Kosmische Kollisionen sind cool! Zumindest dann, wenn wir selbst nicht betroffen sind 😉 Das ist bei dem kürzlich untersuchten Zusammenstoß in mehr als 4 3.5 Milliarden Lichtjahren Entfernung definitiv der Fall und so können wir das Ereignis nutzen, um jede Menge interessante Dinge herauszufinden. Da sind nämlich gleich vier Galaxienhaufen ineinander gekracht!
Das ist die Gegend um die es geht: der Galaxienhaufen Abell 2744 (weil er so viele interessante Dinge enthält, wurde er auch “Pandora’s Cluster” getauft – aber “Pandoras Haufen” klingt in deutsch irgendwie seltsam, also bleibe ich lieber bei der normalen Bezeichnung):
Das Bild wurde mit dem Hubble-Weltraumteleskop und dem Very Large Telescope (VLT) der europäischen Südsternwarte ESO aufgenommen. So gut wie jeder helle Punkt, denn man auf diesem Bild sehen kann, ist eine Galaxie. Das Bild schaut an sich schon ziemlich cool aus – aber noch cooler ist das, was man nicht direkt sehen kann.
Denn um herauszufinden, wie der Galaxienhaufen entstanden ist muss man seine einzelnen Bestandteile genau analysieren. So ein Galaxienhaufen besteht aber nicht nur aus leuchtenden Galaxien. Die machen nur etwa 5 Prozent der Gesamtmasse aus. Da ist auch noch jede Menge Gas, das sich im Raum dazwischen befindet. Im sichtbaren Licht kann man das nicht sehen; mit Hubble oder dem VLT wird man hier also keinen Erfolg haben. Aber es gibt ja auch noch Chandra! Das Röntgenteleskop der NASA im Weltraum kann das heiße Gas gut detektieren und deswegen hat man es auch hier eingesetzt. Das Gas trug 20% zur Gesamtmasse des Haufens bei. Und die restlichen 75 Prozent? Die sind dunkle Materie.
Diese Form der Materie wechselwirkt nicht elektromagnetischer Strahlung, das heisst sie sendet kein Licht aus und reflektiert auch keines. Sie ist unsichtbar – aber das bedeutet nicht, dass wir überhaupt nichts über sie wissen können. Dunkle Materie wird nämlich – so wie die normale Materie auch – immer noch von der Gravitation beeinflusst bzw. beeinflusst die Materie um sich herum. So hat man sie ja auch erst entdeckt; man kann beobachten, dass sich Sterne und Galaxien nicht so bewegen, wie sie es tun sollten sondern so, als wäre da noch mehr Materie als wir sehen können. Diesen gravitativen Einfluss der dunklen Materie hat man auch bei Abell 2744 ausgenutzt um sie “sichtbar” zu machen. Man hat nach sogenannten “Gravitationslinsen” gesucht. Denn Albert Einstein erklärt in seiner allgemeinen Relativitätstheorie dass große Massen Licht beugen können, genauso wie es normale optischen Linsen aus Glas machen. Das führt dazu, dass man oft mehrere Bilder der selben Galaxie sehen kann, und wenn man nun schaut wo sich die Bilder befinden und wie stark sie verzerrt sind, kann man berechnen wo sich die Masse, die das alles verursacht, befindet. Das zu tun ist ein wenig aufwendig, aber die Forscher um Julian Merten vom Institut für theoretische Physik in Heidelberg haben das getan und konnten so am Ende auch die Verteilung der dunklen Materie aufzeichnen. So sieht das dann aus:
Das Hintergrundbild ist identisch mit dem von vorhin. Überlagert sieht man nun in rosa die Beobachtungsdaten von Chandra; also die Regionen wo sich das intergalaktische Gas befindet. Und blau zeigt an, wo sich die dunkle Materie befindet. Eine detaillierte Analyse der Verteilung der verschiedenen Komponenten hat nun gezeigt, dass sie deutlich komplexer ist, als man es gewöhnt war. Man geht davon aus, dass hier gleich vier Galaxienhaufen ineinander gekracht sind, um Abell 2744 zu bilden. Ok, es war keine Kollision wie im Strassenverkehr; der ganze Prozess hat etwa 350 Millionen Jahre gedauert… aber trotzdem: ein gewaltiges Ereignis! So in etwa könnte das abgelaufen sein (wieder ist rot das Gas und blau die dunkle Materie):
Coole Sache!
P.S. Schön, dass die ESO jetzt auch “Pressemitteilungen” für Kinder herausgibt 😉
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