Die Geschichte hört nicht auf. Eineinhalb Jahre ist es her, seit einen ausführlichen Artikel über die angeblichen Gefahren des Teilchenbeschleunigers LHC geschrieben habe. Der LHC läuft mittlerweile wunderbar und bringt schon jetzt tolle wissenschaftliche Resultate. Aber Otto Rössler kanns nicht lassen und muss weiter Panik machen. Jetzt hat er sogar die Redaktion von Telepolis überredet, seine Weltuntergangspanik zu veröffentlichen.
Darin darf er das gleiche Zeugs verbreiten, dass er auch überall sonst verbreitet und behaupten, dass seine diversen “Theoreme” (“gotisch-R-Theorem” usw) besagen dass der LHC ein große Gefahr darstellt. Und natürlich ruft er alle Wissenschaftler auf, seine Arbeiten zu prüfen:
“Ich rechne damit, dass ich mich furchtbar blamiere, wenn es doch noch einem Wissenschaftler gelingt, einen einzigen der eingangs angeführten 10 Punkte oder eines der 4 Theoreme zu widerlegen. Dies ist mein Risiko und zugleich meine Hoffnung. Ich bitte die Welt um Verzeihung dafür, dass ich darauf bestehe, dass mein möglicherweise defizitärer Wissensstand zurechtgerückt wird, bevor das größte Experiment der Geschichte weitergehen darf. “
Dabei ignoriert Rössler natürlich, dass sein Zeugs schon lange widerlegt ist. Das das Komitee für ElementarTeilchenphysik (KET) (der Zusammenschluß und die offizielle Vertretung aller deutschen Teilchenphysiker) hat schon im Sommer 2008 festgestellt:
“Nach Stellungnahmen von internationalen Experten auf dem Gebiet von Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie, wie Prof. Dr. Hermann Nicolai, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam, beruhen Rösslers Behauptungen auf grundlegenden Missverständnissen seinerseits der Einsteinschen Theorie. Rössler benutzt zwar Formeln der Allgemeinen Relativitätstheorie, aber wendet sie so an, dass sie im Widerspruch zu experimentellen Ergebnissen stehen. Zum Teil sind seine Interpretationen schon 1915 experimentell widerlegt worden.”
Details dazu gibts hier bzw. hier. Aber man kann Rösslers “Theoreme” noch so oft widerlegen – er wird es nicht akzeptieren wollen und sich weiterhin als Weltretter profilieren wollen. Das nun auch ein populäres Magazin wie Telepolis Rössler eine Plattform bietet ist da sehr enttäuschend. Da hilft auch der Pseudo-Disclaimer am Begin des Beitrags nicht viel:
“Da die Redaktion unschlüssig war, ob wir den Text von Prof. Dr. Otto Rössler veröffentlichen sollen, weil wir nicht wirklich beurteilen können, ob die von ihm gemachten Annahmen plausibel sind und ob die Argumente der Befürworter der Experimente über deren Ungefährlichkeit zutreffen, baten wir Harald Zaun, zur Orientierung einen begleitenden Kommentar zu schreiben.”
Ok, Herr Zaun ist Wissenschaftsjournalist. Aber wenn man sich unsicher ist ob die “gemachten Annahmen plausibel sind”, dann hätte man ja theoretisch auch mal einen Teilchenphysiker fragen können anstatt einen Journalisten. Zauns Kommentar geht dann auch wenig auf Rössler ein. Den Anfang macht eine detaillierte Version des Galileo Gambits in dem Zaun erzählt, wie Wissenschaftler in der Vergangenheit schonmal Schwierigkeiten hatten, ihre Theorien durchzusetzen (diesmal ist es Alfred Wegener). Auch der von Zaun angeführte Martin Rees ist nicht unbedingt für die Rolle des “prominenten Fürsprechers” geeignet. Er hat sich zwar zum Risko des LHC geäußert – aber für wirklich gefährlich hält er ihn nicht und verweist auf den aktuellen LHC-Sicherheitsbericht:
“My book has been misquoted in one or two places. I would refer you to the up-to-date safety study.”
Und später finden sich noch weitere seltsame Behauptungen im Text. Zum Beispiel diese hier:
“Selbst wenn die astronomischen Beobachtungen, die empirischen Daten und Extrapolationen allesamt gegen gefährliche Schwarze Löcher en miniature sprechen und auch [extern] noch kein Schwarzes Loch im Labor jemals künstlich erschaffen wurde, ob zufällig oder absichtlich, hat es ungeachtet dessen jede noch so abstruse Idee zunächst einmal verdient, von allen Seiten gründlich durchleuchtet zu werden.”
Ach wirklich? Jede “noch so abstruse Idee” muss von den Wissenschaftlern untersucht werden? Selbst wenn alle Daten, Beobachtungen und Theorien dagegen sprechen? Wie stellt sich Herr Zaun das vor? Jeder Freak kann die Unis anrufen und seine persönliche Lieblingspseudowissenschaft vorstellen. Und die Wissenschaftler müssen dann alles stehen und liegen lassen und den Unsinn “von allen Seiten gründlich durchleuchten”? “Im Inneren des Mondes wohnen Nazis die die Erde mit Gedankenstrahlen beeinflussen”. “Nervengas furzende rosa Drachen werden aus dem Inneren der Erde hervorbrechen und uns alle töten!”. “Die Gravitationskonstante wird sich spontan ändern und alle Materie wird auseinander fallen.”. Usw. Ja, sind alles “abstruse Ideen”. Nichts davon wird durch irgendwelche Belege unterstützt. Aber Herr Zaun meint, sie müssten von “allen Seiten durchleuchtet werden”. Er sollte sich schon mal mit dem Bildungsministerium absprechen und klären, wer denn das Geld für die tausenden Wissenschaftler bereitstellt die wir brauchen werden, um all den Irrsinn zu untersuchen, denn sich diverse Spinner ausdenken. Wissenschaftler sind ja durchaus bereit sich auch die seltsamsten Ideen anzuhören (Gibt es was seltsameres als Quantenmechanik oder die Relativitätstheorie?). Aber das heisst nicht, dass alles was sich irgendwer so ausdenkt weiterverfolgt werden muss (was man tun sollte, wenn man ernst genommen werden will, haben ich ja hier schonmal detailiert beschrieben).
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