Den nicht stattfindenden Weltuntergang im Jahr 2012 habe ich ja mittlerweile aus so gut wie allen Perspektiven abgehandelt. Das ändert aber nichts daran, dass ich immer noch jede Menge Emails mit Fragen zu diesem Thema bekomme. Die meisten davon habe ich in meinen Blog-Artikeln schon beantwortet. Zu einer Frage habe ich aber bisher noch nichts geschrieben: Wenn doch Planet X bzw. Nibiru nicht existiert – warum haben ihn dann so viele Leute gesehen und Bilder davon gemacht?
Denn ich kriege tatsächlich immer wieder Post von Leuten, die mir Bilder schicken, auf denen angeblich ganz eindeutig Planet X zu sehen ist. Und wenn man sich in den einschlägigen Foren, Seiten und Blogs umsieht, dann findet man schnell noch jede Menge solcher Aufnahmen. Bei YouTube gibts jede Menge Videos die den Planeten zeigen sollen. So eines hier zum Beispiel:
Abgesehen von den Bildern die Leute hier auf der Erde mit ihren Kameras machen gibt es dann auch noch die Weltraumteleskope auf deren Aufnahmen Planet X angeblich zu sehen sein soll. Besonders beliebt ist hier SOHO, das Sonnenteleskop der NASA. Das beobachtet die Sonne und ihre Umgebung schon seit Jahren und alle Bilder sind frei zugänglich im Internet. Da lässt sich natürlich viel finden. Sowas zum Beispiel:
Ok – mit was haben wir es hier zu tun? Fangen wir mit der ersten Art von Bildern an; denen, die hier von der Erde aus mit ganz normalen Kameras gemacht werden. Was zeigen die?
Wie bei den Unmengen an angeblichen Aufnahmen von außerirdischen Raumschiffen gibt es natürlich auch jede Menge Bilder von “Planet X” die in Wahrheit einfach nur Venus, Jupiter oder einen anderen hellen bekannten Planeten zeigen. Viele Leute haben eben einfach zu wenig Ahnung von den Dingen am Himmel und wenn dann – so wie in den letzten Monaten Planeten wie Jupiter und Venus prominent und extrem hell in der Abend- bzw. Morgendämmerung zu sehen sind, wissen viele nicht, was sie davon halten sollen und denken, sie hätten Planet X gesehen. Aber das ist eher die Ausnahme; die Bilder um die es meistens geht ähneln denen aus dem ersten Video. Nibiru versteckt sich ja angeblich hinter der Sonne (was rein himmelsmechanisch schon unmöglich ist; aber egal, das ignorieren wir erstmal). Deswegen soll man auch – so wie im Video gesagt wird – die Sonne fotografieren und wird dann auf den Bildern (aber nicht mit freien Auge!) Nibiru sehen können.
Ok, die Leute die etwas Ahnung von Fotografie haben, werden nun schon den Kopf schütteln 😉 Denn es ist klar: wenn ich eine so helle Lichtquelle wie die Sonne fotografiere und keine speziellen Vorkehrungen treffe, dann stehen die Chancen nicht schlecht, dass am Ende auf meinen Bildern diverse interne Reflexionen der Kamera-Optik zu sehen sein werden. Bzw. externe Reflexionen wie sie zum Beispiel entstehen, wenn man durch ein Fenster fotografiert. Fotos dieser Art habe ich selbst schon gemacht und auch andere haben festgestellt, wie einfach es ist, auf diese Art “Nibiru” zu fotografieren. Es muss ja nichtmal die Sonne sein – jede helle Lichtquelle reicht aus, um solche Reflexionen zu erhalten. Man findet sie auf Unmengen Amateuraufnahmen – aber die wenigstens halten die Lichtflecken gleich für UFOs bzw. unbekannte Planeten. Hier ist noch ein wunderbares Beispiel; fotografiert von Maria Pflug-Hofmayr. Wer weiß, was hier zu sehen ist (kleiner Tipp: nicht Nibiru):
Neben diesen optischen Effekten gibt es dann auch noch einige atmosphärische Effekte, die den Anschein erwecken könnten, dort wäre ein unbekannter Himmelskörper. Zum Beispiel eine sogenannte Nebensonne. Hier wird Sonnenlicht durch Eiskristalle in der Luft gebrochen und gespiegelt was dazu führt, dass links und/oder rechts neben der Sonne ebenfalls helle “Objekte” sichtbar werden:
Abgesehen davon, dass es sowieso sehr schwer ist einen Planeten (der ja nicht von selbst leuchtet) bei Tageslicht in der Nähe der Sonne zu sehen kann man leicht überprüfen, ob es sich bei dem Lichtfleck auf dem Foto nur um eine Reflexion oder einen Himmelskörper handelt. Man muss einfach nur mehrere Aufnahmen zu verschiedenen Zeitpunkten machen. Planeten verschwinden nicht einfach und hüpfen auch nicht einfach irgendwie am Himmel herum. Sie bewegen sich mit einer bestimmten Geschwindigkeit auf Keplerbahnen um die Sonne und das muss auch am Bild bemerkbar sein. Wenn der Lichtfleck dagegen nur manchmal zu sehen ist; wild hin und her springt oder im Vergleich zur Sonne immer die gleiche Position einnimmt – dann ist es kein echter Planet.
Gut – aber was ist mit den Bildern des Weltraumteleskops SOHO? Die wurden doch immerhin von professionellen Astronomen gemacht. Die wissen doch was sie tun. Warum gibt es hier so viele “Anomalien”? Der erste Grund ist der gleiche wie oben. Die Bilder an sich sind völlig in Ordnung. Man muss nur wissen, was darauf zu sehen ist. SOHO nimmt nicht nur die Sonne auf sondern auch alles, was dort sonst noch am Himmel zu sehen ist. Dazu gehören natürlich auch ganz normale bekannte Planeten die eben manchmal durchs Bild fliegen. Neben den Planeten findet SOHO auch regelmäßig neue Kometen. Gerade erst vorgestern wurde die Entdeckung des 2000. Kometen durch SOHO bekannt gegeben. Viele der “Anomalien” sind also ganz normale Himmelskörper und kein Planet X.
Und dann gibt es natürlich auch bei astronomischen Aufnahmen das Äquivalent zu den internen bzw. externen Reflexionen. Fotografiert man den Sternenhimmel mit einer CCD-Kamera, dann kann man normalerweise das Bild nicht einfach so ohne jede weitere Bearbeitung verwenden. Im Astronomiestudium lernt man, dass man bei CCD-Aufnahmen auf jeden Fall zuerst mal sogenannte Flatfield und Darkframe-Korrekturen durchführen muss um die Unregelmäßigkeiten und Verunreinigungen des Chips bzw. der Kamera loszuwerden. Ein Rohbild mit einer CCD-Kamera kann zum Beispiel so aussehen:
Unten links ist deutlich eine dunkle “Anomalie” zu erkennen. Wenn das nicht mal Planet X ist… 😉 Macht man nun aber eine Flatfield-Aufnahme, d.h. fotografiert man eine gleichmäßig beleuchtete Fläche (Astronomen richten dazu z.B. das Teleskop oft einfach auf die Wand des Observatoriums), dann sieht man dort auch diesen Planet X:
Denn diese “Anomalie” war einfach nur ein bisschen Staub am CCD-Chip. Macht man nun auch noch eine Darkframe-Aufnahme (d.h. man macht ein Foto mit geschlossener Kamerabdeckung), dann kann man auch die Tatsache korrigieren, dass jeder CCD-Pixel unterschiedlich stark auf Temperaturschwankungen reagiert. Am Ende steht dann ein fertiges kalibriertes Bild des Sternenhimmels:
Keine “Anomalien” mehr zu sehen… Aber wenn die Weltuntergangspropheten wieder mal auf der Suche nach “Beweisen” in den Bildarchiven von SOHO stöbern kann es gut sein, dass sie mal ein nicht bzw. schlecht kalibriertes Bild in die Finger bekommen. Und da die Nibiru-Fans meistens zu beschäftigt mit der Beweissuche sind um sich mit den astronomischen Grundlagen der Bildbearbeitung auseinanderzusetzen freuen sie sich eben über die gefundenen “Anomalien” anstatt genauer nachzuprüfen, was da eigentlich zu sehen ist.
Neben Staub auf den CCD-Chips und Unregelmäßigkeiten bei der Verarbeitung gibt es natürlich noch jede Menge andere potentielle Bildfehler. Da ist zum Beispiel die kosmische Strahlung. Diese energiereiche Strahlung aus dem All trifft auch schon mal auf einen CCD-Chip und erzeugt dann sogenannte “hot pixel”, d.h. Pixel, die immer hell sind (das lässt sich aber mit Flat- und Dark-Korrekturen rausrechnen). Je nachdem wie das Teilchen der kosmischen Strahlung auf den CCD-Chip trifft kann statt des “hot Pixel” auch gleich ein ganzer Streifen oder eine Ansammlung von hellen Pixeln entstehen. Und dann gibt es da noch die berühmten “geflügelten Planeten”, die von den Esoterikern als eindeutiger Beweis für die Existenz von Nibiru gelten. Denn ab und zu sieht man auf den SOHO-Bildern sowas:
Hu! Was ist das denn? Das sieht doch tatsächlich genauso aus, wie die Symbole, mit denen z.B. die Ägypter oder Sumerer ihre Gottheiten dargestellt haben. Das muss doch Nibiru sein…
Ne – auch das sind nur Auswirkungen der kosmischen Strahlung. Wenn Strahlung auf einen CCD-Chip trifft, dann wird die dort in elektrischen Strom umgewandelt. Und wenn da richtig energiereiche Strahlung auf einen Pixel trifft (wie z.B. durch ein Teilchen der kosmischen Strahlung oder einen sehr hellen Stern), dann kann der Strom von einem Pixel auf den benachbaten Pixel überlaufen. Man bekommt dann also einen hellen Punkt mit Strichen dran – ober eben manchmal auch solche schönen Flügel wie im Bild.
All die vielen Bilder von Nibiru oder die ganzen “Anomalien” der SOHO-Bilder zeigen also nichts ungewöhnliches. Sondern einfach nur bekannte Objekte bzw. diverse analoge oder digitale Bildfehler. Ich weiß schon, ein echter Verschwörungstheoretiker wird das natürlich nicht glauben. “Bildfehler” – pfff… gehts denn noch langweiliger? Das ist genauso fade wie “Wetterballon” als Erklärung für ein UFO am Himmel. Bildfehler sind ja wohl die ödeste Erklärung überhaupt – und da die Welt ja spannend und mysteriös sein muss, kann diese Erklärung nur falsch sein…
Naja – die echten Gläubigen kann man sowieso nie überzeugen. Die werden weiterhin jede Menge spannende Staubflecken oder hot pixel als “Beweis” für ihre Thesen anbringen und sich durch nichts vom Gegenteil überzeugen lassen. Und wenn es nicht Planet X ist, der auf den Bildern zu sehen ist, dann sind es halt gigantische Raumschiffe, die die Menschen vor 2012 retten werden (oder angreifen, je nachdem). Aber auch dass waren nur ganz normale Bildfehler…
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