Ein Kinderbuch über allgemeine Relativitätstheorie und schwarze Löcher? Geht sowas denn überhaupt? Brian Greene hat es probiert. Die populärwissenschaftlichen Sachbücher die er bisher geschrieben hat, sind ja alle äußerst hervorragend. “Das elegante Universum” erklärt die Stringtheorie und warum “Der Stoff aus dem der Kosmos ist” ein fantastisches Buch ist, habe ich hier ausführlich erklärt (sein neuestes Buch “The Hidden Reality” kenne ich noch nicht). Seit Ende letzten Jahres ist nun auch das Kinderbuch das Brian Greene geschrieben hat, in Deutsch erhältlich: “Ikarus am Abgrund der Zeit“.
Die Geschichte orientiert sich am klassischen Ikarus-Mythos. Der handelt ja von Daidalos und seinem Sohn Ikarus die sich Flügel bauen um aus dem Labyrinth des Minos zu entkommen. Dabei fliegt Ikarus aber zu nahe an die Sonne und das Wachs das seine Flügel zusammenhält schmilzt. Ikarus stürzt ab und stirbt.
Brian Greene erzählt ebenfalls von einem Jugendlichen namens Ikarus. Der aber lebt nicht im antiken Griechenland sondern an Bord des Schiffes “Proxima”. Das ist ein Generationenschiff das unterwegs zum Stern Proxima Centauri ist. Denn von dort hat man Nachrichten empfangen die bestätigen das dort intelligentes Leben existiert und nun will man Kontakt aufnehmen. Die Proxima ist schon lange unterwegs: Ikarus wurde an Bord des Schiffes geboren und wird dort auch sterben. Es wird noch 5 weitere Generationen dauern bis sie bei Proxima Centauri ankommen. Ikarus ist unzufrieden denn obwohl er erst 14 Jahre alt ist, ist er klug; hat die Schule abgeschlossen und gehört zu den besten Piloten die die vielen kleinen Tochterschiffe steuern. Ikarus interessiert sich nicht sonderlich für den großen Auftrag der Proxima, er will das Universum jetzt kennenlernen und erforschen. Als das Raumschiff in die Nähe eines schwarzen Loches kommt, möchte Ikarus es ausführlich erforschen – aber der Kapitän erlaubt es nicht; es wäre ein unnötiges Risiko. Ikarus widersetzt sich und schleicht sich heimlich von Bord. Er umkreist das schwarze Loch in seinem kleinen Raumschiff und kommt näher heran als jemals jemand zuvor. Aber dabei er hat er eine wichtige Eigenschaft vergessen. Sein Vater kann nur noch traurig von Bord aus zusehen als Ikarus zum schwarzen Loch fliegt:
“Zutiefst traurig sieht Ikarus’ Vater durch das leistungsfähige Schiffsteleskop zu, wie das Beiboot sich dem schwarzen Loch nähert. Dabei erkennt er, was Einstein schon vor langer Zeit vorhergesagt hat. Für seinen Sohn verlangsamt sich die Zeit. Er beobachtet, wie Ikarus mit dem Selbstvertrauen eines altgedienten Piloten die Steuerung bedient, aber ganz gleich ob er den Kopf dreht oder mit den Augen blinzelt: seine Bewegungen werden immer langsamer.”
Ikarus selbst merkt nichts davon. Er umkreist das schwarze Loch und als er kurz danach zum Schiff zurückkehren will, ist es verschwunden. Dafür findet er andere Raumschiffe – und stellt fest, dass während seines kurzen Auflugs für den Rest der Welt tausende Jahre vergangen sind. Die Proxima hat ihr Ziel schon lange erreicht und die Menschen haben sich in der Galaxie ausgebreitet. Und seine Geschichte; die Geschichte des Jungen der nicht auf seinen Vater hören wollte und zu nahe an ein schwarzes Loch geflogen ist, ist zu einer neuen Ikarus-Legende geworden.
Das Buch hat einen etwas traurigen Unterton und ist daher vielleicht für ganz junge Kinder nicht so wirklich passend. Die Geschichte selbst ist aber schön erzählt und die Aufmachung des Buchs ist wunderbar. Die großformatigen Seiten sind alle mit tollen Bildern des Alls illustriert; aufgenommen vom Hubble-Weltraumteleskop. Die Bilder werden in einem Anhang dann noch alle kurz vorgestellt und auch die Wissenschaft hinter der Geschichte wird von Greene auf einer Seite noch einmal extra zusammengefasst. Wie ich schon sagte: als Vorlesebuch für die ganz kleinen Kinder eignet sich “Ikarus am Abgrund der Zeit” vielleicht nicht wirklich; die Handlung über den Vater, der seinen Sohn verliert könnte da etwas zu deprimierend sein. Aber für ältere Kinder ist es ein schönes Buch mit schönen Bilder das sich gut eignet um gemeinsam über das All und die Relativitätstheorie zu diskutieren.
Ich fand das Buch sehr schön. Es ist eine originelle Adaption der klassischen Ikarus-Legende und Greene hat sie sehr gut in eine moderne Science-Fiction-Geschichte mit wissenschaftlichen Hintergrund eingebaut. Es existiert zu diesem Buch übrigens auch ein Film und ein dazu gehörendes klassisches Musikstück (komponiert von Phillip Glass). Hier ist ein kleiner Trailer:
Und hier gibts noch ein Video bei dem Greene selbst über sein Buch spricht:
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