt). Glücklicherweise hat die europäische Südsternwarte ESO in Chile einen sehr guten Spektrographen am Very Large Telescope (VLT). Das Ding heisst SINFONI und mit ihm haben Cresci und Kollegen die Galaxien beobachtet. Außerdem kann man über eine Spektralanalyse des Lichts herausfinden, woraus das Gas besteht. Gas, das noch vom Urknall selbst stammt, besteht hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium – die schwereren Elemente kamen erst im Laufe der Zeit hinzu. Findet man nun also primordiales Wasserstoff/Helium-Gas, dass auf die Galaxien “herabregnet”, dann ist das ein deutlicher Beleg für die Hypothese des langsamen Galaxienwachstums.
Und genau das haben Cresci und seine Kollegen natürlich gefunden! Ihre Beobachtungen kann man im Artikel “Gas accretion in distant galaxies as the origin of chemical abundance gradients” (hier als pdf) nachlesen der kürzlich bei Nature erschienen ist. Sie haben die Galaxien mit SINFONI quasi kartografiert und dabei herausgefunden dass jede der drei Galaxien nahe ihres Zentrums einen Bereich hatte, in dem sich weniger schwere Elemente als anderswo befanden – und wo gleichzeitig jede Menge neue Sterne entstanden. Also genau das Szenario, das man erwarten würde, wenn such die Galaxien primordiales Gas aus der Umgebung einverleiben und daraus Sterne entstehen lassen.
Natürlich kann man aus der Beobachtung von nur drei Galaxien noch keine alzu allgemeinen Schlüsse ziehen. Aber immerhin wissen wir nun, dass so ein langsames Wachstum tatsächlich stattfindet. Weitere Beobachtungen werden dann zeigen, wie wichtig dieser Prozess für das Galaxienwachstum wirklich ist.
Cresci, G., Mannucci, F., Maiolino, R., Marconi, A., Gnerucci, A., & Magrini, L. (2010). Gas accretion as the origin of chemical abundance gradients in distant galaxies Nature, 467 (7317), 811-813 DOI: 10.1038/nature09451
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