Die Astronomen scheinen irgendwie noch nichts vom Sommerloch gehört zu haben. Zur Zeit geht es irgendwie Schlag auf Schlag. Ein Erdtrojaner wird entdeckt; Nemesis widerlegt, Beobachtungen präsentiert die ein Multiversum belegen könnten, die Raumsonde Juno ist erfolgreich gestartet und dann hatte die Erde früher auch vielleicht zwei Monde. Und jetzt ist also Pluto an der Reihe: Wissenschaftler aus Brasilien vermuten, dass der ehemalige Planet Ringe haben könnte.
Wie, hat Pluto Ringe? Nein, hat er nicht – sonst hätten wir sie ja gesehen! Oder nicht? Nein, nicht unbedingt… Wenn es um Ringe geht, dann denken wir ja zuerst immer an die gewaltigen und beeindruckenden Ringe des Saturn. Die kann man schon in kleinen Teleskopen erkennen und auf den Bildern die Raumsonden aufgenommen haben, die im Saturnsystem waren, sehen sie einfach phänomenal aus. Aber nicht jeder planetare Ring muss so beeindruckend sein. Saturn selbst hat viel mehr Ringe, als wir normalerweise so denken. Das, was man auf den gängigen Bildern sieht, sind nur zwei der sieben großen Ringsysteme, darunter auch der gigantische E-Ring, der 300000 km breit ist und erst vor wenigen Jahren entdeckt wurde. Und das, obwohl er der größte Ring im Sonnensystem ist. Aber es kommt halt auf die Bestandteile an. Der A- und der B-Ring (die beiden Ringe, die jeder kennt) bestehen aus größeren Brocken und die reflektieren das Licht der Sonne gut. Der E-Ring besteht aus kleinen Staubteilchen und wenn man nicht gerade mit den richtigen Instrumenten auf die richtige Art und Weise hinsieht, dann merkt man nichts davon. Wie gut Licht ein bestimmtes Medium durchdringen kann, beschreiben Physiker mit dem Begriff der optischen Tiefe. Durchquert Licht ein Material dessen optischen Tiefe gleich 1 ist, dann wird es um 36.8 Prozent abgeschwächt (die Zahl hat man sich nicht einfach so ausgedacht, die stammt vom natürlichen Logarithmus bzw. der Eulerschen Zahl e. 36.8 Prozent entsprechen einer Abschwächung des Lichts um das 1/e-fache). Bei den A- und B-Ringen des Saturn variiert die optische Dichte zwischen 0.4 und 2.5. Der große E-Ring hat eine optische Tiefe von 0.000015 – es ist daher kein Wunder, dass er erst so spät entdeckt wurde!
Aber auch die anderen Gasriesen haben Ringe. Die Ringe von Jupiter, Uranus und Neptun sind allerdings ebenfalls viel kleiner und schwächer als die des Saturn und wurden erst später entdeckt. Bei den kleineren, terrestrischen Planeten sind allerdings bis jetzt noch keine Ringe entdeckt worden. Das heisst aber nicht, dass sie nicht da sind! Beim Mars beispielsweise vermuten Forscher schon lange zwei schwache Ringe. Denn der Mars hat zwei kleine Monde und das ist ideal, wenn man nach Ringen sucht. Denn das Material der Ringe muss ja irgendwo her kommen. Beim E-Ring ist es beispielsweise der Saturnmond Enceladus, dessen Eisvulkane ständig kleinste Eis- und Staubteilchen mit solch hohen Geschwindigkeiten ins All schleudert, dass sie nicht mehr auf den Mond zurückfallen, sondern einen Ring um den Saturn bilden. Die Marsmonde Phobos und Deimos zeigen zwar keinen Vulkanismus – dafür sind die winzigen Monde einfach viel zu klein – aber sie können trotzdem Staub produzieren. Und zwar, wenn sie von noch kleineren Meteoriten getroffen werden. Dann wird jedesmal Staub aufgewirbelt der wegen der schwachen Anziehungskraft der kleinen Monde ins All entkommen und einen Ring um Mars bilden kann. Bis jetzt hat man erfolglos nach den Marsringen gesucht, aber vielleicht schaffen neue Detektoren auf künftigen Marsmissionen bald Klarheit.
Es gibt aber noch einen – ehemaligen – Planeten, der passende Monde hat die Ringe produzieren können: Pluto. Pryscilla Maria Pires dos Santos und ihre Kollegen von der Universität in Rio de Janeiro haben in ihrer Arbeit mit dem Titel “Small particles in Pluto’s environment: effects of the solar radiation pressure” untersucht, was mit Partikeln der kleinen Pluto-Monde Nix und Hydra passiert, die bei Meteoriteneinschlägen ins All entweichen. Denn auf die wirkt ja dann nicht nur die Anziehungskraft von Pluto und der Monde sondern auch der Strahlungsdruck der Sonne muss bei solch kleinen Teilchen berücksichtigt werden. Ist er stark genug, dann bläst er den Staub einfach weg. Die numerischen Simulation der brasilianischen Forscher zeigen, dass genau das passiert: Die Teilchen formen einen temporären Ring, aber 50% des Materials werden im Laufe eines Jahres wieder durch den Sonnenwind entfernt. Nur wenn Nix und Hydra genügen Material nachliefern, kann der Ring überleben. Anhand ihrer Simulationen schätzen dos Santos und ihre Kollegen, dass sich um Pluto ein schwacher Ring mit einer optischen Tiefe von 0.00000000001 formen könnte. Das ist wirklich schwach und selbst mit den besten Teleskopen auf der Erde und im All nicht zu sehen. Die einzige Möglichkeit diese Vorhersage zu überprüfen, sind Messungen vor Ort. Glücklicherweise ist gerade eine Raumsonde unterwegs zu Pluto: New Horizons wird dort im Jahr 2015 eintreffen und wenn es dort tatsächlich Ringe gibt, dann wird sie das sehen! Wir können also gespannt sein, was der Zwergplanet noch für Überraschung zu bieten hat. Langweilig wird es mit Pluto jedenfalls nie – erst vor zweieinhalb Wochen hat die NASA einen vierten Mond bei Pluto entdeckt. Ich sag’s ja: die Astronomen kennen kein Sommerloch!
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