Erinnert sich noch jemand an die toten Vögel die Anfang des Jahres die Medien dominierten? In Arkansas in den USA fielen in der Silvesternacht ein paar tausende Vögel tot vom Himmel und in den folgenden Tagen und Wochen schaffte es jedes tote Tier in die Schlagzeilen der Medien. Die Tagesschau berichtete zur besten Sendezeit über ein paar Dutzend tote Vögel in der schwedischen Provinz und die Zeitungen spekulierten über die dramatischen Fälle. Die einschlägigen Medien erstellten hysterische Listen mit toten Tieren und überboten sich gegenseitig bei der Suche nach möglichst dramatischen Erklärungen. UFOs, Geheimwaffen, Polsprünge, die biblische Apokalypse: alles kam gerade um das “mysteriöse Vogelsterben” zu erklären. Ich habe damals schon erklärt, dass daran eigentlich nichts Mysteriöses ist. Tiere sterben immer wieder, auch massenhaft und für die entsprechenden Experten waren auch die damaligen Fälle nichts Besonderes. Aber wenn in den Medien erstmal eine entsprechende Stimmung herrscht, dann kommt man mit Vernunft nicht mehr wirklich weit.
Seit Monaten schon hat man in den Zeitungen, den Internetjournalen und dem Fernsehen nichts mehr von “mysteriösen” Vogelsterben gehört. Dabei hätte wir ja gerade wieder das Sommerloch, eigentlich passend für solche Stories. Aber das hat ja die “Problemkuh Yvonne” schon besetzt…
Was die toten Vögel angeht hat sich jedenfalls im Vergleich zum Anfang des Jahres nichts geändert. Immer noch gibt es regelmäßig Fälle, in denen viele Tiere sterben. Hier sind vier, die seit Februar in den USA aufgetreten sind (eine vollständige Übersicht der gemeldeten Fälle führt das National Wildlife Health Center des USGS und von denen man in den Medien nichts mehr gehört hat:
- 15.März bis 20. Mai: etwa 5000 tote Fledermäuse in Albert County, NBR
- 29. März bis 20. April: etwa 4700 tote Enten in Houston, MN
- 15-29 Juni: etwa 100 tote Stare, Wanderdrosseln
Rotkehlchenund Grackel in Athens, OH - 23-25 Juli: etwa 600 tote Gimpel und Spatzen in Franklin, OH.
Allein im ersten Quartal 2011 wurden 48 Fälle gemeldet (Zum Vergleich: im ersten Quartal 2008 waren es 56, im ersten Quartal 2000 zählte man 49 Fälle und im ersten Quartal 1996 36). Es ist also völlig normal, dass Tiere sterben. Das tun sie aus den verschiedensten Gründen und sie haben das schon immer getan. Und wenn nicht zufällig der eine Fall aus Arkansas Anfang des Jahres in den Medien gelandet wäre, dann hätte es auch keinen Hype um ein “mysteriöses Vogelsterben” gegeben. Heute sterben genauso viele Vögel und das oft auch in ebenso großen Mengen wie zu Beginn des Jahres. Aber liest man deswegen irgendwo in den Zeitungen etwas darüber? Nein, dort wurde das Thema zu Ende gehypt und als neue spannende Sachen auftauchten, wieder vergessen. Auch die Sensationspresse hat die toten Vögel schnell fallen gelassen. Schließlich ist nichts so langweilig wie das, was jeder schon kennt und wenn die Welt eines nicht sein darf, dann langweilig oder normal. Also hat man sich neue Sachen gesucht, die man mysteriös und geheimnisvoll finden und vor denen man Angst haben konnte. Den Komet Elenin zum Beispiel.
Der Komet C/2010 (X1) Elenin ist ein ganz normaler Komet. Er wurde im Dezember 2010 vom russischen Amateurastronom Leonid Elenin entdeckt, braucht für einen Umlauf um die Sonne mehr als zehntausend Jahre und ist ein paar Kilometer groß. Alles ganz typisch für einen Kometen. Das einzige, das ihn ein wenig von den Milliarden anderen Kometen im Sonnensystem unterscheidet ist die Tatsache, dass er sich im September dieses Jahres der Erde nähern wird. Nicht wirklich nahe – er wird ihr nur bis auf 35 Millionen Kilometer nahe kommen. Das ist 90 Mal weiter von der Erde entfernt als der Mond! Die Astronomen erwarten auch keinen allzu großen Helligkeitsausbruch; es wird also schwer werden, den Kometen mit freiem Auge zu sehen. Wie gesagt: Elenin unterscheidet sich durch nichts von den Unmengen anderer Himmelskörper im Sonnensystem. Trotzdem ist er plötzlich zum Star in der Weltuntergangsszene geworden. Er soll in Wahrheit so groß wie ein kleiner Stern sein und mit der Erde kollidieren! Je nachdem wie seine Position am Himmel gerade ist, soll er Erdbeben auslösen. Der Entdecker, Leonid Elenin soll in Wahrheit auch nicht existieren; Fernsehbilder von ihm sind gefälscht und sein Name ist ein verschlüsselter Hinweis auf den Weltuntergang: Das “ELE” von Elenin stehe angeblich für “Extinction Level Event”; also ein Einschlagsereignis bei dem die Menscheit ausgelöscht wird. Wer ein wenig weiter sucht, findet schnell noch viel mehr absurde Behauptungen über den Kometen und die Aufregung um diesen Himmelskörper ist in der einschlägigen Szene immer noch ungebrochen.
Genauso wie beim “mysteriösen Vogelsterben” wurde auch hier ein völlig normales Einzelereignis aus einer ganzen Reihe ebenso normaler Ereignisse herausgegriffen und zu einem dramatischen und geheimnisvollen Sonderfall gehypet. Jedes Jahr werden mittlerweile mehr als 100 hundert Kometen entdeckt. Seit der Entdeckung des Kometen Elenin wurden 30 weitere Kometen gefunden und einer davon sogar wieder von Leonid Elenin. P/2011 NO1 würde sich genauso gut für Weltuntergangsphantasie und komische Namensspielereien eignen wie Elenin (Hey, immerhin heißt der Kollege, der Leonid Elenin bei dieser Entdeckung unterstützt hat mit Nachnamen “Molotov”! Da lässt sich doch sicher was draus machen…). Aber die Weltuntergangsgemeinde konzentriert sich völlig auf C/2010 (X1) und ignoriert den Rest der Kometen in unserem Sonnensystem.
Wenn eine Meldung erstmal eine gewissen Grundaufmerksamkeit bekommen hat und es dann noch möglich ist, sie mit ein bisschen Mystery, Geheimnis und Angst aufzupeppen, dann wird sie zum Selbstläufer. Wenn der Hype erstmal am Laufen ist, kann man ihn schwer aufhalten. Haben die Medien sich dafür entschieden, dass tote Vögel “mysteriös” zu sein haben, dann ist für eine gewisse Zeit jedes tote Tier eine Nachricht wert. Keine objektive Einschätzung sondern selektive Wahrnehmung bestimmt dann die Themenauswahl. Wenn ein stinknormaler Komet einmal die Aufmerksamkeit der Weltuntergangszene erregt hat, dann wird er zum gerade aktuellen Sammelpunkt von Angst und Panik und die Tatsache, dass nichts an ihm so Besonders ist um diese Sonderrolle zu rechtfertigen wird ignoriert. Es wird immer gerne behauptet, man müsse die Dinge im großen Zusammenhang sehen. Das stimmt durchaus und wenn man sich daran hält, dann stellt man oft fest, dass manch ein “Mysterium” gar nicht so mysteriös ist. Erinnert euch daran, wenn ihr das nächste Mal in den Medien von irgendwelchen “unerklärlichen Vorfällen” oder ähnlichen Dingen lest.
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