Der berühmte französische Philosoph Auguste Comte schrieb noch 1835 in seiner “Rede über den Geist des Positivismus” folgendes über die Sterne:

“Wir haben die Möglichkeit, ihre Formen, Entfernungen, Größen und Bewegungen zu bestimmen, während wir niemals durch irgendein Mittel ihre chemische Zusammensetzung [bestimmen können]”

Doch schon wenige Jahre später, 1859, fanden Gustav Kirchhoff und Robert Bunsen die Spektroskopie: eine Möglichkeit, durch die sorgfältige Analyse des Lichts herauszufinden, aus welchem Material das Medium besteht, dass es durchquert hat. Damit war es möglich zu bestimmen, aus was die Sterne bestehen. Hauptsächlich Wasserstoff und Helium, lautete die Antworte. Aber neben diesen beiden häufigsten Elementen enthalten Sterne auch noch Spuren von vielen anderen Stoffen. In der Astronomie werden sie alle zusammen als “Metalle” bezeichnet. Der Wert dieser “Metallizität” ist eine wichtige Größe, wenn man etwas über die Geschichte und den inneren Aufbau eines Sterns erfahren möchte. Deswegen bemüht man sich natürlich auch, ihn für so viele Sterne wie möglich zu bestimmen. Aber bei manchen Sternen ist die Menge an Metallen nicht so, wie man es erwarten würde. Sie sind “seltsam” – aber dafür umso interessanter. Vor allem, weil wir nun wissen, dass es solche Sterne auch in anderen Galaxien gibt.


Misst man die Metallizität eines Sternes, dann kann man zum Beispiel etwas über sein Alter und seine Entstehung erfahren. Denn beim Urknall selbst ist ja nur Wasserstoff und Helium entstanden. Erst als sich die ersten Sterne bildeten und in ihrem Inneren diese beiden leichten Elemente zu Schwereren umwandelten, gab es auch andere Materie. Diese schweren Elemente wurden dann ins All geschleudert als die Sterne in Supernovaexplosionen vergingen und standen so den Sternen der nächsten Generation als Baustoff zur Verfügung um noch schwerere Elemente zu erzeugen: so gut wie alles woraus wir bestehen; woraus unsere Erde besteht wurde in Sternen und bei Supernovaexplosionen erzeugt.

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Kohlenstoff: für Astronomen ein Metall (Bild: Mario Sarto, CC-BY-SA 3.0)

Aus der Messung der Metallizität eines Sterns lässt sich also bestimmen, welcher Sterngeneration er angehört; wie die Gaswolke beschaffen war aus der er entstanden ist – und man kann noch jede Menge andere interessante Sachen lernen. Im Allgemeinen versteht man mittlerweile recht gut, wie sich die Metallhäufigkeiten von Sterntyp zu Sterntyp unterscheiden. Ein paar Sterne gibt es allerdings, die ganz anders sind. Sie zeigen deutlich andere Metallhäufigkeiten als man es eigentlich erwarten würde. Kreativerweise hat man diese Objekte “chemisch seltsame Sterne” (“chemical peculiar stars”) genannt.

Und wenn es um Sternentstehung und -entwicklung geht, dann sind diese Sterne besonders interessant. Denn gerade aus den Ausnahmen von der Regel kann man am meisten lernen. Man geht heute davon aus, dass die Sterne eigentlich ganz normale Elementhäufigkeiten zeigen; zumindest im Kern. In den äußeren Schichten hat sich aber eine andere Verteilung gebildet, vermutlich weil die Durchmischung der Elemente nicht so ganz geklappt hat. Dafür könnte ein überdurchschnittlich starkes Magnetfeld verantwortlich sein – und genau das misst man auch bei vielen der chemisch seltsamen Sterne. Diese Magnetfelder wiederum könnten noch aus dem Medium stammen, aus dem der Stern entstanden ist (genau zu erklären wie solche Magnetfelder in ein Medium “eingefroren” sein können ist etwas komplex, aber es ist möglich – das passiert auch in unserer Sonne wo die Feldlinien z.B. ans Plasma gebunden sind und von diesem mitbewegt werden).

Man sieht also leicht, warum man gerne mehr über diese chemisch pekuliaren Sterne wissen will: um die Details der Sternentstehung und -entwicklung zu verstehen muss man auch verstehen, wie sich die beobachteten Metallizitäten eingestellt haben. Besonders interessant wird das natürlich, wenn man die Situation in unserer Galaxie mit der in anderen Galaxien vergleicht (die Bedeutung solcher extragalaktischen Vergleiche habe ich ja erst kürzlich anhand der Exoplaneten erklärt). Und wie das mit fernen Galaxien so ist, sind die ja vor allem erstmal fern und einzelne Sterne dort schwer zu beobachten. Das es auch anderswo chemisch pekuliare Sterne gibt ist natürlich anzunehmen. Aber sie auch einwandfrei nachzuweisen ist wieder eine ganz andere Geschichte. Aber genau das ist jetzt Astronomen von der Universitätssternwarte in Wien und der Universität Michigan gelungen. Im Artikel “The first spectroscopic verification of an extragalactic classical chemically peculiar star” berichten Ernst Paunzen und Martin Netopil über die Auswertung von Beobachtungsdaten die Donald Bord 2004 (ja, da sieht man mal wieder wie lange das mit der Datenauswertung manchmal dauern kann…) in Las Campanas in Chile mit den Magellan-Teleskopen gemacht hat. Ziel waren Sterne aus Großen Magellanschen Wolke – einer der Nachbargalaxien der Milchstrasse. Und ein Stern im Sternhaufen NGC 1866 zeigte eines der charakteristischen Anzeichen durch die sich ein chemisch seltsamer Stern verrät: eine überdurchschnittlich starke doppelte Spektrallinie des zweifach ionisierten Siliziums:

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Damit ist erstmal eindeutig ein chemisch pekuliarer Stern in einer anderen Galaxie nachgewiesen. Man hat außerdem noch gezeigt, dass die Beobachtungsmethode mit der man nach solchen Sternen sucht gut funktioniert und das einer groß angelegten Studie von chemisch pekuliaren Sternen in anderen Galaxien nichts mehr im Wege steht. Mal sehen, was die seltsamen Sterne so zu erzählen haben…


Paunzen, E., Netopil, M., & Bord, D. (2010). The first spectroscopic verification of an extragalactic classical chemically peculiar star★ Monthly Notices of the Royal Astronomical Society DOI: 10.1111/j.1365-2966.2010.17682.x


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Kommentare (5)

  1. #1 MartinB
    23. November 2010

    Mal wieder unwissend nachgefragt:
    Wie misst man denn das Magnetfeld von Sternen? Mit dem Zeeman-Effekt?

  2. #2 Florian Freistetter
    23. November 2010

    @MartinB: Hu, gute Frage. Also mit dem Zeeman-Effekt gehts auf jeden Fall und so hat man auch erstmals das Magnetfeld bei Sternen nachgewiesen. Aber es kann gut sein, dass es da noch ein paar bessere/andere/indirekte Methoden gibt, die sich die Beobachter im Lauf der Zeit ausgedacht haben…

  3. #3 Stefan Hambach
    25. November 2010

    Denn beim Urknall selbst ist ja nur Wasserstoff und Helium entstanden. Erst als sich die ersten Sterne bildeten und in ihrem Inneren diese beiden leichten Elemente zu Schwereren umwandelten, gab es auch andere Materie.

    Wie sieht es mit der zukünftigen Sternenentwicklung aus? Kann man davon ausgehen, dass eine “zukünftige Sternengeneration” aus den heute bestehenden Elementen noch anderen bisher nicht bekannte Elemente erzeugen werden?

  4. #4 Florian Freistetter
    25. November 2010

    @Stefan Hambach: “Kann man davon ausgehen, dass eine “zukünftige Sternengeneration” aus den heute bestehenden Elementen noch anderen bisher nicht bekannte Elemente erzeugen werden? “

    Ne, nicht wirklich. Dazu brauchts ja enorme Energie. In den Sternen selbst gehts ja sowieso nur bis zum Eisen. Alles andere entsteht nur bei den großen Temperaturen/Drücken in Supernova-Explosionen. Und dann sind die ganzen schwereren Elemente ja auch hochgradig instabil und zerfallen gleich wieder… Ne – alles was von selbst halbwegs stabil bleibt wurde schon auf natürlichen Weg erzeugt. Für den Rest braucht man Teilchenbeschleuniger und Detektoren…

  5. #5 Stefan Hambach
    25. November 2010

    @Florian Freistätter
    Danke, so bin ich mal wieder etwas schlauer geworden