Zur Zeit findet man an verschiedensten Stellen im Netz eine Infografik über erdnahe Asteroiden (z.B. bei Popular Science, io9 oder Gizmodo – danke auch an die diversen Leute die mich auf diese Grafik hingewiesen haben). Ok – zuerst habe ich mich gefreut. Ich mag erdnahe Asteroiden (immerhin habe ich meine Doktorarbeit darüber geschrieben) und gute Visualisierungen kann man immer brauchen. Nachdem ich mir die Grafik dann aber etwas genauer angeschaut hatte, war ich enttäuscht. Und nicht nur enttäuscht – sogar schon ein bisschen verärgert. Denn das Bild gibt die Informationen nicht nur einfach schlecht wieder, es erzeugt einen völlig falschen Eindruck von der Realität.
Es geht um diese Grafik (die der Grafikdesigner Zachary Vabolis erstellt hat):
Ok – schaut ja auf den ersten Blick wirklich ganz ok aus. Erde, Asteroiden; ein paar Zahlen und ein paar Linien und alles schön übersichtlich und nicht verwirrend. Aber wenn man sich überlegt, was hier eigentlich dargestellt ist, dann wird es seltsam. Es geht um die Asteroiden, die der Erde in den nächsten Jahren bzw. Jahrzehnten nahe kommen. Dazu gibt es natürlich Daten die man zum Beispiel auf der Sentry Homepage der NASA abrufen kann. Vabolis hat sich nun angesehen, welche Asteroiden die größer als 1 km sind uns nahe kommen und die dann für seine Grafik verwendet.
Aber aus der Darstellung werde ich nicht schlau. Erstmal ist der Maßstab völlig falsch. Die Größe der Asteroiden mag zwar verglichen mit den anderen Asteroiden korrekt sein – aber im Vergleich zur Erde sind sie natürlich VIEL zu groß gezeichnet. Gut, eine maßstabsgetreue Darstellung ist hier schwierig denn dann wären die Asteroiden alle nur Punkte. Aber warum muss man die Erde dann überhaupt abbilden? Das verwirrt nur – und manche Menschen glauben vielleicht tatsächlich, dass die Asteroiden so gewaltig groß sind – und man hätte auch nicht unbedingt bei jedem Asteroid die gleiche Form verwenden müssen – vor allem nicht, wenn in der Liste Asteroiden auftauchen bei denen wir tatsächlich wissen wie sie aussehen (433 Eros und 4179 Toutatis beispielsweise)
Ebenso verwirrend ist die Anordnung der Asteroiden. So wie ich das verstanden habe, kommt uns der Asteroid ganz links im Bild (1999 AN10) am nächsten und der ganz rechts (1036 Ganymed) wird uns von den gezeigten Objekten in der größten Entfernung passieren. Aber was sollen diese komischen Kreise? Sie können natürlich nicht die Bahnen der Asteroiden darstellen denn die Dinger bewegen sich ja um die Sonne und nicht um die Erde. Auch mit dem Abstand zur Erde haben sie nichts zu tun denn die Abstände zwischen den Linien sind ja immer gleich – und außerdem würde das ja sowieso nicht funktionieren weil die Erde nicht im selben Maßstab ist. Es kann sich also nur um grafisches Element handeln das keine Information trägt – aber dafür extrem verwirrend ist.
Unten links finden wir dann noch eine Tabelle mit den genauen Daten der nahen Begegnungen: Mindestabstand und Datum. Auch das ist prinzipiell ok – aber die Tabelle kriege ich genauso auch von der NASA-Homepage, da sehe ich nicht wirklich einen Mehrwert. Eher im Gegenteil – denn die astronomische Einheit (AE bzw. AU), also der mittlere Abstand zwischen Erde und Sonne wird zwar in der Astronomie oft verwendet, ist hier aber nicht wirklich angebracht. Wer kann sich schon auf die Schnelle wirklich gut vorstellen, was es bedeutet, wenn uns der Asteroid 1999 AN10 am 7. August 2027 in einem Abstand von 0.0026 AU passiert. Ok – ich weiß, dass dieser Wert zu groß ist als dass man Angst haben müsste – denn ich hab mir glücklicherweise gemerkt, dass 0.0026 AU (genauer: 0.00257 AU) ziemlich genau dem Abstand zwischen Erde und Mond entsprechen. Und wenn ich nun jemandem erzähle, dass der Asteroid 1999 AN10 von uns am 7. August 2027 genauso weit entfernt ist wieder Mond, dann ist das gleich viel anschaulicher. Verwendet man den Mondabstand als Einheit, dann sieht man auch gleich das man im Januar 2012 (2012!!!) keine Angst haben muss, wenn uns der Asteroid 433 Eros nahe kommt. Eros ist zwar an die 30 Kilometer groß und damit wunderbar geeignet bei einer Kollision die Menschheit auszurotten – aber mit 0.179 AU ist er immer noch knapp 70 Mal weiter von der Erde entfernt als der Mond und stellt keine Gefahr dar (außer vielleicht für die ganzen Astronomen die sich beim Beobachten in der kalten Januarnacht nen Schnupfen holen).
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