Ich bin ja selbst kein Journalist sondern “nur” Blogger – aber wenn ich sehe was in eigentlich halbwegs seriösen Zeitungen zu lesen ist, dann bin ich darüber gar nicht traurig;) Da schreibt zum Beispiel Katharina von der Leyen in der “Welt” einen Artikel mit dem Titel “Ein Jahr als Liebestöter und -befreier“. Gut – Liebe ist ein klassisches Thema der Astrologie. Ich frag mich zwar, warum man mit der ganzen (angeblichen) prognostischen und analytischen Macht die einem die Astrologie zur Verfügung stellt nicht mehr anstellt als Leuten bei ihren Liebesproblemen zu helfen – aber was solls. Normalerweise kommt die Astrologie ja erst zum Jahreswechsel prominent (bzw. prominenter als sonst) in die Medien – aber diesmal macht man sich bei der Welt schon im November ein wenig lächerlich.
Das Interview mit dem Astrologen Alexander von Schlieffen (Auch noch ein Graf! Kurzer Off-Topic Einschub: Ernsthaft liebe Deutsche – ihr solltet euch das mit dem Adel nochmal überlegen. Macht es so wie in Österreich und schafft den ganzen Unsinn einfach ab) beginnt folgendermaßen:
“Katharina von der Leyen”: Es kommt einem so vor, als habe es in diesem Jahr mehr Trennungen gegeben als je zuvor. Ist das nur eine gefühlte Einschätzung oder richtig?
Alexander von Schlieffen: Das stimmt tatsächlich. Allerdings waren das keine überraschenden Trennungen, auch wenn es vielleicht so gewirkt haben mag. Es waren Trennungen, die schon seit längerer Zeit überfällig waren, weil man sich in unterschiedliche Richtungen entwickelt hatte.
Ja, das ist knallharter Journalismus von Feinsten. “Ich hab das Gefühl, das ist so?” “Ja, ich auch! Und ich behaupte mal, das stimmt auch wenn ich keine Belege dafür habe!”. Gabs da nicht mal was das sich “Recherche” nannte? Wenn man wissen will, ob es mehr Trennungen gibt, könnte man ja einfach mal nachsehen. Bzw. sollte man zuerst mal spezifizieren, was mit “Trennung” überhaupt gemeint ist. Aber ok, wenn man diese Fragen einem Astrologen stellt, dann ists eh egal – dann kommen ja auch keine konkreten Antworten.
Über “die Trennungen” (welche auch immer) weiß der Astrologe noch mehr dramatische Neuigkeiten zu erzählen:
“Man hatte einfach miteinander keine Wachstumsperspektive mehr. (…) Aus astrologischer Perspektive waren diese Trennungen einfach eine Konsequenz eines faulen Kompromisses, den man vor sich selbst nicht mehr rechtfertigen konnte.”
Ist nicht wahr?! Man (wer auch immer) hat sich getrennt, weil man gemeinsam keine Perspektiven mehr hatte. Echt jetzt? Ja, in der Hinsicht war 2010 wohl ein ganz spezielles Jahr…sowas ist sicher vorher noch nie passiert.
Aber zumindest erklärt von Schlieffen schön, warum so viele Menschen einfach an die Astrologie glauben wollen:
“Nach meiner Erfahrung ist es für viele Menschen sehr tröstlich zu wissen: Du bist nicht das Opfer eines individuellen Schicksals, und du bist auch nicht allein in diesem Zustand. Der Zustand ist so, weil er den Konstellationen entspricht, das vergeht wieder.”
Ja, das ist natürlich ein verlockendes Angebot das die Astrologen hier ihren Kunden machen: “Nicht du bist Schuld an den Problemen die du hast. Die Konstellationen sind einfach gerade schlecht und wenn die wieder besser werden verschwinden auch deine Probleme!”. Wer möchte die Verantwortung für das was im Leben schief läuft nicht gerne abgeben? Aber so läufts halt nunmal nicht. Probleme verschwinden i.A. nicht einfach von selbst und wer sich nicht damit beschäftigt und alles auf die Sterne, das Schicksal oder höhere Mächte schiebt, der wird sie nie lösen…
Übrigens braucht man sich bis Jahresende gar nicht um ne neue Beziehung bemühen; dank der Planeten klappt das eh nicht wirklich. Erst ab nächsten Frühjahr wirds wieder was. Echt jetzt, die Astrologen sind da ganz schön negativ eingestellt. Zuerst hatten wir – dank der Sonnenfinsternis – das halbe Jahr 2009 schlechten Sex, dann (wahrscheinlich deswegen!) gabs 2010 lauter Trennungen und erst 2011 wirds wieder was mit der Liebe (was aber auch schon wieder wurscht ist, weil 2012 eh alles den Bach runter geht).
Ernsthaft jetzt: das Astrologen solchen Unsinn von sich geben ist man ja schon gewohnt. Aber so völlig unkritischer Journalismus schmerzt schon ein wenig…
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