Vor einiger Zeit habe ich ja schonmal über Planeten in Doppelsternsystemen geschrieben. Unsere Erde muss sich ja mit einem einzigen Stern zufrieden geben: unserer Sonne. Aber Singles sind unter den Sternen der Milchstrasse in der Minderheit: die meisten haben einen (oder auch mehrere) Partner an die sie gravitativ gebunden sind. Das macht die Dynamik natürlich komplizierter – es heisst aber nicht, dass bei solchen Doppel- oder Mehrfachsternsystemen keine Planeten mehr zu finden sind. Man hat schon einige entdeckt – und gerade erst wieder zwei Stück davon gefunden.
In den allermeisten Fällen gehören die Planeten in einem Doppelsternsystem zum sogenannten “S-Typ”. Das bedeutet, sie umkreisen nur einen der beiden Sterne. Man kennt aber auch einige wenige (drei) Systeme, die zum P-Typ gehören. Hier umkreisen die Planeten beide Sterne und das neu entdeckte Planetensystem von NN Serpentis gehört dazu.
NN Serpentis ist ein Doppelsternsystem. Allerdings kein “gemütliches” wie aus den Science-Fiction-Filmen wo eine nette Wüstenwelt zwei sonnenähnliche Sterne umkreist. Die eine Komponente von NN Serpentis ist roter Zwergstern mit einem Zehntel der Sonnemasse. Nur 600000 Kilometer entfernt – also noch nicht mal der doppelte Abstand zwischen Erde und Mond – befindet sich die zweite Komponente: ein weißer Zwerg mit der Hälfte der Sonnemasse. Beide umkreisen ihren gemeinsamen Massenschwerpunkt etwa alle 3 Stunden – in diesem System gehts also wirklich rund!
Interessant ist vor allem der weiße Zwerg. Denn weiße Zwerge entstehen ja nicht von selbst sondern stellen das Endstadium eines bestimmten Zweiges der Sternentwicklung dar. Kleinere Sterne – so wie unsere Sonne – blähen sich gegen Ende ihres Leben enorm auf und werden zu einem roten Riesen. Die Sonne wird beispielsweise so groß werden, dass sie Merkur, Venus und vielleicht auch die Erde einfach “verschluckt”. Das muss auch bei NN Serpentis passiert sein. Früher muss da mal ein Stern gewesen sein, so ähnlich wie unsere Sonne der zu einem roten Riese wurde. Der zweite Stern (der rote Zwerg) war damals noch nicht so extrem nahe am anderen dran. Aber wohl nahe genug, um vom sich aufblähenden roten Riesen verschluckt zu werden (man spricht von “common envelope binaries”). Da er sich jetzt durch die äußeren Schichten der Atmosphäre des roten Riesen bewegen musste führte die Reibung dazu, dass er Energie verlor und seine Bahn kleiner wurde. Irgendwann hatte der rote Riese seine äußeren Atmosphärenschichten schließlich komplett weggeblasen und nur der innerste Kern blieb übrig: ein weißer Zwerg. Und der Nachbarstern war deutlich näher gerückt.
Wir haben das Glück, dass wir dieses System von der Erde genau von der Seite aus sehen. Wir blicken quasi direkt auf die “Kante” der Umlaufbahnen und können zuschauen, wie das Gesamtlicht das wir von beiden Sternen sehen heller und dunkler wird weil immer wieder mal der eine Stern vor dem anderen steht und so ein wenig Licht abblockt. Diese Transits verlaufen extrem regelmäßig – normalerweise… Bei NN Serpentis aber hat man gemessen, dass die Bedeckungen manchmal ein wenig zu früh passieren und manchmal ein wenig zu spät stattfinden. Ich habe früher schonmal über solche Transitzeit-Variationen geschrieben und man kann diese Störungen benutzen um nach Planeten zu suchen. Denn ein Grund für die Unpünktlichkeit der Sterne könnte der gravitative Einfluss von anderen Himmelskörpern sein, die sich dort noch befinden. Genau das hat Klaus Beuermann von der Uni Göttingen gemeinsam mit anderen Astronomen aus Deutschland, Chile, England und den USA untersucht (“Two planets orbiting the recently formed post-common envelope binary NN Serpentis”. So sieht das dann aus:
Die Datenpunkte zeigen an, wie sich der Unterschied zwischen Messung und Vorhersage im Laufe der Zeit verändert; die Kurve gibt an, wie die Änderung aussehen würde, wenn da noch ein Planet mit etwa der achtfachen Jupitermasse knapp 7 Astronomische Einheiten (eine astronomische Einheit entspricht dem mittleren Abstand zwischen Erde und Sonne) entfernt auf einer sehr exzentrischen (d.h. ovalen) Bahn seine Runden um die beiden Sterne ziehen würde. Die Übereinstimmung ist gut – aber nicht perfekt. Hier sieht man den Teil der Daten, der “übrig bleibt”. Im Idealfall wären alle diese Punkte auf der Nulllinie – aber hier gibt es noch jede Menge deutliche Abweichungen:
Deswegen haben es die Astronomen mit einem Modell probiert, in dem zwei Planeten die beiden Sterne umkreisen. Hier ist die Übereinstimmung viel besser.
Die beiden Planeten sind beides Gasriesen wie Jupiter; der eine etwa siebenmal schwerer und der andere mit etwa der 2.3fachen Masse. Der schwerere Planet befindet sich 5.4 astronomische Einheiten vom Doppelstern entfernt auf einer kreisförmigen Bahn; der leichtere ist mit 3.4 AE näher dran hat aber eine leicht exzentrische Bahn (so wie der Merkur in unserem Sonnensystem).
Jetzt wird sich der eine oder die andere fragen, wie denn die beiden Planeten den ganzen Wirbel mit dem Übergang vom roten Riesen zum weißen Zwerg und die Annäherung des Nachbarsterns überstanden haben. Das ist eine gute Frage – aber es ist noch nicht wirklich klar, ob es die Planeten damals schon gegeben hat. Mal angenommen, die Planeten wären früher schon dagewesen als der weiße Zwerg noch ein braver gelber Stern gewesen ist. Dann müssen die Planeten damals aber näher am Stern dran gewesen sein denn er hat ja beim Übergang zum weißen Zwerg jede Menge Masse verloren wodurch seine Gravitationskraft schwächer wurde und die Planeten nach außen gewandert sind. Jetzt ist es aber fraglich, ob so nahe am Stern überhaupt stabile Planetenbahnen möglich sind; vor allem, wenn da noch ein roter Zwerg dabei ist und gravitativ mitmischt. Man müsste das alles mal im Detail durchrechnen – aber es kann gut sein, dass das gar nicht möglich ist.
Es kann aber sein, dass die Planeten erst nach dem ganzen Wirrwarr entstanden. Es könnte sein, dass sich ein Teil des Materials das der rote Riese abgestossen hat in einer Scheibe um den Doppelstern gesammelt hat aus dem dann die Planeten entstanden sind. So oder so: NN Serpentis ist auf jeden Fall ein cooles System.
Übrigens: dort wird es zwar vermutlich keine Aliens geben – aber wenn doch, dann würden sie am Himmel trotzdem nur einen Stern sehen. Der weiße Zwerg leuchtet nämlich viel heller als der rote Zwerg und obwohl man theoretisch beide getrennt am Himmel sehen könnte stehen sie so nahe beieinander dass der rote Zwerg komplett überstrahlt wird. Man würde allerdings merken dass da nochwas ist. Denn der weiße Zwerg (der auch nur ein extrem hell leuchtender Punkt am Himmel sein würde) würde alle drei Stunden kurz verschwinden… Was die Aliens sich da wohl denken?
K. Beuermann, F. V. Hessman, S. Dreizler, T. R. Marsh, S. G. Parsons, D. E. Winget, G. F. Miller, M. R. Schreiber, W. Kley, V. S. Dhillon, S. P. Littlefair, C. M. Copperwheat, & J. J. Hermes (2010). Two planets orbiting the recently formed post-common envelope binary NN
Serpentis Astronomy and Astrophysics arXiv: 1010.3608v1
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