Wie Unwissenheit, Ignoranz und Angst Weltbilder zementieren bzw. zum Geldverdienen ausgenutzt werden können: darüber habe ich hier im Blog schön öfter geschrieben. Wie das funktioniert sieht man wunderbar beim “UFO-Phänomen”.
Im Prinzip ist ein UFO erstmal nichts anderes als ein unidentifiziertes fliegendes Objekt. Jemand sieht also irgendwas am Himmel oder auf einem Foto oder Video und weiß nicht, was das sein soll. Das bedeutet aber nicht dass niemand weiß worum es sich hier handelt. Man sollte dieses Phänomen lieber VOMUFO nennen: “von mir unidentifiziertes fliegendes Objekt”. Wir Menschen sind nun leider äußerst subjektive Lebewesen. Unsere eigene Vorstellung von der Welt, unsere eigene Fähigkeit Dinge zu erkennen und zu erklären stellen wir über alles – und halten uns dabei noch für sehr objektiv. “Klar, da draussen gibts jede Menge dumme und leichtgläubige Menschen. Aber ich bin nicht so leicht reinzulegen. Ich bin kritisch!”, denken wir uns gerne und ignorieren dabei die eigentlich längst bekannte Tatsache, dass wir uns auf unsere Sinneseindrücke nicht immer zwingend verlassen können. Das gilt für alle Menschen und deswegen benutzt die Wissenschaft ja auch eine ganz spezielle Methode des Erkenntnisgewinns die sicher stellen soll, dass die Subjektivität des Einzelnen und unsere mangelhaften Sinnen möglichst keinen Einfluss auf die Ergebnisse haben. Aber trotzdem ist Versuchung groß, die eigene Vorstellungskraft zum Maßstab der Realität zu machen: Wenn ich etwas nicht erklären kann; wenn ich mir etwas nicht vorstellen kann, dann kann es niemand – es muss sich um ein “unerklärliches Phänomen” halten.
Gerade wenn es um UFOs geht, ist diese Geisteshaltung stark verbreitet. Denn natürlich gibt es jede Menge komische Lichter am Himmel: Sterne, Planeten, Satelliten, Flugzeuge, Wetterballone, Lampions, leuchtende Nachtwolken, Meteore, etc. Aber wer beobachtet heutzutage noch wirklich intensiv den Himmel und weiß wirklich, was man da alles sehen kann? Kaum jemand – die meisten leben ja auch in Ballungsgebieten wo man dank der Lichtverschmutzung sowieso nichts sehen kann. Aber wenn man dann doch mal was sieht: dann kann das sehr beeindruckend sein. Wer unvorbereitet auf einen hell leuchtenden Planeten wie Jupiter oder Venus trifft, der ist vielleicht sogar so sehr beeindruckt, dass er den Himmelskörper für ein UFO hält. Oder die Raumstation ISS, die immer heller wird, je weiter sie ausgebaut wird und mittlerweile als beeindruckend leuchtendes Objekt ihre Runden am Nachthimmel zieht. Man kann nun Leute fragen, deren Job bzw. Hobby es ist, sich mit leuchtenden Dingen am Himmel auszukennen: Astronomen. Die sehen erstaunlich wenig UFOs obwohl sie ja deutlich mehr Zeit mit der Beobachtung des Himmels verbringen als der Durchschnittsmensch. Aber sie wissen auch deutlich besser über das Inventar des Kosmos Bescheid wissen als der Durchschnittsmensch! Trotzdem überzeugen die Erklärungen von Experten – und so gut wie alle UFO-Sichtungen lassen sich leicht erklären! – kaum. Denn einerseits ist man ja meistens überzeugt, dass man selbst nicht so dumm ist und sich von einem schnöden Planeten oder gar einem langweiligen Wetterballon reinlegen hat lassen. Andererseits wünscht man sich auch oft, dass es eben kein “langweiliges” Ding ist wie ein Planet, Satellit oder Ballon. Man will etwas spannendes gesehen haben: außerirdische Raumschiffe! Man will von etwas Kenntnis haben, dass von der Mehrheit und vor allen von den blöden und arroganten Experten abgelehnt wird so dass man sich einer kleinen, wissenden “Elite” zugehörig fühlen kann. Und wenn es mal so weit ist, dann verliert man schnell den Sinn für Objektivität und sieht tatsächlich nur noch das was man sehen will.
Warum ich gerade jetzt auf das UFO-Thema komme? Weil es tatsächlich noch etwas gibt, wo man diese Mischung aus völliger Ignoranz und Wunschdenken noch besser sehen kann. Ich war gerade in der Stadt und im Bücherladen. Ja, genau in diesem satanischen Sündenpfuhl und Hort heidnischer Rituale in dem man einfach die Existenz eines religiösen Festes leugnet und stattdessen lieber den Leporidae huldigt! In der dortigen Abteilung für Esoterik hab ich dann ein Buch gefunden, dass ich nichtmal meinem ärgsten Feind zum “Hasenfest” schenken will. Es heisst “Orbs: Boten der Liebe, Heilung und Weisheit”. Darin geht es um das hier:
Nein, nicht um den kleinen Wasserfall im Kremstal. Sondern um das hier:
“Ja, eine schöne Reflexion. Sieht man öfter auf Fotografien”, werden sich die meisten denken. Stimmt aber nicht. Das sind “Orbs” und Orbs sind die Manifestation von Engeln und aufgestiegenen Meistern! Und in der Ankündigung zum Buch liest man auch gleich:
“»Orbs« können offenbar längst nicht immer rational erklärt werden, so viel ist klar!”
Klar ist höchstens, dass die Autorin (Diana Cooper) nicht rational erklären kann (oder will), wo die Orbs herkommen. Aber wenn sich mit diesen Dinger auch so schön Geld verdienen lässt… Jeder kann sofort mitmachen, man braucht nur eine Digitalkamera (je billiger, umso besser). “Orbs” lassen sich schnell produzieren – wie mein Schnappschuss aus dem Urlaub weiter oben zeigt. Aber natürlich muss man nun noch wissen, um welchen Engel oder aufgestiegenen Meister es sich hier handelt. Und dazu braucht man die Orb-Bücher. Ja, es gibt mehr als eines! Das ist vielleicht das deprimierendste an der ganzen Geschichte. Das jemand auf die absurde Idee kommt, aus qualitativ minderwertigen Fotografien ein esoterisches Lebenshilfekonzept zu machen ist jetzt nicht soo enorm überraschend. Dass es Leute gibt, die so einen Quatsch glauben auch nicht. Aber das man damit mehr als ein Buch verkaufen kann und das dieses Feld von mehr als einem Autor beackert werden kann: das lässt mich wieder einmal den Glauben in die Menschheit verlieren.
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