Die Europäische Union! Gibt es irgendeine Organisation auf dieser Welt, die noch böser sein könnte? Nein, sicher nicht – höchstens vielleicht noch die “Pharmamafia”. Und wenn sich nun beide zusammentun, dann steht die Welt nicht mehr lange!
Ich hätte ja eigentlich gedacht, dass die Story mit dem fiesen “Heilpflanzenverbot” der EU schon längst durch ist. Letztes Jahr im November habe ich über die e-Petition berichtet bei der immerhin 121819 Menschen auf die hysterischen Behauptungen hereingefallen sind. Die EU wolle alle Kräuter und Heilfpflanzen verbieten! Ja, auch die, die unseren eigenen Gärten wachsen! Nur das, was die Pharmaindustrie patentieren kann darf in Zukunft noch verkauft werden. Wir alle werden gezwungen, “chemische Bomben” zu schlucken und die “sanfte Naturmedizin” wird gnadenlos ausgemerzt und verboten werden.
Nun ja. Das es sich hier um Unsinn handelt, war damals schon klar. Das Gesetz um das es geht ist schon seit 2004 in Kraft. Es ging nur noch um eine Übergangsfrist für bestimmte Produkte die heute (30. April 2011) abläuft. Und natürlich werden auch nicht alle Heilpflanzen etc verboten. Wenn man den Leuten die diese Petition unterzeichnet haben so zugehört hat, dann sah das ja so aus, als würde man in Zukunft keine Kräutertees im Supermarkt mehr kaufen können und keine Tomaten oder andere Heilpflanzen mehr im eigenen Garten anbauen dürfen. In diesem Gesetz geht es um das Registrierungsverfahren von Arzneimitteln. Es geht darum, EU-weite Richtlinen für die Zulassung von Arzneien auf pflanzlicher Basis durchzusetzen.
Man stelle sich einmal vor, die EU würde ein Gesetz planen, bei dem den Herstellern von Medikamenten (aka “Die Pharmamafia”!) in Zukunft erlaubt würde, alle ihre Produkte nach Belieben auf den Markt zu schmeissen. Die Freunde der “Alternativmedizin” würden Amok laufen! Es gäbe Proteste, Petitionen, Demonstrationen und ganz allgemein jede Menge Aufregung und Ärger. Es würde gefordert werden, dass die Hersteller von Medikamenten sich gefälligst strengen Richtlinien zu unterwerfen haben! Und das diese Richtlinien doch bitte auch überall in der EU zu gelten haben – nicht das sich die bösen Pharmafirmen dann irgendwo Schlupflöcher suchen um ihre Chemiebomben ungeprüft auf den Markt bringen zu können!
Diese Forderung haben auch durchaus ihre Berechtigung! Medikamente gehören vernünftig geprüft und sollen sich einem gründlichen Zulassungsverfahren unterziehen. Und dieses Verfahren sollte nach Möglichkeit überall in der EU gleich aussehen. Aber warum soll es für Medikamente auf pflanzlicher Basis Ausnahmen geben? Der Mythos von “böser Chemie” gegen “sanfte Natur” ist genau das: ein Mythos! Ich hab das schon damals erwähnt. Diese Trennung existiert nur in den Köpfen von Leuten die nicht viel Ahnung von Chemie, Pharmazie und Biologie haben. “Pflanzliche” Mittel können genauso Nebenwirkungen haben wie “chemische”. Die Natur liefert uns einige der stärksten Gifte überhaupt. Und die “böse” Pharmazie verwendet oft genug pflanzliche Stoffe um ihre Medikamente zu bauen. Das Geschäft mit pflanzlichen Medikamenten ist ja mittlerweile genauso ein internationales Milliarden-Unternehmen wie der Rest der Pharmaziebranche und die Grenzen und Beteiligungen sind fliessend.
Bei der EU-Richtlinie geht es nicht um den Kräutertee im Bio-Laden oder am Wochenmarkt. Es geht nicht um irgendwelche Mittel die ein Apotheker für seine Kunden zusammenmischt. Es geht um Fertigarzneimittel auf pflanzlicher Basis. Wer Kamillentee verkaufen will, kann das weiter tun. Wer Salbei im Garten pflanzt kann das weiter tun. Nur wer plötzlich Lust bekommt, eine Arzneimittelfirma zu eröffnen und Salbeidrops verkauft die gegen Migräne und Depressionen helfen soll: der muss sich den Richtlinien der Arzneimittelzulassung unterwerfen. Und das ist gut so! Ich fände es äußerst bedenklich, wenn irgendwer einfach so Medikamente verkaufen kann – egal ob es welche mit “Chemie” oder welche mit “Pflanzen” sind.
Wie gesagt: ich dachte eigentlich, dass die Sache mit der Petition von November erledigt sei. Der Bundestag kann hier sowieso nicht viel machen; das Gesetz ist ja schon seit 2004 in Kraft. Aber anscheinend dachten sich manche, dass man doch noch mal ein bisschen Angst, Panik und Hysterie verbreiten könnte. Jedenfalls gehen seit einigen Tagen wieder Emails, Facebook- und Twitter-Nachrichten herum, die vor den bösen Machenschaften der EU und der Pharmamafia warnen.
“In 2 Tagen will die EU viele pflanzliche Arzneimittel verbieten, und mehr von uns dazu zwingen, pharmazeutische Arzneimitteln einzunehmen und die Profite der großen Pharma-Konzerne noch weiter zu mehren. “
Kann man da zum Beispiel lesen. Ja – wir werden gezwungen uns Chemiebomben einzuschmeissen! Wenn der Arzt uns fiese Antibiotika verschreibt und wir sie dann nicht nehmen, kommt wahrscheinlich die EU-Pharma-Polizei und erschießt uns. Oder sperrt uns mindenstens lebenslänglich in den Knast. Aber wer wundert sich, denn immerhin:
“Es ist eine drakonische Maßnahme, die die Pharma-Konzerne weiter stärkt und Tausende Jahre medizinischen Wissens einfach ausklammert. ”
Ja – und dieser Unsinn steht nicht irgendwo in einem obskuren Internetforum sondern auf einer Seite bei der aktuell über 400000 Menschen eine entsprechende Petition unterschrieben haben. Es ist schon erschreckend, wie leicht und schnell man Menschen manipulieren kann. Man braucht nur ein paar Standard-Bösewichte erwähnen – “Die EU!” und “Die Pharma-Konzerne!” – und schon kann man wunderbare die Vorurteile anzapfen und auf die Angst der Leute vertrauen die sie jeden Sinn für Realität vergessen lässt. Dabei muss man nichtmal ein Experte für Pharmazie oder EU-Recht sein um festzustellen, dass es sich hier um Unsinn handelt. Eine halbe Stunde vernünftige Recherche bei seriösen Quellen reicht um zu wissen, was hier gespielt wird. Aber das man mit der Angst der Menschen so gut wie alles verkaufen kann, ist ja leider nichts Neues. Trotzdem ist es immer wieder traurig, sowas mitanzusehen…
Nachtrag: Ich hab gerade erst gesehen, dass Martin Ballaschk auch wieder einen sehr guten Artikel zum Thema geschrieben hat. Lest ihn!
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