Die meisten der über 500 bekannten extrasolaren Planeten sind irgendwie seltsam. Zumindest, wenn man sie mit den Planeten in unserem Sonnensystem vergleicht. Bei uns gibt es zum Beispiel keine “Hot Jupiters” – also gewaltige Gasriesen in unmittelbarer Nähe des Sterns. Unsere Gasriesen sind weit von der Sonne entfernt; Jupiter liegt fünfmal weiter von ihr entfernt als die Erde. Aber da die Beobachtungsmethoden besonders sensitiv sind, wenn die Planeten groß und nahe am Stern sind, ist es nicht verwunderlich dass wir diese Objekte zuerst gefunden haben. Erst in den letzten Jahren, als unsere Methoden besser wurden haben wir immer mehr “normale” Planeten gefunden.

Die “Hot Jupiters” aber sind trotzdem noch ein höchst interessantes Forschungsgebiet. Denn von ihnen können wir viel über Planetenentstehung und -entwicklung lernen. Einige von ihnen sind beispielsweise viel größer als sie es eigentlich sein sollten. Nun hat man vermutlich die Erklärung dafür gefunden.

Konstantin Batygin, David J. Stevenson und Peter H. Bodenheimer stellen in ihrer Arbeit “Hot Jupiter Radius Anomalies Explained” einen neuen Ansatz vor.

Eigentlich könnte man ja denken das Problem wäre trivial: die Gasriesen bestehen – wie der Name schon sagt – aus Gas und weil sie so nah an den Sternen sind, werden sie aufgeheizt und das Gas dehnt sich aus. Aber so einfach ist es nicht denn die Planeten sind immer noch größer als die reine Temperatur vermuten lassen würde. Vielleicht bestehen die Planeten aus mehr leichteren Elementen als man dachte? Oder sie sind jünger als angenommen und deswegen noch größer? Oder vielleicht spielen die Gezeitenkräfte zwischen Stern und Planet eine Rolle und heizen den Planeten stärker auf? All das hat man getestet und keine dieser Erklärungen konnte die Beobachtungsdaten komplett und zufriedenstellend erklären.

Batygin et al. haben sich nun einen neuen Mechanismus überlegt. Da die Planeten so nahe an ihren Sternen sind, erzeugt die große Hitze dort starke Winde. Die hohen Temperaturen können einige der Elemente in der Planetenatmosphäre ionisieren und es gibt dort jede Menge freie Elektronen. Die interagieren mit dem Magnetfeld und es entstehen Ströme, die durch den Planeten fließen können. Und was passiert mit einem Medium durch das ein Strom fließt? Das lässt sich ganz einfach rausfinden: geht zur nächsten Lampe und fasst dort die Glühbirne an…

Der Widerstand des Mediums erzeugt Wärme (“Joule heating”) und der Planet wird stärker aufgeheizt als man es rein von der Einstrahlung des Sterns her annehmen würde. Das ist das gleiche Prinzip wie bei einem Wasserkocher oder einem Tauchsieder. Die Elektroheizung im Planet macht ihn heißer – und damit auch größer als erwartet.

Batygin und seine Kollegen haben das an verschiedenen Planetenmodellen durchgerechnet und nachgesehen, ob diese These mit den Beobachtungen übereinstimmt. Die Ergebnisse sehen dann z.B. so aus:

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Man sieht hier, wie der Radius eines Planeten von der Temperatur abhängt. Die verschiedenen Linien zeigen, was mit Planeten verschiedener Masse passiert und die Punkte sind echte Beobachtungsdaten. Die Linien selbst sind dabei Obergrenzen für die Größe. Wenn das Modell funktioniert, dann müssen beispielsweise alle violetten Punkte (Planeten mit Massen zwischen einer und drei Jupitermassen) unter der violetten Linie liegen. Das ist in diesem Bild der Fall und auch für die anderen Massen stimmt es fast immer (und auch das lässt sich noch anpassen wenn man den Parametern schraubt die die Details der Elektroheizung beschreiben).

Klingt also nach einem guten Modell! Aber komplette und abschließende Erklärungen sind in der Wissenschaft selten. Und auch hier gibt es noch einige offene Fragen. Wenn die Temperaturen zu hoch werden, dann wird die ganze Sache instabil und der Planet löst sich quasi auf (was andererseits aber wieder einige Beobachtungen erklären könnte bei denen es sich vielleicht gerade um solche Überreste eines verdampften Planeten handeln könnte). Und dann ist noch unklar, wie die Kerne der Planeten aussehen und modelliert werden sollen. Je nachdem wie man das anstellt, bekommt man auch andere Lösungen. Wie auch sonst braucht man hier vor allem eines: mehr Daten! Die werden ja in den nächsten Jahren hoffentlich durch die diversen Weltraummissionen (CoRoT, Kepler, GAIA) reinkommen. Und dann wird man auch die Modelle detaillierter bauen können und die Exoplaneten besser verstehen!


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Kommentare (12)

  1. #1 Ludmila
    26. Januar 2011

    Klingt also nach einem guten Modell!

    Mit einem dicken fetten Problem. Du brauchst dafür ein planetares Magnetfeld. Und ob die hot Jupiters ein Magnetfeld haben und wie stark das ist, ist ziemlich umstritten. Das Problem ist ja, dass die hot Jupiters durch tidal locking (eigenrotation= Umlaufperiode ca. ein paar Erdtage) vergleichsweise langsam rotieren. Im Vergleich zu Jupiter mit 10 h Eigenrotations-periode z.B.. Das ist eben schon ein bisserl langsam um so ein Magnetfeld anzutreiben. Außerdem gibt es einige Effekte, die mit der Temperatur und dem Radius ansteigen, insofern sind die Kurven das jetzt “nur” der Beleg, dass deren Idee nicht von den Beobachtungsdaten falsifiziert wird. Das ist schon mal was. Aber ich würde das Modell eher an den Vorhersagen testen, die andere Erklärungen so nicht bringen. Wie eben, wie groß das Magnetfeld sein müsste, um die hot Jupiter aufzublähen.

    Die Idee klingt aber nett und sollte man sicher im Auge behalten.

  2. #2 Florian Freistetter
    26. Januar 2011

    @Ludmila: Hm, – wie stehts denn eigentlich mit der Messung von Magnetfeldern von Exoplaneten? Das ist ein Gebiet das ich so gar nicht verfolgt habe. Hat man da schon brauchbare Daten für Statistiken?

  3. #3 Bullet
    26. Januar 2011

    @Ludmila: gibt es Abschätzungen, wie lange ein frischgebackener (haha) Planet von, sagen wir, 1 Jupitermasse in n Millionen km Entfernung von seinem Stern braucht, bis er den tidal lock erreicht hat?

  4. #4 Name auf Verlangen entfernt
    26. Januar 2011

    Hi, wollte nur mal schnell austesten, ob Du meine Kommentare auf allen Posts sperrst und gleichzeitig behauptest, ich würde mich um Antworten drücken. Das ist, glaube ich, was J.F. meinte.

    Du bist nicht gesperrt. Aber dein Kollege “Skorpion” ist hier ungut aufgefallen und rausgeflogen. Deswegen landen alle Kommentare die das Wort “Skorpion” enthalten erstmal im Spamordner.

  5. #5 Marcus Döpel
    26. Januar 2011

    Brechen die äußeren Gase des Planeten beim Transit mit seiner Sonne das Licht vielleicht derart, dass der Planet größer erscheint?

  6. #6 Ludmila
    26. Januar 2011

    @Bullet: Bei allem was unter 0.05 AU da rum schwirrt, sind die innerhalb von ein paar Millionen Jahren gelockt. Das geht ratz-fatz. CoRoT-9b, der bei 0.1 AU rumschwirrt, ist gerade an der Schwelle, dass er vielleicht noch nicht gelockt sein könnte. Hängt auch davon ab, wie schnell der am Anfang rotiert hat.

    @Florian: Das ist kompliziert und knifflig. Die Leuchtturm-Arbeit für dieses Thema ist Evgenya Shkolnik von 2003. Evidence for Planet-induced Chromospheric Activity on HD 179949

    Das ist aber auch so ein indirekter Nachweis von hinten durch die Brust in’s Auge. Indem Du halt schaust, ob der Stern durch den Planeten magnetisch angeregt wird. (Der Schwanz, der mit dem Hund wedelt *wuff*) Du siehst dabei aber nur, dass da ein Magnetfeld sein muss. Das Problem ist, dass diese Anregung brutal schwer zu messen ist. Wenn sie denn da ist. Muss ja nicht sein, wenn das Magnetfeld des Planeten zu schwach ist.

    Nun könnte man sagen “Ja, supi, dann lass uns doch ne Obergrenze für das Magnetfeld des Planeten daraus ableiten, dass man nix sieht”. Das aber hängt wiederum davon ab, wie gut man das Magnetfeld des Sterns kennt. Und da gibt es ebenfalls massive Unsicherheiten und Probleme das zu messen – jedenfalls bei sonnenähnlichen Sterne, die ja eher gutartig und damit eher schweigsam sind und nicht so viel drüber preisgeben. Ad hoc weiß ich nur von Tau-Bootis, dass da mal das Magnetfeld eines Sterns gemessen wurde, der von nem hot Jupiter begleitet wird. Ich bin da aber ehrlich gesagt auch nicht wirklich auf dem allerneusten Stand. Wenn es da aber massive Fortschritte gegeben hätte, hätt ich von gehört, denke ich. So groß ist die Community ja nicht.

  7. #7 Ludmila
    26. Januar 2011

    @Marcus Döpel. Ein bisschen wird das Licht schon gebrochen, aber dieser Effekt ist vergleichsweise winzig und irre schwer festzustellen. Indem man z.B. sich den Planeten-Transit in verschiedenen Wellenlängen anschaut und guckt, ob es da nen Unterschied gibt. Da muss man schon sehr genau hinsehen, um das überhaupt festzustellen. Das ist es definitiv nicht.

  8. #8 Marcus Döpel
    26. Januar 2011

    @ Ludmilla
    Vielen Dank für die Antwort
    Ich dachte aber eher an einen Fata-Morgana Effekt mit einer Totalreflexion bis zur ,möglicherweise sehr weit außerhalb, beginnenden Thermosphäre.

  9. #9 Bullet
    26. Januar 2011

    @Ludmila: ah, okay. Danke.

  10. #10 Ludmila
    26. Januar 2011

    @Döpel:Jeder optische Effekt – und da ist es erst mal egal, woran Sie im Detail denken -hängt logischerweise von der Wellenlänge ab und den würde man eben nen Unterschied in verschiedenen Wellenlängen im Transit sehen. Und der Effekt ist objektiv gemessen minimal und kann auch rein theoretisch betrachtet niemals so groß sein, dass er die Aufblähung erklären könnte. Die Antwort auf Ihre Frage lautet: Nein

  11. #11 Marcus Döpel
    26. Januar 2011

    Mein physikalisches Detail- und Logikdenken beschränkt sich im wesentlichen auf das, was dessen erworbene Schulbildung ermöglicht. 😉

  12. #12 markarian 205
    29. Januar 2011

    Wo elektrische Ströme fließen, sind auch Magnetfelder. Es braucht u.U. keinen stabilen planetaren Dipol.