Mittlerweile ist die Suche nach extrasolaren Planeten ja auf einem guten Weg. Mehr als 500 Planeten kennen wir schon und einige tausend Kandidaten warten auf die Bestätigung ihres Planetenstatus. Die gefundenen Exoplaneten wurden immer kleiner, je besser unsere Instrumente und Methoden wurden und mittlerweile liegt es durchaus im Bereich des möglichen, einen Planeten zu finden, der unserer Erde ähnelt und so wie sie auch prinzipiell Leben beherbergen könnte. Trotzdem sollte man skeptisch sein, wenn in den Medien die Entdeckung einer “zweiten Erde” verkündet wird.
Das ist ja in der Vergangenheit schon oft genug passiert. Wenn es um extrasolare Planeten geht, dann scheint die Öffentlichkeit nur eines zu interessieren: Gibt es dort Leben? Zumindest ist das der Blickwinkel, unter dem viele Entdeckungen in den Medien präsentiert werden. Und klar, es ist ja auch interessant und enorm spannend, andere bewohnbare Planeten zu suchen. Aber man darf sich nicht hinreißen lassen.
Die Suche nach bewohnbaren extrasolaren Planeten scheint in etwa in der Situation zu sein, in der sich allgemein die Suche nach Exoplaneten in den 1980er und 1990er Jahren befand. Andauernd verkündeten Wissenschaftler, sie hätten endlich den ersten Exoplaneten gefunden, nur um kurz danach feststellen zu müssen, dass ihre Daten doch nicht so gut waren wie gedacht und der Planet nicht vorhanden war (Die spannende Geschichte der Exoplanetensuche ist übrigens in “Die Jagd nach neuen Planeten” von Ken Croswell sehr lesenswert beschrieben). So ähnlich läuft es momentan auch mit den habitablen Planeten. Der Fund einer “zweiten Erde” ist schnell verkündet, auch wenn man meistens nicht wirklich genug Informationen hat, um wirklich herauszufinden, ob der Planet habitabel ist oder nicht (und manchmal scheint sogar der Planet selbst nicht existiert zu haben).
Jetzt haben Wissenschaftler um Francesco Pepe vom Observatorium in Genf wieder eine “zweite Erde” entdeckt. Es handelt sich um den Planeten HD 85512b. Er wurde bei einer Suche die sich speziell auf leichte Planeten konzentriert, gefunden. Dabei hat man die sogenannte “Radialgeschwindigkeitsmethode” benutzt. Das bedeutet, dass man probiert, das charakteristische Wackeln eines Sterns zu messen, das durch die Anwesenheit eines Planeten verursacht wird. Dabei bewegt sich der Stern mal ein kleines Stück auf uns zu und mal ein kleines Stück von uns weg. Das macht er periodisch und mit etwas Glück kann man es messen. Daraus lassen sich dann die Eigenschaften des Planeten ableiten. Bei HD 85512b weiß man nun, dass er sich 0.26 astronomische Einheiten von seinem Stern entfernt befindet. Das ist wenig, der sonnennächste Planet – Merkur – ist 0.39 astronomische Einheiten von der Sonne entfernt (und die Erde eine astronomische Einheit). Der Exoplanet ist aber viel schwerer als Merkur! Seine Masse beträgt das 3.6fache der Erdmasse. Klingt also alles erstmal wenig heimatlich. So nahe am Stern muss es doch verdammt heiß sein, oder? Das hängt vom Stern ab. Bei unserer Sonne wäre das so, aber HD 85512 (der Stern den der Exoplanet umkreist) ist kleiner und kühler als die Sonne (er hat den Spektraltyp K) und deswegen muss auch etwas näher ran rücken, wenn man es schon angenehm warm haben will. Vom Abstand her würde es also passen mit der Temperatur.
Paradiesische Zustände…. (Bild: Park Seed Company, PD)
Aber der passende Abstand allein reicht noch nicht. Die Venus liegt zum Beispiel auch in der habitablen Zone der Sonne, also dort, wo die Temperaturen prinzipiell passen würden. Trotzdem ist es auf unserem Nachbarplanet bis zu 500 Grad heiß und alles andere als gemütlich! Es kommt eben auch auf die Eigenschaften der Atmosphäre an, darauf ob der Planet ein Magnetfeld an, die geologische Aktivität (sofern vorhanden), die Schwankungen der Planetenachse, usw. Ob ein Planet an seiner Oberfläche tatsächlich die passenden Temperaturen aufweist, hängt von vielen Faktoren ab und mit Teleskopen von der Erde lassen sich die meisten davon heute kaum bestimmen. Lisa Kaltenegger vom Max-Planck-Institut in Heidelberg und ihre Kollegen haben trotzdem probiert, die Atmosphäre von HD 85512b zu untersuchen. Nur in Computermodellen natürlich, der Planet wurde ja nur indirekt beobachtet und es gibt noch keine Möglichkeit, das vom Planeten reflektierte Licht direkt zu analysieren und so die Eigenschaften der Atmosphäre zu bestimmen. Mit den Modellen jedenfalls kommen Kaltenegger & Co zu dem Schluß, dass die Temperaturen auf HD 85521b lebensfreundlich sein können, wenn die Atmosphäre mehr als zur Hälfte mit Wolken bedeckt ist. Ob das nun auch so ist… wer weiß?
Ich jedenfalls bin erstmal skeptisch. Vor allem wegen eines Satzes, der in der Einleitung des Artikels von Kaltenegger zu finden ist:
“Here we assume that the planet’s actual mass is close to its minimum mass.”
Bei ihren Untersuchungen zur Habitabilität von HD 85521b haben Kaltenegger und ihre Kollegen also angenommen, dass die Masse des Planeten tatsächlich das 3.6fache der Erdmasse beträgt. Aber das muss nicht so sein. Denn wenn Planeten mit der Radialgeschwindigkeitsmethode entdeckt werden, dann kennt man ihre Masse nicht exakt. Man kennt nur die minimale Masse, weiß aber nicht, ob die vielleicht nicht auch deutlich größer sein könnte. Wie groß die Masse wirklich ist, hängt vom Blickwinkel ab unter dem wir von der Erde aus auf das System schauen (je nachdem sehen wir das Wackeln des Sterns mehr oder weniger stärker) und den kennt man im Allgemeinen nicht. Die Masse von HD 85521b kann also auch größer sein und das hätte natürlich Auswirkungen auf die Atmosphäre (je schwerer ein Himmelskörper ist, desto dichter ist die Atmosphäre, die er festhalten kann). Außerdem liegt der Exoplanet mit einem Abstand von 0.26 AE am innersten Rand der habitablen Zone und seine Bahn ist nicht wirklich kreisförmig sondern leicht oval (seine Exzentrizität beträgt 0.11). Und wer weiß, ob die Computermodell für die Exoplanetenatmosphären hier wirklich anwendbar sind? Alles in allem ist es also ein ziemlicher Grenzfall. Wenn alles gerade super passt, dann könnten dort die Temperaturen wirklich angenehm sein. Aber momentan weiß man einfach noch zu wenig.
Es gibt aber keinen Grund, enttäuscht zu sein. Die Entdeckung von Pepe und seinen Kollegen zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind! Es wird für uns immer einfacher, kleine, erdähnliche Planeten zu finden. Irgendwann wird dann tatsächlich einer dabei sein, der eindeutig leicht genug ist und eindeutig mitten in der habitablen Zone liegt. Irgendwann werden wir dann auch direkt sein Licht analysieren können und feststellen, woraus seine Atmosphäre besteht. Un dieses “Irgendwann” wird nicht mehr allzu weit entfernt sein – ich bin optimistisch!
F. Pepe, C. Lovis, D. Ségransan, W. Benz, F. Bouchy, X. Dumusque, M. Mayor, D. Queloz, N. C. Santos, & S. Udry (2011). The HARPS search for Earth-like planets in the habitable zone: I — Very low-mass planets around HD20794, HD85512 and HD192310 Astronomy & Astrophysics : arXiv:1108.3447
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