Ich lese ja nicht nur sehr gerne Bücher über Wissenschaft sondern freue mich auch immer besonders, wenn man in solchen Büchern etwas mehr über die beteiligten Wissenschaftler erfährt. Denn die hatten oft ein sehr interessants und manchmal äußerst skurriles Leben. Ich weiß nicht, ob das eine Spezialität der Naturwissenschaftler ist oder ob man immer auf Absurditäten stösst, wenn man sich nur lang genug mit den Menschen beschäftigt. Tatsache aber ist, dass es unter den Astronomen jede Menge skurrile Typen mit absonderlichen Biographien und Anekdoten gibt. Einige davon hat Kevin Krisciunas von der Texas A&M University in einem kurzen Artikel zusammengetragen.
Da ist zum Beispiel der berühmte dänische Astronom Tycho Brahe. Er gehörte in der Ära vor der Erfindung des Teleskops zu den besten und genauesten Beobachtern und seine Daten ermöglichten es Johannes Kepler, die Astronomie zu revolutionieren. Sein Observatorium befand sich auf einer dänischen Insel und dort ging es wild zu. Tycho hatte einen Elch und wollte ihm dem Landgrafen von Hessen-Kassel, seinem Mentor, zum Geschenk mache (und ich würde enorm gern wissen, warum!). Dieser Elch allerdings wanderte eine Treppe hinauf, fand dort offensichtlich ein Fass Bier, betrank sich, fiel die Treppe hinunter und starb. Getränke wurden Tycho ebenfalls zum Verhängnis; er starb an einem Blasenriß…
Wenn Astronomen heute nach Chile zum Beobachten fliegen wird schon gemeckert, wenn es im Flugzeug mieses Essen gibt. Die sollten sich mal ein Beispiel am französischen Astronomen Guillaume Le Gentil nehmen! Der wollte den Venus-Transit von 1761 beobachten. Die Reise war allerdings kompliziert und genau während des Transits steckte er auf einem Schiff im Pazifik fest und konnte nicht beobachten. Der nächste Transit war schon acht Jahre später, 1769, also lohnte es sich nicht wirklich, nach Hause zu fahren. Über Madagaskar, Mauritius und die Phillipinen gelangte Gentil nach Indien und gründete dort gleich mal ein Observatorium. Dann wartete er auf den Tag des Transits – um dann festzustellen, dass der Himmel komplett voller Wolken war und wieder keine Beobachtung möglich. Gentil war danach neun Monate krank und wollte wieder zurück nach Frankreich. Sein spanisches Schiff geriet allerdings in einen Sturm und erreichte nur mit Mühe und Not die spanische Küste. Zu Fuß überquerte Gentil die Pyrenäen und kam nach über 11 Jahren wieder zu Hause an. Dort stellte er fest, dass er mittlerweile für tot erklärt worden und sein ganzer Besitz an Erben und Schuldner Gläubiger verteilt war.
Aber nicht nur die Astronomen waren damals noch aus anderem Holz geschnitzt; auch ihre Fans (ja, sowas gabs damals noch 😉 ). Camille Flammarion präsentierte im 19. Jahrhundert die Astronomie der Öffentlichkeit anscheinend so fesselnd, dass sich ein weiblicher Fan ein ganz besondere Überraschung ausdachte. Nach ihrem frühen Tod erfuhr er, dass sie ihm ein Stück Haut hinterlassen hatte (mit einem tätowierten Porträt von Flammarion) und den Wunsch, dass das nächste Buch das er veröffentlicht darin eingebunden werden möge. Was Flammarion dann auch tat.
Krisciunas hat noch viele andere interessante Fälle zusammengetragen. Manche davon kannte ich schon, zum Beispiel die Geschichten um Fritz Zwicky und die “sphärischen Bastarde” (Bastarde, egal von welcher Seite man sie betrachtet) oder die des amerikanischen Astronomen See und seinem pseudowissenschaftlichen Egotrip. Manche waren mir neu – ich wusste zum Beispiel nicht dass der Gründer des Yerkes-Observatoriums, George Ellery Hale, regelmäßig von Elfen besucht wurde, die ihm Tips gaben, wie die Sternwarte am besten geführt werden sollte.
Schade nur, dass Krisciunas die Geschichten nur sehr, sehr kurz abhandelt. Jede davon hätte es verdient im richtigen Kontext und ausführlich erzählt zu werden.
Kommentare (38)