Immer wenn man denkt, dass Universum könne jetzt unmöglich noch seltsamer werden, dann entdecken die Wissenschaftler wieder etwas neues, das noch seltsamer ist. Zum Beispiel einen Diamantplanet. Das klingt ziemlich abgefahren. Wie kann ein Planet aus Diamant bestehen? Und wie entdeckt man sowas? Am besten ist es, man fängt mit der Geschichte am Anfang an. In diesem Fall ist der Anfang aber das Ende und zwar das Ende eines Sterns.
Sterne existieren nicht ewig. Sie werden irgendwann aus gewaltigen, sich verdichtenden Gaswolken geboren und wenn nach einigen Millionen oder Milliarden Jahren kein Material mehr übrig ist, dass im Inneren des Sterns fusioniert werden kann, dann sterben die Sterne auch wieder. Ein toter Stern kann verschiedene Formen annehmen, eine davon ist ein sogenannter Neutronenstern. Der Stern ist hier in der Endphase seines Lebens so heiß geworden, dass er große Teile seiner äußeren Schichten ins All geblasen hat. Der übrig gebliebene Kern fiel unter seiner eigenen Gravitation immer weiter zusammen bis es nicht mehr weiter ging. Die Materie eines Neutronensterns besteht nur noch aus Neutronen (ungeladene Bestandteile eines Atomkerns) die so dicht aneinander gepackt sind, wie es nur möglich ist. Und das ist wirklich dicht! Ein Neutronenstern wiegt mehr
als unsere Sonne, ist dabei aber nur einige Kilometer groß. Das führt dazu, dass sie sich äußerst schnell drehen. Man kennt das ja von den Eiskunstläufern. Dreht man hier eine Pirouette, dann erhöht sich die Drehgeschwindigkeit, wenn der Eisläufer die Arme eng an den Körper legt. Auch die Rotationsgeschwindigkeit des Sterns erhöhte sich enorm, als er immer kleiner und kleiner (und dabei immer dichter) wurde. Unsere Sonne braucht ein paar Wochen um sich einmal um ihre Achse zu drehen. Ein Neutronenstern kann das in ein paar Millisekunden schaffen!
Normalerweise sind Neutronensterne schwer zu sehen. Aber manche von ihnen machen auf ganz spektakuläre Art und Weise auf sich aufmerksam. Neutronensterne haben nämlich nicht nur eine sehr hohe Rotationsgeschwindigkeit sondern auch enorm starke Magnetfelder. Entlang dieser Magnetfelder gibt der Neutronenstern viel elektromagnetische Strahlung ab und das Ganze sieht dann so ähnlich aus wie ein Leuchtturm. Der Neutronenstern gibt die Strahlung entlang zweier gegenüberliegender “Lichtkegel” ab die sich gemeinsam mit ihm um seine Achse drehen. Allerdings ist es nicht nur Licht, das abgestrahlt wird, sondern vor allem Radiowellen. Ein rotierender Neutronenstern dessen Strahlungskegel zufällig gerade in Sichtlinie zur Erde liegen erzeugt daher ein pulsierendes Radiosignal und wird deswegen auch “Pulsar” genannt. Die Signale eines Pulsars sind so regelmäßig, dass man bei ihrer Entdeckung zuerst dachte, man hätte vielleicht Aliens gefunden. Radiopulse lassen sich relativ einfach messen und man ist heute in der Lage, die Zeitpunkte ihres Eintreffens extrem genau zu registrieren. Dabei zeigt sich immer wieder, wie enorm regelmäßig die Pulsare ihre Signale abgeben. Spannend wird es allerdings dann, wenn man einen Pulsar findet, dessen Pulse ein wenig zu früh oder zu spät kommen. Das war 1992 der Fall, als der polnische Astronom Aleksander Wolszczan den Pulsar PSR B1257+B12 untersuchte. Der braucht nur wenig mehr als 6 Millisekunden um sich einmal um seine Achse zu drehen und Wolszczan konnte messen, dass die Signale von B1257 nicht immer pünktlich kamen. Das ließe sich erklären, wenn der Pulsar ein klein wenig “wackeln” würde, also sich mal ein wenig auf uns zu bewegt und dann wieder ein klein wenig von uns weg. Dann würden auch die Signal mal ein wenig zu früh und mal ein wenig zu spät ankommen. Aber was bringt einen Pulsar zum Wackeln? Ein Planet zum Beispiel!
Ein Planet der einen Pulsar umkreist würde durch seine gravitative Anziehungskraft den Neutronenstern ein wenig beeinflussen. Das gleiche Prinzip nutzen die Astronomen auch, wenn sie bei normalen Sternen nach Planeten suchen. Nur muss man hier keine Radiosignale messen sondern nach einer periodischen Verschiebung in den Spektrallinien eines Sterns suchen und das ist schwieriger und man erreicht nicht die gleiche hohe Genauigkeit wie bei den Pulsaren. Wolszczan jedenfalls errechnete, dass B1257 von drei Planeten umkreist werden musste, von denen zwei nur wenig schwerer als unsere Erde waren und einer viel leichter als sie. Und tatsächlich war Wolszczans Beobachtung die erste Entdeckung von Planeten, die sich außerhalb unseres Sonnensystems befanden! Da sie aber “nur” einen Pulsar, also einen toten Stern, umkreisten, wollten viele Astronomen das nicht so richtig gelten lassen und heute gilt meistens der Planet, den die Schweizer Astronomen Michel Mayor und Didier Queoloz 1995 um einen normalen, sonnenähnlichen Stern fanden als erster Exoplanet (wer mehr wissen will, kann die ganze Geschichte in diesem Buch nachlesen). Viel spannender als diese Prioritätsfrage ist aber die Frage nach der Herkunft dieser Planeten. Die Entstehung eines Neutronensterns ist ein gewaltiges Ereignis! Sie wird durch eine Supernova-Explosion begleitet die eigentlich alle etwaigen Planeten die den Vorgängerstern umkreist haben, zerstört oder aus dem System gepustet haben müsste. Aber vielleicht haben es manche Planeten doch irgendwie geschafft, zu überleben. Es kann aber auch sein, dass sich die Planeten erst gebildet haben, nachdem der Pulsar entstand? Es könnten sich im System noch jede Menge Überreste und Trümmer befinden aus denen sich dann nochmal Planeten bilden, auf die gleiche Art und Weise wie sie sich aus der ursprünglichen Gas- und Staubscheibe gebildet haben, die einen jungen Stern umgibt.
Was auch immer dort abgelaufen ist: Zumindest ein paar Pulsare besitzen Planeten! Oder besser gesagt: zumindest zwei Pulsare besitzen Planeten. Denn neben PSR B1257+B1 konnte nur noch um den Pulsar PSR B1620-26 ein Planet gefunden werden (im Jahr 2003). Es gibt zwar noch einige Kandidaten wo man weitere Planeten vermutet, aber keiner davon konnte bis jetzt bestätigt werden. Matthew Bailes von der Swinburne University of Technology in Australien und seine Kollegen habe nun einen dritten Pulsar mit Planet entdeckt. Und das, was PSR J1719-1438 umkreist ist seltsamer als alles, was man bisher bei den Pulsaren gefunden hat.
J1719 ist eigentlich ein typischer Pulsar. Er hat die 1.4fache Masse der Sonne und ist knapp 20 Kilometer groß. Für eine Umdrehung braucht er 5.7 Millisekunden. Bailes und seine Kollegen haben ihm mit dem 64 Meter großen Parkes-Radioteleskop in Australien beobachtet. Dabei fanden sie typischen Variationen im Pulsar-Signal die auf die Existenz eines Begleiters hindeuteten. Der war allerdings so gar nicht typisch. Das Objekt, das J1719 umkreist befindet sich nur knapp 600000 Kilometer vom Pulsar befindet. Das ist weniger als der Radius der Sonne! Er ist so schwer wie Jupiter, hat aber nur einen Durchmesser von 60000 Kilometer. Das ist wenig im Vergleich mit Jupiter, der knapp 140000 Kilometer durchmißt. Es ist also klar, dass der Begleiter wesentlich dichter sein muss als der größte Planet unseres Sonnensystems. Anstatt der 1.3 Gramm pro Kubikzentimeter muss der Begleiter des Pulsars eine Dichte von 23 Gramm pro Kubikzentimeter haben (doppelt so dicht wie Blei)! So dicht ist keiner der Planeten in unserem Sonnensystem; selbst die Erde als Spitzenreiter kommt nur auf 5.5 Gramm pro Kubikzentimeter. Diese hohe Dichte deutet darauf hin, dass der “Planet” der den Pulsar J1719 umkreist nicht auf normale Art und Weise entstand.
Das wahrscheinlichste Szenario sieht so aus: Ursprünglich gab es weder Pulsar, noch seltsamen “Planeten” sondern ein Doppelsternsystem. Einer der Sterne muss massiver als unsere Sonne gewesen sein; mit etwa der zwei- bis dreifachen Masse. Nur so schwere Sterne können sich überhaupt zu einem Neutronenstern entwickeln. Der Begleiter war leichter und hat sich am Ende seines Lebens zuerst zu einem roten Riesen aufgebläht bevor von ihm nur noch der innere Kern übrig blieb, ein weißer Zwerg. Dieses Schicksal, steht auch unserer Sonne bevor – die hat aber keinen Pulsar als Nachbar. Die Supernova-Explosion bei seiner Entstehung hat sicherlich schon mal einiges an Material vom Begleitstern weg gepustet und danach hat die starke Gravitationskraft des nahen Pulsars sich noch weiter am weißen Zwerg bedient. Übrig blieb am Ende nur noch ein dichter, kleiner Kern der hauptsächlich aus Sauerstoff und Kohlenstoff besteht, der – so vermuten die Forscher – durchaus auch in kristalliner Form angeordnet sein kann. So wie ein Diamant!
Man kann jetzt darüber streiten, ob man so ein Objekt tatsächlich als “Planet” bezeichnen soll. Ich persönlich finde, dass man nur das Planet nennen sollte, dass auch wie ein Planet entstanden ist. Ein Flugzeug ist ja auch kein Auto, obwohl es motorisiert und mit mehr als zwei Rädern auf der Straße rumfahren kann. Auch der “Diamantplanet” entstand nicht so, wie Planeten normalerweise entstehen (obwohl solche Kohlenstoffplaneten durchaus existieren könnten). Er war früher ein Stern, von dem heute nur noch ein planetengroßes Stück übrig geblieben ist. Andererseits könnte man ja auch anzweifeln, dass Planeten nur auf eine einzige Art und Weise entstehen können. Wenn man dem Flugzeug die Tragflächen abschneidet, die äußere Form ein wenig modifiziert und ein viertes Rad anbaut, dann hat man kein Flugzeug mehr sondern eine Art seltsamen Autobus. Und der Pulsar hat seinen Nachbarstern eben solange bearbeitet, bis am Ende ein seltsamer Planet übrig blieb.
Es ist aber völlig egal, wie wir den Begleiter von PSR J1719-1438 nennen. Egal ob er jetzt ein Planet ist oder nicht – er ist auf jeden Fall absolut faszinierend! Der Kern eines früheren Sterns, der sich in einen riesigen Diamanten verwandelt hat und jetzt eine pulsierende Sternenleiche umkreist… sowas kann sich niemand ausdenken. So cool kann nur das Universum sein!
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