Gestern gab es in Japan ein extrem schweres Erdbeben (Gunnar Ries hat Details dazu). Eine Naturkatastrophe dieser Art in dicht besiedeltem Gebiet mit so vielen Todesopfern ist natürlich tragisch. Umso schlimmer ist es aber dann auch, wenn man Menschen noch einmal extra vor solchen Erdbeben Angst macht und unsinnige Behauptungen über deren Ursache aufstellt. Angeblich soll der “Supermond” an dem Erdbeben schuld sein und auch in nächster Zeit noch für Katastrophen sorgen. Über diesen “Supermond” hat kürzlich die BILD-Zeitung berichtet und heute stellt man dort schon die ersten Zusammenhänge mit dem Beben in Japan her (genauso wie bei der englischsprachigen Presse). Also: hat der Mond was mit dem Beben zu tun?
Nein, natürlich nicht. Der “Supermond” ist erstmal nichts besonderes. Dieser Begriff (der absolut kein wissenschaftlicher Fachbegriff ist!) bezeichnet die Tatsache, dass am 19. März einerseits Vollmond ist; andererseits der Mond der Erde auch sehr nahe ist. Mit einem Abstand von etwa 360000 km befindet er sich in seinem erdnächsten Punkt.
Denn die Bahn des Mondes um die Erde ist kein perfekter Kreis sondern eine Ellipse. Der Mond ist daher mal näher an der Erde und mal weiter weg. Der erdfernste Punkt der Mondbahn liegt bei etwa 406000 km; der erdnächste bei etwa 360000 km. Für einen Umlauf um die Erde braucht der Mond knapp einen Monat. D.h. aber natürlich auch, dass sich der Mond jeden Monat der Erde bis auf 360000 km nähert. Nur ist am 19. März eben auch noch zufällig Vollmond. Warum es deswegen jetzt “extreme Wetterereignisse”, Vulkanausbrüche oder Erdbeben geben soll, weiß wohl nur die BILD-Zeitung bzw der Astrologe der sich den Unsinn ausgedacht hat.
Die Mondphase stellt ja keine physische Änderung des Mondes dar. Der bleibt immer gleich groß und gleich schwer. Nur seine Stellung in Bezug auf Sonne und Erde ändert sich eben ständig und deswegen sehen wir immer einen unterschiedlich großen Teil der von der Sonne angeleuchteten Mondoberfläche. Einen gewissen Einfluss hat die Mondphase insofern, als das bei Vollmond (aber auch Neumond!) Sonne, Erde und Mond in einer Linie stehen und sich hier die Gezeitenkräfte von Mond und Sonne (ja, auch die Sonne verursacht auf der Erde Ebbe und Flut) addieren. Das ist aber nicht so wahnsinnig dramatisch. Die zusätzliche Gezeitenkraft der Sonne verursacht nur eine ein paar Zentimeter höhere Flut. Gleichzeitig fällt aber auch die Ebbe niedriger aus und so ergibt sich ingesamt eine stärkere Gezeitenbewegung als sonst. Natürlich hängen Ebbe und Flut auch vom Abstand des Mondes (und der Sonne) von der Erde ab und eine Springflut wird noch ein klein wenig größer ausfallen, wenn der Mond der Erde gerade sehr nahe ist so wie am 19. März (Die Gezeiten habe ich ganz ausführlich hier beschrieben). Aber das Erdbeben in Japan hat auf keinen Fall etwas mit dem “Supermond” zu tun!
Aber wieso? Ich hab doch gerade erzählt, dass Mondphase und Mondentfernung durchaus einen Einfluss auf die Gezeiten haben. Wieso kann der Mond da nicht auch die Erdplatten ein wenig durcheinander bringen und die Erde durchschütteln. Nun, in ganz speziellen Fällen kann er das vielleicht sogar. Denn die Gezeitenkräften heben ja nicht nur das Wasser in den Ozeanen sondern auch das Festland (allerdings nur sehr wenig). Und bei ganz bestimmten Konfigurationen an Plattengrenzen kann dieser Hub eventuell einige schwache Beben auslösen.
Man muss sich aber eines ganz deutlich klar machen: eines der wichtigsten Ziele der Erdbebenforschung ist es, Methoden zur Vorhersage von Erdbeben zu finden. Das ist nicht nur interessante Grundlagenforschung die uns die tektonischen Vorgänge in unserer Erde besser verstehen lassen. Eine verläßliche Vorhersagemethode würde auch unzählige Menschenleben retten und würde enorm viele Sachschäden und finanzielle Verluste verhindern. Es gibt also genug Wissenschaftler die äußerst ernsthaft und intensiv an diesem Thema arbeiten. Und die selbstverständlich schon überlegt haben, welchen Einfluss der Mond hier hat! Die entsprechenden Perioden (Mondphase, Mondumlauf um die Erde) sind ja kurz genug um jede Menge Daten zusammentragen zu können. Und wenn es tatsächlich einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Erdbeben und Mondphase geben würde, dann wüssten wir das schon lange! Gleiches gilt für den Zusammenhang zwischen Wetter und Mondphase. Auch Meteorologen sind keine Idioten und durchaus an Methoden zur Wettervorhersage interessant. Und das Ozeane und die großräumigen Wasserbewegungen das Wetter beeinflussen können, ist bekannt. Wenn der Mond also über die Gezeitenkräfte das Wetter beeinflussen würde, dann wüssten wir das schon lange! (meteorologische Aufzeichnungen macht man außerdem schon viel länger als seismische).
Und dass das Beben in Japan nichts mit dem “Supermond” zu tun hat, ist ganz leicht zu sehen. Erstens findet dieser ominöse Supermond erst am 19. März statt. Gestern, am Tag des Bebens, war weder Vollmond, noch war der Mond in seinem erdnächsten Punkt. Zweitens ist durchaus bekannt, aus welchen Gründen die Erde in Japan immer wieder bebt. Dort treffen mehrere tektonische Platten aufeinander und in solche Regionen sind eben sehr erdbebengefährdet (ich verweise für die Geologie nochmal auf den Artikel von Gunnar Ries). Und Erdbeben sind – leider – nichts außergewöhnliches. Wir leben auf einem geologisch aktivem Planeten und hier wackelt es dauernd. Meistens hat das keine Auswirkungen auf uns weil der Großteil der Erde mit Ozeanen bedeckt oder unbewohnt ist. Aber der Mensch breitet sich immer weiter aus und hat auch keine Hemmungen, riesige Städte wie z.B. Tokyo oder Los Angeles direkt in der Nähe von tektonischen Grenzen zu bauen (oder an den Hängen von Vulkanen wie z.B. Neapel). Es mag ja vielleicht, auch durch die mediale Berichterstattung die heute wesentlich schneller und globaler ist als früher, so aussehen, als gäbe es immer mehr Erdbeben. Dem ist aber nicht so; da reicht ein Blick auf die entsprechende Statistik bzw. die Erläuterung dazu.
Um das noch einmal ganz deutlich zu demonstrieren, habe ich aus der Datenbank der “significante earthquakes” des US-Geological Service alle bisherigen Beben des Jahres 2011 mit einer Stärke größer als 6.5 rausgesucht. Das sind die hier:
- 1. Januar: Argentinien (7.1)
- 2. Januar: Chile (7.1)
- 9. Januar: Vanuatu (6.6)
- 13. Januar: Neu-Kaledonien (7.0)
- 18. Januar: Pakistan (7.2)
- 10. Februar: Meer, Phillipinen (6.5)
- 11. Februar: Meer, Chile (6.6)
- 14. Februar: Meer, Chile (6.6)
- 6. März:: Sandwich-Inseln (6.5)
- 7. März: Solomon-Insel (6.6)
- 9. März: Honshu, Japan (7.2)
- 9. März: Papua Neu-Guiena (6.5)
- 11. März: Honshu, Japan (8.9)
Wie ich schon sagte: von den meisten davon haben wir nichts mitbekommen weil sie in unbewohnten bzw. entlegenen Gebieten stattgefunden haben (Das Beben in Neuseeland am 21. Februar hatte übrigens nur eine Stärke von 6.3 und fehlt deshalb in der Liste).
Ich habe nun für jeden dieser Tage nachgesehen, wie weit der Mond jeweils entfernt war und welche Mondphase gerade herrschte (das kann man z.B. hier gut machen). So sehen die Ergebnisse aus:
Wie man sieht, gibt es keinen Zusammenhang mit irgendwas. Schwere Erdbeben fanden statt als der Mond der Erde nahe war (z.B. am 18. Januar in Pakistan; damals war der Mond nur knapp 370000 km entfernt) oder wenn er weit weg war (z.B. am 9. März in Japan; damals war der Mond knapp 402000 entfernt). Gleiches gilt für die Mondphase; Erdbeben gab es immer – egal wieviel beleuchtete Mondoberfläche man von der Erde aus sehen konnte.
Erdbeben gehören unbestritten zu den schlimmsten Naturkatastrophen die “Mutter Erde” für uns bereit hält und ich bin sehr froh darüber dass ich das Glück habe in einer Gegend der Welt zu leben, wo sie relativ selten vorkommen. Aber solange es unsere Erde gibt, hat es auch Erdbeben gegeben. Leichte und schwere. Und das wird auch weiterhin so sein. Genauso wie es immer schon Vulkanausbrüche, Überschwemmungen etc gegeben hat und sie auch weiterhin geben wird. Die Erde wurde nicht als Paradies für uns Menschen geschaffen – sie ist ein aktiver Planet und es kümmert sie herzlich wenig, ob diese geologische Aktivität für uns Menschen unangenehm ist.
Diese Katastrophen machen unser Leben schwer genug. Die wissenschaftliche Erforschung der Erdbeben ist harte Arbeit und irgendwann werden vielleicht genug wissen, um Erdbeben tatsächlich lange genug vorhersagen zu können, um solche Opferzahlen wie gestern in Japan zu vermeiden. Bis dahin ist es aber völlig unangebracht, den Menschen mit unwissenschaftlichen und falschen Behauptungen wie der über den “Supermond” zusätzlich Angst zu machen. Erdbeben sind schlimm genug. Helft lieber den Angehörigen und Opfern als pseudowissenschaftlichen Müll zu verbreiten!
P.S. Nur falls jemand fragt: Nein, auch zwischen Sonnenaktivität und Erdbeben gibt es keinen Zusammenhang! Die Änderungen des Erdmagnetfeldes die ein Sonnensturm verursacht sind wesentlich geringer als die natürlichen Änderungen des Magnetfeldes bzw. die Änderungen die man z.B. mit einem Kühlschrankmagnet erreichen kann. Abgesehen davon gibt es auch keinen physikalisch/geologischen Prozess wie ein Magnetfeld Erdbeben auslösen kann. Und auch HAARP hat immer noch nichts mit Erdbeben zu tun! Übrigens: die Erdbeben werden auch nicht häufiger
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