Der Himmel ist voller Sterne. Ok, mit freiem Auge sehen wir selbst unter besten Bedingungen nur knapp 6000 davon aber wir wissen, dass es allein in unserer Galaxie, der Milchstraße ein paar hundert Milliarden Sterne gibt (und ein paar hundert Milliarden Galaxien im Universum). Natürlich sind Sterne nicht alles. Es gibt auch Planeten – wir leben auf einem davon. Und wir wissen seit 1995, dass es auch Planeten gibt, die um andere Sterne kreisen. Davon kennen wir schon mehr als 500 und es ist klar, dass Planeten nichts Außergewöhnliches sind, sondern im Universum häufig vorkommen. Astronomen haben nun aber herausgefunden, dass es vermutlich in unserer Milchstraße mehr Planeten gibt als Sterne. Und damit sind keine Planeten wie unsere Erde gemeint; Planeten die einen Stern umkreisen. Sondern sogenannte “free-floating planets”, also Planeten die ohne an einen Stern gebunden zu sein alleine durch den interstellaren Raum ziehen.
Planeten ohne Stern? Die sich durch den interstellaren Raum bewegen? Und es gibt mehr davon als Sterne? Da stellen sich gleich mal einige Fragen. Wie kann man solche Planeten beobachten? Und wo kommen die alle überhaupt her?
Glücklicherweise lassen sich beide Fragen beantworten! Fangen wir mit der ersten an. Planeten entdecken ist nicht einfach. Direkt sehen kann man sie nur in den seltensten Fällen. Normalerweise werden sie von ihren viel helleren Sternen überstrahlt. Das fällt bei den free-floating-planets weg. Aber dafür sind sie einfach komplett dunkel. Sie erzeugen ja selbst kein Licht und leuchten daher gar nicht. Auch die indirekten Methoden der Planetenentdeckung funktionieren hier nicht. Die meisten Exoplaneten werden ja entdeckt, weil man beispielsweise nach dem Wackeln des Sterns sucht, das von der Anwesenheit des Planeten verursacht wird. Oder nach den periodischen Schwankungen der Helligkeit des Sterns die entsteht, weil der Planet immer wieder vor der Sternenscheibe vorbei zieht und sein Licht kurzfristig ein klein wenig abschwächt. Da bei den interstellaren Planeten nun aber gar kein Stern da ist, klappen diese Methoden auch nicht. Glücklicherweise gibt es da noch das sogenannte “microlensing”.
Hier nutzt man die Erkenntnis aus, die Albert Einstein in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie gewonnen hat: Masse krümmt den Raum. Und da sich Licht immer den kürzesten Weg durch den Raum sucht, können große Massen daher so ähnlich wirken wie optische Linsen. Der gekrümmte Raum verändert den Weg des Lichts. Wenn wir einen weit entfernten Stern betrachten, dann strahlt dessen Licht in alle Richtungen und uns auf der Erde erreicht nur ein bestimmter Teil. Wenn sich nun eine “Linse”, d.h. eine größere Masse, zwischen dem Stern und uns befindet, dann kann die dafür sorgen, dass Lichtstrahlen die normalerweise nicht die Erde erreichen so umgelenkt werden, dass wir sie doch sehen. Im Teleskop macht sich das dann als Anstieg der Helligkeit des Sterns bemerkbar. Wenn man also auf Planetensuche geht, dann probiert man, möglichst viele Sterne zu beobachten und ihre Helligkeit zu messen. Wenn dann zufällig ein free-floating-planet vor einem Stern vorüber zieht, dann wird dessen Helligkeit auf eine charakteristische Art und Weise ansteigen und wieder abfallen.
Genau diese Beobachtungen haben die Wissenschaftler der MOA-Kollaboration durchgeführt. MOA steht für “Microlensing Observations in Astrophysics” und passend zum Akronym steht das zugehörige Teleskop in Neuseeland. Dort hat man 2 Jahre lang jede Menge Sterne in der Nähe des galaktischen Zentrum beobachtet (dort gibts am meisten davon). Dabei wurden jede Menge microlensing-Ereignisse gefunden und bei 10 davon war man sich sicher, dass sie von Planeten stammen (das kann man aus der Dauer und der Intensität des Helligkeitsanstiegs bestimmen). Ein microlensing-Ereignis ist immer einmalig und es lässt sich keine zweite Beobachtung machen um die erste zu bestätigen. Das ist oft ein Problem, in diesem Fall aber haben die MOA-Leute sich mit denen von OGLE zusammen getan. OGLE steht für “Optical Gravitational Lensing Experimen” und ist eine weitere große Beobachtungskampagne bei der nach Planeten gesucht wird. Man hat die Daten verglichen und 7 der MOA-Ereignisse wurden auch von OGLE gemessen!
Die gefundenen Planeten sind schwer; etwa doppelt so schwer wie Jupiter. Kleinere Planeten erzeugen kleinere Helligkeitsschwankungen und sind mit den heutigen Methoden schwer zu finden. Außerdem sind die MOA-Planeten weit weg; etwa 10000 bis 20000 Lichtjahre! (Übrigens: auch wenn manche Medienberichte den Eindruck erwecken, als hätten die Astronomen hier erstmals etwas ganz neues entdeckt – free-floating planets kannte man auch schon früher). Aber interessant wird es dann, wenn man die Ergebnisse benutzt um eine Hochrechnung anzustellen. Man weiß ja, wie groß der Bereich ist, den man untersucht hat und wieviel noch übrig ist. Man weiß, wie sensitiv die Instrumente sind, was man damit sehen kann und was nicht. Man kann also nun anhand dessen, was man tatsächlich entdeckt hat ausrechnen, was man vermutlich noch alles entdecken wird, wenn man bessere Instrumente benutzt und den Rest der Galaxie absuchen würde. Und hier kommen die Wissenschaftler auf beeindruckende Zahlen! Etwa 400 Milliarden solcher ungebundenen Planeten könnten durch die Milchstraße ziehen! Das sind in etwa doppelt so viele, wie es Sterne gibt.
Und damit kommen wir zur zweiten Frage: wo kommen die ganzen Planeten her? Hier gibt es mehrere Möglichkeiten. Einerseits könnten die Planeten so entstehen wie die Sterne. Sie könnten durch einen gravitativen Kollaps einer interstellaren Gaswolke entstehen. Wenn diese Wolke klein ist, dann reicht es vielleicht nicht für einen großen Stern sondern es kommt nur ein jupitergroßer Planeten raus. Wenn das so wäre, dann müsste es aber wesentlich weniger free-floating-planets geben! Bei einer Suche wie der von MOA hätte man eine oder zwei Entdeckungen erwartet aber keine zehn! Die nun gewonnen Daten deuten darauf hin, dass die interstellaren Planeten genauso entstehen wie die “normalen” Planeten: in einer Staub- und Gasscheibe um einen Stern. Am Anfang ihres Lebens hatten also auch diese Planeten einen Stern, an den sie gebunden waren und sind erst danach aus dem System rausgeflogen. So etwas kann durchaus passieren. Diverse Modelle der Planetenentstehung zeigen, dass in der Anfangsphase der Planetenentstehung viele Planeten entstehen. Mehr, als die Dynamik eines Systems verträgt. Das bedeutet, Planeten kollidieren miteinander (auch unsere Erde ist ja in der Frühzeit des Sonnensystems mit einem anderen Protoplaneten kollidiert und der Mond ist der sichtbare Überrest dieser Kollision) – oder die gravitativen Interaktionen führen dazu, dass ein paar Planeten aus dem System ausgeworfen werden. Auch die vielen “Hot Jupiters” sind ein Hinweis auf solche Auswurfprozesse. Ein “Hot Jupiter” ist ein sehr großer Planet der sich sehr nah an seinem Stern befindet. So nah, dass die meisten Astronomen davon ausgehen, dass er dort nicht entstanden sein kann. Vielmehr soll er sich im Zuge einer planetaren Migration von seinem weiter entfernten Entstehungsort nahe an den Stern bewegt haben. Andere Planeten die ihm dabei im Weg standen, sind dadurch wahrscheinlich aus dem System geflogen.
Die Suche nach den ungebundenen Planeten und ihre Erforschung steht gerade erst am Anfang. Hier sind noch jede Menge Beobachtungen zu machen und gesicherte Erkenntnisse gibt es kaum. Bei den jetzt entdeckten Planeten könnten auch welche dabei sein, die nicht ungebunden sind, sondern einfach nur sehr, sehr weit von ihrem Stern entfernt. Vielleicht entstehen diese Planeten doch auf andere Art und Weise und stellen eine neue Gruppe an Himmelskörpern da? Vielleicht sind sie doch nicht so zahlreich wie die Hochrechnungen schließen lassen? Eines ist aber sicher: es wird enorm spannend werden! Wenn es tatsächlich so viele Planeten in der Milchstrasse gibt; mehr Planeten als Sterne – dann erscheinen auch Spekulationen über Leben auf solchen Planeten in ganz neuem Licht. Ich bin sehr gespannt, was man hier in den nächsten Jahren noch herausfinden wird. Jetzt kennen wir 10 dieser Planeten. Nächstes Jahr sind es vielleicht schon hundert oder noch mehr und wir können Anfang, eine vernünftige Statistik zu machen. Neue Infraroteleskope können vielleicht die schwache Strahlung naher free-floating planets ausmachen und eine direkte Erforschung ihrer Eigenschaften ermöglichen. Was auch immer wir erfahren werden: ich bin mir sicher, dass es äußerst cool sein wird!
P.S. Nein, die ganze Geschichte hat absolut nichts mit Planet X/Nibiru zu tun. Erstmal behaupten ja die Weltuntergangspropheten dass dieser Planet regelmäßig der Erde nahe kommt (sonst hätten die “alten Zivilisationen” ja auch nichts von ihm wissen können) – es kann also kein free-floating planet sein (wenn es ihn denn gäbe). Und zweitens könnte sich auch so ein Planet nicht vor uns verstecken sondern würde sich durch seine Gravitationskraft lange vorher bemerkbar machen (siehe hier).
P.P.S. Ich konnte leider nicht direkt auf den Nature-Artikel zugreifen sondern nur auf die sekundären Quellen bei Nature, NASA und Bad Astronomy. Ich hoffe, dadurch haben sich keine Fehler ergeben.
P.P.P.S. Gibts eigentlich mittlerweile einen halbwegs offiziellen deutschen Begriff für “free-floating planets”?
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