Kaum ist die Aufregung um den Sonnensturm vorbei, kommt schon das nächste Drama: diesmal nicht wegen zu starker Sonnenaktivität, sondern weil sie zu schwach sein könnte. Arme Sonne, was sie auch macht, keiner ist zufrieden.
Bis auf die Astronomen natürlich 😉 Wir finden das äußerst spannend. Denn die Details der Sonnenaktivität sind immer noch nicht komplett verstanden und ein sehr aktives Forschungsgebiet. Mit der Sonne haben wir natürlich das gleiche Problem wie mit allen anderen Sternen: Nur schauen, nicht anfassen! Die Sonne ist zwar viel näher als der Rest der Sterne, aber wir können sie trotzdem nur aus der Ferne beobachten und keine direkten Experimente anstellen. Wenn es um die Sonnenaktivität geht, ist das erstmal kein Problem. Zumindest, wenn wir sie nur beobachten wollen. Denn dann reicht es, zum Beispiel die Sonnenflecken analysieren, zu zählen und zu katalogisieren. Die schwarzen Flecken auf der Sonnenoberfläche sind das sichtbare Zeichen der Sonnenaktivität. Es sind Bereiche, an denen starke Magnetfelder aus dem Sonneninneren die Oberfläche durchbrechen. Diese Magnetfelder hemmen einerseits den Strom heissen Plasmas der von unten nach oben steigt und deswegen sind die Flecken kühler und damit eben dunkler. Andererseits sind es auch genau diese Magnetfelder, die schließlich einen Sonnensturm verursachen können, wenn die Feldlinien immer weiter aus dem Fleck ragen, sich durch die Bewegung des Plasmas immer stärker verdrehen bis es dann zu einer Art “Kurzschluß” kommt und jede Menge Energie frei wird.
Wir wollen die Sonnenaktivität aber nicht nur beobachten sondern auch verstehen und vor allem vorhersagen. Das ist schwierig – ich habe das hier schon mal beschrieben. Am besten wäre es, wir wüssten, was in der Sonne passiert. Denn dort bewegt sich das Plasma. Plasma ist Gas, das wegen der großen Temperaturen von seinen Elektronen getrennt ist und damit elektrisch geladen. Und wenn man einen elektrischen Leiter bewegt, dann entstehen Magnetfelder. Wüssten wir genau, wie sich das Plasma unter der Sonnenoberfläche bewegt, dann wüssten wir auch, wie sich die Sonnenaktivität verändern wird. Aber leider können wir nicht in die Sonne hineinsehen…
Oder vielleicht doch? Astronomen sind kreative Menschen und haben sich im Laufe der Zeit jede Menge Methoden ausgedacht, mit denen sie Dinge sehen können, die man sonst eigentlich nicht sehen kann. Und mit der Asteroseismologie ist es tatsächlich möglich, ins Innere der Sterne zu blicken. Dazu sieht man sich an, wie ein Stern “schwingt” (das kann man messen). Ein Stern ist kein Festkörper sondern besteht aus Gas und ist ständig in Bewegung. Die enormen Schallwellen, die bei der Bewegung des Sonnenplasmas entstehen, können den ganzen Stern in Schwingung versetzen. Und wenn man diese Schwingungen beobachtet, kann man dadurch herausfinden, was im Inneren des Sterns so los ist (so wie man auf der Erde Erdbebenwellen benutzt um etwas über das Innere unseres Planeten herauszufinden). Die Sonne wird schon lange auf diese Art analysiert und 1980 fanden die Astronomen Robert Howard und Barry LaBonte etwas Interessantes: die torsionalen Oszillationen! Klingt nicht spannend? Wie wäre es mit: sie fanden einen gewaltigen Fluss aus Plasma der sich von den Polen bis zum Äquator wickelt!
Etwa 7000 Kilometer unter der Oberfläche der Sonne bewegt sich ein Strom heißen Plasmas und driftet langsam von Nord- bzw. Südpol Richtung Äquator. Dafür braucht er 22 Jahre. Und das ist genau die Dauer eines kompletten Aktivitätszyklus der Sonne (normalerweise spricht man immer von einer 11jährigen Periode; physikalisch gesehen allerdings dauert es 22 Jahre bis sich das Magnetfeld der Sonne einmal komplett um- und wieder zurückgepolt hat). Da liegt es nahe, dass dieser Fluß mit der Sonnenaktivität zusammenhängt und das tut er natürlich auch. Man weiß, dass Sonnenflecken nicht überall auf der Sonne entstehen sondern bevorzugt beim 22. Breitengrad (Keine Ahnung warum gerade da). Jetzt kommt das Spannende: vor einigen Jahren konnten die Astronomen zeigen, dass die Sonnenflecken dort genau zu dem Zeitpunkt entstehen, zu dem auch der Fluss beim 22. Breitengrad angekommen ist! Das ist äußerst ccol, denn den Fluss kann man auch schon lange vorher beobachten. Man kann den Fluss sehen, der für den aktuellen Sonnenfleckenzyklus verantwortlich ist und auch schon – noch in der Nähe der Pole – den, der den nächsten Zyklus verursachen wird. Und kann so abschätzen, wie stark der ausfallen und wann er stattfinden wird! Das sieht man in diesem Bild recht schön:
Die Farben stellen die Geschwindigkeit dar, mit der sich das Plasma unter der Oberfläche bewegt und gelb ist der besagte Fluss. Links ist der Fluss, der für den Aktivitätszyklus Nummer 23 verantwortlich war. Er hatte sein Maximum im Jahr 2000. Die gelbe Strömung rechts ist die des aktuellen Aktivitätszyklus Nummer 24 dessen Maximum vermutlich im Frühling 2013 stattfinden wird. Das Bild stammt aus dem Jahr 2009 – damals war man sehr verwundert darüber, dass sich der Zyklus 24 so viel Zeit lässt. Das Minimum das auf Zyklus 23 folgte war wesentlich länger als erwartet. Aber dank der torsionalen Oszillationen konnte man das nun erklären! Denn auch der Fluss für Nummer 24 hatte sich langsamer bewegt als sonst und so wie er verspätet ankam, begann auch der Aktivitätszyklus etwas später. Mit der Beobachtung der Strömung unter der Sonnenoberfläche ist es also möglich, konkrete Prognosen über die zukünftige Sonnenaktivität zu machen. Das haben Frank Hill vom National Solar Observatory in Arizona und seine Kollegen gemacht. Das Programm, in dessen Rahmen sie die Schwingungen der Sonne und damit den unterirdischen (untersolaren??) Fluss vermessen haben, heisst passenderweise GONG (Global Oscillation Network Group), Die Ergebnisse wurden kürzlich auf einer Konferenz präsentiert – wer will kann das Paper von Hill auch online lesen. Eigentlich hätte man den Fluss, der Zyklus 25 ankündigt schon sehen müssen. Von ihm ist aber noch nichts zu sehen! Er wird also später kommen, schwächer sein oder vielleicht sogar komplett ausfallen, spekuliert Hill. Unterstützt wird er von anderen Ergebnissen. Matthew Penn und William Livingston haben sich angesehen, wie sich die Magnetfelder in den Sonnenflecken im Laufe der Zeit verändert haben. Die werden immer schwächer; im Zyklus 24 sind sie deutlich kleiner als in Zyklus 23 und wenn sich der Trend fortsetzt, dann wird das Magnetfeld im Zyklus 25 so schwach sein, dass sich überhaupt keine Sonnenflecken mehr bilden:
Schließlich hat sich Richard Altrock vom Air Force Research Lab auch noch die Korona der Sonne angesehen. Das ist die äußerste Schicht der Sonnenatmosphäre die wir mit freiem Auge nur bei einer Sonnenfinsternis sehen können. Starke Sonnenaktivität macht sich auch dort bemerkbar, die Korona verformt sich je nach Anzahl und Stärke der Sonneneruptionen. Aus Messungen der Koronaeigenschaften konnte Altrock ebenfalls die magnetischen Bedingungen auf der Sonne bestimmen und auch hier zeigte sich: charakteristische Abläufe, die bisher vor Beginn jedes neuen Zyklus stattfinden, sind diesmal nicht zu beobachten.
Es ist jetzt schon ziemlich sicher, dass das Maximum der Aktivität des aktuellen Zyklus schwach ausfallen wird. Und es deutet viel darauf hin, dass es beim nächsten Zyklus noch viel schwächer werden wird bzw. dass dieser Zyklus komplett ausfällt. Ist das ein Grund zur Sorge? Nicht wirklich. Der Aktivitätszyklus der Sonne ist kein regelmäßiges, 11jähriges Auf-und-Ab. Es gab immer wieder mal Abweichung; manchmal dauerte ein Zyklus nur 9 Jahre; manchmal 14 Jahre. Manchmal fiel auch früher schon ein Zyklus komplett aus. Zum Beispiel beim sogenannten Maunderminimum, als zwischen 1645 und 1715 fast überhaupt keine Sonnenaktivität vorhanden war. Aber was ist mit der “Kleinen Eiszeit” bei der es im gleichen Zeitraum in Europa viel kälter als normal war? Steht uns sowas wieder bevor? Davor sollte man nicht allzu viel Angst haben. Es ist immer noch nicht ganz klar, wie die Verbindung zwischen Maunderminimum und kleiner Eiszeit tatsächlich aussieht bzw. ob sie überhaupt vorhanden ist. Auch in Sachen Klimawandel wird ein Ausfall des kommenden Aktivitätszyklus keine große Rolle spielen. Die üblichen Verdächtigen stehen zwar schon wieder in den Startlöchern um die Forschungsergebnisse zur Sonnenaktivität für ihre Kampagnen zu mißbrauchen. Bis jetzt konnte aber noch niemand nachvollziehbar belegen, dass der Klimawandel irgendwie von der Sonnenaktivität beeinflusst wird (auch die Thesen von Henrik Svensmark über den Zusammenhang von kosmischer Strahlung, Sonnenaktivität und Wolkenbildung wurden widerlegt).
Die Sonne ist ein verdammt komplexes Objekt. Sie ist nicht einfach nur ein helles Ding am Himmel, sie ist ein ausgewachsener Stern in dem jede Menge komplizierte Sachen ablaufen. Es sollte uns nicht wundern, dass der Aktivitätszyklus nicht wie ein Uhrwerk abläuft. Solche “Ausnahmefälle” sind für die Wissenschaftler außerdem noch besonders interessant. Immer wenn etwas nicht ganz so läuft wie man dachte, hat man die Chance, etwas neues zu lernen! Wenn der nächste Zyklus tatsächlich ausfallen sollte, dann ist das kein Grund zur Beunruhigung. Die Sonne scheint schon seit 4.5 Milliarden Jahren und wird das auch noch die nächsten 5 Milliarden Jahre tun.
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