Die Rundfunkgebühren – und vor allem die Methoden der GEZ bei deren Eintreibung – werden ja (oft zu Recht) immer wieder heftig kritisiert. Ich als Österreicher hab damit eher weniger Probleme. In Österreich hab ich mich oft gefragt, wofür ich denn eigentlich meine Gebühren bezahle. Die öffentlich-rechtlichen Sender sind voll mit Werbung und das Programm unterscheidet sich nur marginal von dem der Privatsender und ist teilweise sogar identisch. Anspruchsvolle Sendungen gibt es zwar vereinzelt auch – aber nicht genug um die Gebühren zu rechtfertigen. In Deutschland ist das anders. Auch hier kann man natürlich jede Menge an der Programmgestaltung kritisieren. Aber immerhin bekommt man hier für sein Geld nicht nur ARD und ZDF sondern auch einen ganzen Schwung Regionalsender, man bekommt z.B. Phoenix (einer meiner Lieblingssender), 3sat und ARTE – und man bekommt den Kinderkanal KiKa. Allein dafür lohnen sich die Gebühren schon. Wenn man sich ansieht, was da bei den privaten oft so im Kinderprogramm läuft, dann ist man äußerst dankbar für einen Sender auf dem ein mehr oder weniger durchgehend qualitativ gutes Programm läuft das man Kinder bedenkenlos ansehen lassen kann – und das noch komplett ohne Werbung! Aber so wie es aussieht, muss ich mich jetzt auch über den KiKa ärgern. Denn ab 1. November läuft dort “CHI RHO – Das Geheimnis”…
Worum gehts da? Das erklärt Oberkirchenrat Udo Hahn:
“‘Chi Rho – Das Geheimnis’ ist das derzeit innovativste Vorhaben, Kinder mit der Bibel bekannt zu machen. (…) Die Vermittlung des christlichen Glaubens an die nächste Generation ist die wohl größte Herausforderung vor der die Kirchen stehen.”
(Die Homepage der Sendung ist in Flash – darum kann ich leider nicht direkt auf die Zitate verlinken).
Konkret besteht dieses “innovativste Vorhaben” in einer Serie in der ein Bibelforscher der nebenbei auch Zeitmaschinen bastelt verschwindet und der von seiner Tochter gesucht wird. Die landet dann in der biblischen Welt und macht sich gemeinsam mit Jesus, Adam, Eva, Moses, David und der restlichen biblischen Prominenz daran, ihren Vater zu suchen und gegen Hreel zu kämpfen. Der ist ein “Handlanger des Bösen” der die “Bibel vernichten” will und damit “die gesamte christlich-abendländische Kultur” (ja, so stehts tatsächlich auf der Homepage).
In einem Interview bei evangelisch.de erklärt Prof. Roland Rosenstock, Medienpädagoge an der Universität Greifswald, warum man so eine Sendung braucht: damit die armen sozialistischen Heidenkinder im Osten die Welt verstehen:
“Man kann Kinofilme, Kinderbücher, Politik und vieles mehr nicht verstehen, wenn man nicht die wichtigsten biblischen Geschichten kennt. Das ist noch wichtiger als die Grimmschen Märchen. Deshalb brauchen wir auch im Kinderprogramm ein religiöses Format. Gerade auch für Kinder in Ostdeutschland, die selber nicht mehr mit den biblischen Geschichten aufgewachsen sind.”
Abgesehen davon, dass ich mir nicht wirklich sicher bin, ob man Kinofilme und Bücher nur versteht, wenn man die Bibel kennt (wer kennt die heutzutage schon): kann man den Kindern die christliche Geschichte von Mitteleuropa nur mit einer Zeichentrickserie erklären, in der gegen den Untergang der “christlich-abendländischen Kultur” gekämpft wird?
Ich weiß schon: es kommen jetzt wieder die üblichen Argumente der Kritiker. Warum rege ich mich schon wieder über sowas auf. Ist doch nur ne Zeichentrickserie für Kinder. Und was ist so schlimm daran, wenn die Kinder anhand von Geschichten aus der Bibel ein paar nette Werte vermittelt bekommen? Gibt es nichts wichtigers, über das ich meckern kann?
Ja – was ist so schlimm daran? Prinzipiell kann natürlich jeder der möchte religiöse Kinderbücher schreiben; religiöse Kinderfilme produzieren oder religiöse Veranstaltungen für Kinder durchführen. Alles kein Problem (bzw. eigentlich schon, aber das ist ein anderes Thema das ich anderswo abgehandelt habe). In einem Land in dem Religionsfreiheit herrscht, muss es natürlich jedem erlaubt sein, solche Sachen zu machen. Das stört mich zwar – aber die Welt ist von voll Dingen die mich stören und die ich trotzdem toleriern muss. Ich sehe aber irgendwie nicht ein, warum man die christlichen Kirchen mit Steuergeldern (CHI RHO wird u.a. von der Mitteldeutschen Medienförderung finanziert) bei ihrer Missionierung unterstützen und ihnen auch noch öffentlich-rechtliche Fernsehsender dafür zur Verfügung stellen muss.
Klar – vermutlich “schadet” es den Kindern nicht, wenn sie sich diese Serie ansehen (aber wie ich schon sagte: eigentlich bin ich da anderer Meinung und glaube nicht, dass die Bibel passende Kinderlektüre ist). Aber wären wir genauso locker und verständnisvoll für den Wunsch der Kirchen ihre Botschaft unter das junge Volk zu bringen, wenn die Zeichentrickserie nicht von den Abenteuern der christlichen Bibel handeln würde sondern zum Beispiel von den Geschichte im Koran (auch wenn Mohammed wohl dann nicht als Figur auftauchen würde…)? Fänden wir es immer noch problemlos, wenn der KiKa eine Serie ausstrahlen würde, die auf den religiösen Texten von Scientology oder den Mormonen basieren würde? (Oder – um mal ein nicht-religiöses Beispiel zu nehmen – was wäre, wenn die SPD im KiKa eine Serie zeigen wollte, die den Kindern die “sozialistischen Werte” nahebringen soll? Der Sozialismus hat das heutige Deutschland ja auch maßgeblich geprägt. Hätten wir damit dann ein Problem?)
Ich habe das hier in meinem Blog schon öfter gesagt: Religion ist Privatsache. Das soll sie auch bleiben. Wenn sich der Staat auf die Seite einer bestimmten Religion schlägt – und dann z.B. Schüler in öffentlich-staatlichen Schulen jeden Tag beten müssen; wenn in staatlichen Einrichtungen Kreuze hängen oder eben wenn religiöse Zeichentrickserien für Kinder mit öffentlichen Geldern finanziert und auf öffentlich-rechtlichen Sendern ausgestrahlt werden – dann ist Religion keine Privatsache mehr. Ich weiß, dass Deutschland keine streng laizistischen Gesetz hat und es noch jede Menge mehr Beispiele für die Vermischung von christlichen Kirchen und Staat gibt. Aber gerade deswegen; weil ich so eine mangelnde Trennung von Religion und Staat für problematisch halte, werde ich mich weiter darüber aufregen.
Bundeskanzlerin Merkel mag zwar behaupten, dass man in Deutschand “fehl am Platz” ist, wenn man “das christliche Menschenbild nicht akzeptiert”. Insofern wäre die Propagierung einer konkreten, der christlichen, Religion über das öffentlich-rechtliche Fernsehen nur konsequent. Aber nur weil Merkel das sagt, muss es natürlich noch lange nicht stimmen. Deutschland ist kein christliches Land (und ich spreche von der aktuellen Realität; nicht der Geschichte). Deutsche sind Christen, Moslems, Juden, Hinduisten, usw – und auch Atheisten. Der Staat ist für alle Bürger da und nicht nur die, die der Religion angehören, die der Regierung gerade am besten gefällt. Der Staat hat in Sachen Religion neutral zu sein. Religion ist Privatsache. So schwer ist das doch nicht zu verstehen…
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