Ich hoffe, ihr kennt alle den Elementarfragen-Podcast? Auf die eine Folge, in der ich interviewt wurde habe ich ja schonmal hingewiesen. Aber dort gibts natürlich noch mehr zu hören: es werden z.B. Radiomoderatoren interviewt und Vulkanologen. Und kürzlich noch ein weiterer Astronom. Der einzige wirklich prominente Astronom im deutschsprachigen Raum: Harald Lesch.
Im 90minütigen Interview spricht Lesch seine Lieblingsthemen an: extraterrestrisches Leben, Philosophie, Religion, Pfeifenrauchen 😉 Alles sehr spannende Themen – aber aus meiner Sicht so richtig interessant war, was Lesch über die Bildungspolitik in Deutschland gesagt hat.
Da regt er sich erstmal – zu Recht! – über das neue Bachelor/Master-System auf. Das finde ich ja auch äußerst unsinnig. Und ich stimme Lesch vollkommen zu, dass es keinen Sinn macht, wenn die Uni sich immer mehr an die “Außenwelt” anpasst. Wenn man sich ansieht, was heute an den Unis abläuft, dann ist das ja fast wirklich nur noch eine Verlängerung der Schule mit dem Ziel möglichst schnell Fackkräfte für Industrie und Wirtschaft zu produzieren.
Als ich mein Studium began (und das ist ja genaugenommen auch gerade erst 15 Jahre her) musste man als Student noch sehr viel Eigeninitiative zeigen. Man musste sich seinen Stundenplan selbst zusammenstellen und z.B. selbst entscheiden, welche Vorlesungen am sinnvollsten für den gewünschten Studienschwerpunkt waren. Das hat dann aber auch dazu geführt, dass man viel ausprobiert hat. Statt der einen geforderten Mathematik-Vorlesung im dritten Semester haben ich mir drei angehört – einfach um zu sehen, welcher Kurs mir am meisten bringt. Die verpflichtenden Wahlfächer waren mehr oder weniger völlig frei und hier hab ich immer wieder nach interessanten Vorlesungen gesucht die zwar nichts mit Astronomie zu tun hatten aber trotzdem nützlich waren: Geophysik, Informatik, Chemie, etc. Heutzutage bekommt man (zumindest an den Unis die ich kenne) einen quasi fixen Studenplan mit modularisierte Studieneinheiten vorgesetzt die alle aufeinander aufbauen und die Möglichkeit, sich sein Studium ein bisschen individueller zu gestalten existiert kaum noch. Und auch die Lehrveranstaltungen selbst ähneln immer mehr dem Schulunterricht.
Als ich in Jena Vorlesungen und Übungskurse abgehalten haben, habe ich selbst gemerkt, wie schwierig es ist, die Studenten dazu zu bringen, Dinge in Eigeninitiative zu machen. Vorgefertige Übungsbeispiele zu rechnen und abzugeben war kein Problem. Aber wenn ich probiert habe, von diesem Schema abzuweichen und die Studenten z.B. anstatt Rechenaufgaben zu lösen Wikipediaartikel schreiben oder selbst kleinere wissenschaftliche Probleme recherchieren sollten, wurde es oft problematisch. Wenn es keine genauen Schritt-für-Schritt-Anleitungen für den Arbeitsablauf gab, konnten/wollten viele die Probleme gar nicht erst angehen. Dabei sollte man gerade an Universitäten ja das selbständige Arbeiten und Denken lernen – das neue Bachelor/Master-System scheint aber in eine ganz andere Richtung zu gehen.
Zu Recht ärgert sich Lesch auch darüber, dass diese neuen Studiengänge nun für viel Geld von externen Firmen evaluiert werden – anstatt das einfach so wie in der Wissenschaft üblich von “Peers” – also den Fachkollegen – erledigen zu lassen. Generell meint er, fehlt es an Vertrauen. Universitäten sollten Orte des Vertrauens sein – aber auch hier setzt sich das generelle Mißtrauen das anderswo in der Gesellschaft herrscht (z.B. in Arbeitsagenturen oder Sozialämtern) immer mehr durch: alles und jedes muss beurteilt, evaluiert und überprüft werden.
Hört euch das Interview mit Harald Lesch an! Es lohnt sich wirklich!
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