Mittlerweile ist die Suche nach extrasolaren Planeten ja auf einem guten Weg. Mehr als 500 Planeten kennen wir schon und einige tausend Kandidaten warten auf die Bestätigung ihres Planetenstatus. Die gefundenen Exoplaneten wurden immer kleiner, je besser unsere Instrumente und Methoden wurden und mittlerweile liegt es durchaus im Bereich des möglichen, einen Planeten zu finden, der unserer Erde ähnelt und so wie sie auch prinzipiell Leben beherbergen könnte. Trotzdem sollte man skeptisch sein, wenn in den Medien die Entdeckung einer “zweiten Erde” verkündet wird.

Das ist ja in der Vergangenheit schon oft genug passiert. Wenn es um extrasolare Planeten geht, dann scheint die Öffentlichkeit nur eines zu interessieren: Gibt es dort Leben? Zumindest ist das der Blickwinkel, unter dem viele Entdeckungen in den Medien präsentiert werden. Und klar, es ist ja auch interessant und enorm spannend, andere bewohnbare Planeten zu suchen. Aber man darf sich nicht hinreißen lassen.

Die Suche nach bewohnbaren extrasolaren Planeten scheint in etwa in der Situation zu sein, in der sich allgemein die Suche nach Exoplaneten in den 1980er und 1990er Jahren befand. Andauernd verkündeten Wissenschaftler, sie hätten endlich den ersten Exoplaneten gefunden, nur um kurz danach feststellen zu müssen, dass ihre Daten doch nicht so gut waren wie gedacht und der Planet nicht vorhanden war (Die spannende Geschichte der Exoplanetensuche ist übrigens in “Die Jagd nach neuen Planeten” von Ken Croswell sehr lesenswert beschrieben). So ähnlich läuft es momentan auch mit den habitablen Planeten. Der Fund einer “zweiten Erde” ist schnell verkündet, auch wenn man meistens nicht wirklich genug Informationen hat, um wirklich herauszufinden, ob der Planet habitabel ist oder nicht (und manchmal scheint sogar der Planet selbst nicht existiert zu haben).

Jetzt haben Wissenschaftler um Francesco Pepe vom Observatorium in Genf wieder eine “zweite Erde” entdeckt. Es handelt sich um den Planeten HD 85512b. Er wurde bei einer Suche die sich speziell auf leichte Planeten konzentriert, gefunden. Dabei hat man die sogenannte “Radialgeschwindigkeitsmethode” benutzt. Das bedeutet, dass man probiert, das charakteristische Wackeln eines Sterns zu messen, das durch die Anwesenheit eines Planeten verursacht wird. Dabei bewegt sich der Stern mal ein kleines Stück auf uns zu und mal ein kleines Stück von uns weg. Das macht er periodisch und mit etwas Glück kann man es messen. Daraus lassen sich dann die Eigenschaften des Planeten ableiten. Bei HD 85512b weiß man nun, dass er sich 0.26 astronomische Einheiten von seinem Stern entfernt befindet. Das ist wenig, der sonnennächste Planet – Merkur – ist 0.39 astronomische Einheiten von der Sonne entfernt (und die Erde eine astronomische Einheit). Der Exoplanet ist aber viel schwerer als Merkur! Seine Masse beträgt das 3.6fache der Erdmasse. Klingt also alles erstmal wenig heimatlich. So nahe am Stern muss es doch verdammt heiß sein, oder? Das hängt vom Stern ab. Bei unserer Sonne wäre das so, aber HD 85512 (der Stern den der Exoplanet umkreist) ist kleiner und kühler als die Sonne (er hat den Spektraltyp K) und deswegen muss auch etwas näher ran rücken, wenn man es schon angenehm warm haben will. Vom Abstand her würde es also passen mit der Temperatur.

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Paradiesische Zustände…. (Bild: Park Seed Company, PD)

Aber der passende Abstand allein reicht noch nicht. Die Venus liegt zum Beispiel auch in der habitablen Zone der Sonne, also dort, wo die Temperaturen prinzipiell passen würden. Trotzdem ist es auf unserem Nachbarplanet bis zu 500 Grad heiß und alles andere als gemütlich! Es kommt eben auch auf die Eigenschaften der Atmosphäre an, darauf ob der Planet ein Magnetfeld an, die geologische Aktivität (sofern vorhanden), die Schwankungen der Planetenachse, usw. Ob ein Planet an seiner Oberfläche tatsächlich die passenden Temperaturen aufweist, hängt von vielen Faktoren ab und mit Teleskopen von der Erde lassen sich die meisten davon heute kaum bestimmen. Lisa Kaltenegger vom Max-Planck-Institut in Heidelberg und ihre Kollegen haben trotzdem probiert, die Atmosphäre von HD 85512b zu untersuchen. Nur in Computermodellen natürlich, der Planet wurde ja nur indirekt beobachtet und es gibt noch keine Möglichkeit, das vom Planeten reflektierte Licht direkt zu analysieren und so die Eigenschaften der Atmosphäre zu bestimmen. Mit den Modellen jedenfalls kommen Kaltenegger & Co zu dem Schluß, dass die Temperaturen auf HD 85521b lebensfreundlich sein können, wenn die Atmosphäre mehr als zur Hälfte mit Wolken bedeckt ist. Ob das nun auch so ist… wer weiß?

Ich jedenfalls bin erstmal skeptisch. Vor allem wegen eines Satzes, der in der Einleitung des Artikels von Kaltenegger zu finden ist:

“Here we assume that the planet’s actual mass is close to its minimum mass.”

Bei ihren Untersuchungen zur Habitabilität von HD 85521b haben Kaltenegger und ihre Kollegen also angenommen, dass die Masse des Planeten tatsächlich das 3.6fache der Erdmasse beträgt. Aber das muss nicht so sein. Denn wenn Planeten mit der Radialgeschwindigkeitsmethode entdeckt werden, dann kennt man ihre Masse nicht exakt. Man kennt nur die minimale Masse, weiß aber nicht, ob die vielleicht nicht auch deutlich größer sein könnte. Wie groß die Masse wirklich ist, hängt vom Blickwinkel ab unter dem wir von der Erde aus auf das System schauen (je nachdem sehen wir das Wackeln des Sterns mehr oder weniger stärker) und den kennt man im Allgemeinen nicht. Die Masse von HD 85521b kann also auch größer sein und das hätte natürlich Auswirkungen auf die Atmosphäre (je schwerer ein Himmelskörper ist, desto dichter ist die Atmosphäre, die er festhalten kann). Außerdem liegt der Exoplanet mit einem Abstand von 0.26 AE am innersten Rand der habitablen Zone und seine Bahn ist nicht wirklich kreisförmig sondern leicht oval (seine Exzentrizität beträgt 0.11). Und wer weiß, ob die Computermodell für die Exoplanetenatmosphären hier wirklich anwendbar sind? Alles in allem ist es also ein ziemlicher Grenzfall. Wenn alles gerade super passt, dann könnten dort die Temperaturen wirklich angenehm sein. Aber momentan weiß man einfach noch zu wenig.

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… oder leblose Gluthölle? Bild: Herve Suadeau, CC-BY-SA 3.0

Es gibt aber keinen Grund, enttäuscht zu sein. Die Entdeckung von Pepe und seinen Kollegen zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind! Es wird für uns immer einfacher, kleine, erdähnliche Planeten zu finden. Irgendwann wird dann tatsächlich einer dabei sein, der eindeutig leicht genug ist und eindeutig mitten in der habitablen Zone liegt. Irgendwann werden wir dann auch direkt sein Licht analysieren können und feststellen, woraus seine Atmosphäre besteht. Un dieses “Irgendwann” wird nicht mehr allzu weit entfernt sein – ich bin optimistisch!


F. Pepe, C. Lovis, D. Ségransan, W. Benz, F. Bouchy, X. Dumusque, M. Mayor, D. Queloz, N. C. Santos, & S. Udry (2011). The HARPS search for Earth-like planets in the habitable zone: I — Very low-mass planets around HD20794, HD85512 and HD192310 Astronomy & Astrophysics : arXiv:1108.3447

Kommentare (34)

  1. #1 kakao
    27. August 2011

    Vielen Dank für den Artikel. War mal wieder wunderbar zu lesen.

    Und bei derart optimistischen Klängen bekommt man doch ein leichtes Kribbeln der Vorfreude im Bauch 🙂

  2. #2 jermaine
    27. August 2011

    Die Idee eine weiteren Planeten zur Bevölkerung für die überladene Erde zu finden, scheint gerade erst richtig in Gang zu kommen:).
    Die Frage ist nur wie lange man für die Übersiedelung brauchen würde, ob irgendwann eine Generation loszieht, damit die nächste Generation dort die neue Besiedelung beginnen kann.

  3. #3 aniS
    27. August 2011

    Um da mal etwas mehr Seriosität reinzubekommen sollte man sich vielleicht eindeutigere (und verbindliche) Namen einfallen lassen. Supererde klingt nunmal zu verlockend, um nicht sofort an blühende Landschaften zu denken.
    Zugegeben, mir fällt auf Anhieb auch nichts besseres ein, aber mich stört es auch, dass man jeden Monat mindestens einmal einer solchen Meldung hinterherrecherchieren muss, um nicht irrtümlich die Korken knallen zu lassen.

    Was würde man eigentlich für Informationen über eine Kopie unserer Erde in sagen wir mal 20 Lichtjahren Entfernung bekommen, mit der uns heute zur Verfügung stehenden Technik?

  4. #4 Alderamin
    27. August 2011

    @jermaine

    Die Idee eine weiteren Planeten zur Bevölkerung für die überladene Erde zu finden, scheint gerade erst richtig in Gang zu kommen:).

    Vielleicht sind wir zuerst mal zufrieden damit, zu lernen, wie häufig leben im Weltall vorkommen könnte und konkrete Planeten zu finden, bei denen das Spektrum auf Leben hindeutet. Dahin zu gelangen wäre dann ein Problem für unsere Nachfahren in 1000 oder 10.000 Jahren.

  5. #5 Florian Freistetter
    27. August 2011

    @jermaine: Naja, Ideen zur interstellaren Raumfahrt gäbe es schon: https://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2010/05/projekt-icarus-konnen-wir-zu-einem-anderen-stern-fliegen.php Aber so schnell wird das wohl nicht passieren.

  6. #6 noch´n Leser
    27. August 2011

    würde man (könnte man dorthin) eigentlich etwas davon merken, das der Exoplanet in nur 54 Tagen um seinen Stern rast?

  7. #7 Wurgl
    27. August 2011

    Florian, dass der Felsbrocken ca. 36 Lichtjahre entfernt ist (siehe engl. Wikipedia), hast du nicht erwähnt.

    Ist jedenfalls zu weit weg um eine Unterhaltung mit möglichen Kerlen dort zu führen, ein Monolog ging — wenn es sie denn gäbe.

    Irgendwie ist das megafrustrierend, dieser Planet ist so nahe und doch viel zu weit weg. Ich glaub ich trink jetzt noch ein Frustbier.

  8. #8 mr_mad_man
    27. August 2011

    Irgendwann werden wir dann auch direkt sein Licht analysieren können und feststellen, woraus seine Atmosphäre besteht.

    Wäre man prinzipiell schon in der Lage ein entsprechendes Teleskop zu bauen, oder fehlt es noch an der “Idee” was man überhaupt bauen müsste?

    @noch´n Leser:

    würde man (könnte man dorthin) eigentlich etwas davon merken, das der Exoplanet in nur 54 Tagen um seinen Stern rast?

    Na klar, man müsste alle Nase lang Raketen und Böller für Silvester kaufen 🙂

  9. #9 Alderamin
    27. August 2011

    @mr_mad_man

    Irgendwann werden wir dann auch direkt sein Licht analysieren können und feststellen, woraus seine Atmosphäre besteht.
    Wäre man prinzipiell schon in der Lage ein entsprechendes Teleskop zu bauen, oder fehlt es noch an der “Idee” was man überhaupt bauen müsste?

    Terrestrial Planet Finder. Leider erstmal wegen Geldmangel gestrichen.

  10. #10 Florian Freistetter
    27. August 2011

    @noch’n Leser: “würde man (könnte man dorthin) eigentlich etwas davon merken, das der Exoplanet in nur 54 Tagen um seinen Stern rast? “

    Naja, es gäbe keinen “Fahrtwind” oder so 😉 Aber das Jahr und etwaige Jahreszeiten wäre halt nur 54 Tage lang.

  11. #11 TheBug
    27. August 2011

    @FF: Jahreszeiten dürften wohl ausfallen, dafür wird die Atmosphäre zu träge reagieren. Es dürfte wohl eher ein halbwegs zyklisches Wettergeschehen rauskommen.

    “Fahrtwind” könnte aber durch Corioliskraft zumindest als Klimafaktor auftreten, oder?

  12. #12 noch´n Leser
    27. August 2011

    Das man keinen “Fahrtwind” spürt, hätte ich jetzt NICHT gedacht 🙂
    Ich dachte an irgendwelche anderen Auswirkungen wie Wetter oder sowas.
    Bei 54 Tagen Umlaufzeit ist der ja recht schnell unterwegs.
    @Alderamin: immer wieder “schön” zu lesen von Budgetkürzungen bei sowas,
    um das Geld woanders zu verbraten…schade irgendwie.

  13. #13 noch´n Leser
    27. August 2011

    Das man keinen “Fahrtwind” spürt, hätte ich jetzt NICHT gedacht 🙂
    Ich dachte an irgendwelche anderen Auswirkungen wie Wetter oder sowas.
    Bei 54 Tagen Umlaufzeit ist der ja recht schnell unterwegs.
    @Alderamin: immer wieder “schön” zu lesen von Budgetkürzungen bei sowas,
    um das Geld woanders zu verbraten…schade irgendwie.

  14. #14 Johannes
    28. August 2011

    Ist es eigentlich prinzipiell möglich Exoplanete zu finden, auf dessen Sonnensystem man von der Erde quasi von oben draufschaut? Also das der Planet aus unserer Sicht gar nicht an der Sonne vorbei zieht, sondern drumherum.
    Denn ich würde einfach mal davon ausgehen, dass nur die wenigsten Systeme direkt von der Seite zu sehen sind.?

  15. #15 Roland
    28. August 2011

    “Fahrtwind” und Corioliskraft wegen der Kürze des Jahres? Wie denn das? Da würde sich doch allenfalls eine hohe Rotationsgeschwindigkeit um die eigene Achse auswirken.
    Für Jahreszeiten käme es darauf an, ob die Achse schräg steht zur Umlaufebene, nicht auf die Dauer des Umlaufs, es sei denn der Stern dort ist auf der einen Seite heller als auf der anderen, was ungewöhnlich wäre.

  16. #16 novh´n Leser
    28. August 2011

    Ich bin weder Astronom noch Astrophysiker oder ähnliches.
    Daher kommt meine Frage nach Auswirkungen a la “Fahrtwind” vieleicht etwas dümmlich rüber. Mir fiel auf die Schnelle aber auch kein anderes Wort ein 🙁
    Ich meinte eigentlich Auswirkungen aller Art, alleine schon durch seine Nähe zum Stern,
    die (für mich als Laien) unglaublich schnelle Umlaufzeit, und wahrscheinlich auch noch Eigenrotation. Auch wenn der Stern kleiner und kühler als unsere Sonne ist,
    hätte ich jetzt gedacht, das der Planet irgendwelchen grossen Kräften ausgeliefert ist,
    die -was weiss ich- permanente Erdbeben oder gewaltige Stürme oder…oder…zur Folge hat.
    Nix für ungut, bin wie gesagt kein Fachmann, nur interessierter Leser.

  17. #17 Florian Freistetter
    28. August 2011

    @Johannes: “Ist es eigentlich prinzipiell möglich Exoplanete zu finden, auf dessen Sonnensystem man von der Erde quasi von oben draufschaut? “

    Ja, das ginge zum Beispiel mit der Astrometrie-Methode. Denn der Stern wackelt ja nicht nur vor/zurück entlang der Sichtlinie sondern auch “links/rechts”. Man muss also nur die Position des Sterns ganz genau messen, dann sehe ich auch von oben wie er ein bisschen hin und her wackelt.

  18. #18 olf
    28. August 2011

    Wartet nur. Bald kommt die Schlagzeile “Dritte Erde entdeckt !”

  19. #19 Alderamin
    28. August 2011

    @Florian

    Ja, das ginge zum Beispiel mit der Astrometrie-Methode. Denn der Stern wackelt ja nicht nur vor/zurück entlang der Sichtlinie sondern auch “links/rechts”. Man muss also nur die Position des Sterns ganz genau messen, dann sehe ich auch von oben wie er ein bisschen hin und her wackelt.

    Wobei der Planet dann schon einen signifikanten Teil der Sternenmasse haben müsste, denn letzterer müsste sich ja messbar verschieben, da hilft dann keine Dopplermessung. Ich glaube, auf diese Weise wurde noch kein Planet gefunden, obwohl Barnards Pfeilstern mal ein Kandidat war. Bei der üblichen Dopplermethode misst man ja nur die Geschwindigkeit des Sterns aufgrund der Bewegung, nicht die Bewegung selbst, und die Methode ist – bei noch hinreichend hellen Sternen – weitgehend unabhängig von der Entfernung, während die Messung einer echen Verschiebung mit zunehmender Entfernung immer schwerer wird, da der Winkel der Verschiebung immer kleiner wird.

  20. #20 Alderamin
    28. August 2011

    @noch´n Leser

    Ich meinte eigentlich Auswirkungen aller Art, alleine schon durch seine Nähe zum Stern,
    die (für mich als Laien) unglaublich schnelle Umlaufzeit, und wahrscheinlich auch noch Eigenrotation. Auch wenn der Stern kleiner und kühler als unsere Sonne ist,
    hätte ich jetzt gedacht, das der Planet irgendwelchen grossen Kräften ausgeliefert ist,
    die -was weiss ich- permanente Erdbeben oder gewaltige Stürme oder…oder…zur Folge hat.

    Die Umlaufzeit alleine wird keinen großen Unterschied machen. Die Nähe zum Stern könnte jedoch Auswirkungen haben.

    1) gebundene Rotation – wenn ein Planet seinem Stern sehr nahe ist, dann zwingt letzterer ihn durch Gezeitenkräfte in verhältnismäßig kurzer Zeit, ihm stets die gleiche Seite zuzuwenden. Damit heizte sich eine Seite stark auf und die andere wäre in ewiger Nacht. Ich hab’ mal von Studien gehört, dass eine gar nicht mal so dichte Atmosphäre reichen würde, den Temperaturunterschied auszugleichen. Dann wehte natürlich ein kräftiger Wind von der Nacht- zur Tagesseite. Da der Stern mit Spektralklasse K etwas leichter als die Sonne sein wird und der Planet ihm etwas näher als Merkur steht (der zwar nicht gebunden rotiert, aber in einer Spin-Bahn-Resonanz) wäre eine gebundene Rotation oder eine Spin-Bahn-Resonanz denkbar. Letztere würde ein sehr langsame Rotation verursachen, die ähnliche Effekte wie eine gebundene Rotation hätte.

    2) Gezeitenkräfte: Wenn der Planet keine gebundene Rotation hätte, dann würden dort recht große Gezeitenkräfte herrschen. Der Effekt der Sonne auf die Gezeiten der Erde ist etwa die Hälfte der Gezeitenkraft des Mondes. Umgerechnet auf einen Stern von 0.75 Sonnenmassen und einem Abstand von 0,39 AE komme ich auf etwa 2,3-fach höhere Gezeiten, als bei uns durch den Mond verursacht. Da der Planet mit 3,6 Erdmassen bei gleicher Dichte 50% mehr Durchmesser hätte, wären die Gezeiten nochmal um 1,5-fach höher, also etwa 3,5-mal so hoch wie die des Mondes. Die Gezeitenkraft des Mondes hebt das Meer im Mittel um 30 cm, bei dem betreffenden Planeten wäre es 1 m. Klingt nicht so dramatisch. Gäbe es Flachwassergebiete mit sich verschmälernden Buchten, dann könnten dort natürlich wie auf der Erde sehr viel höhere Gezeiten auftreten. Aber die Natur würde sich damit arrangieren.

    3) Flares und Sonnenstürme: Bei einem sehr viel geringeren Abstand zum Hauptstern wäre die Belastung durch UV-Strahlung und geladene Teilchen etwa 6,5-mal höher als auf der Erde. Das scheint mir jedoch noch kein großes Problem für die Entwicklung von Leben zu sein.

    4) Trefferwahrscheinlichkeit von Kometen: näher am Zentralkörper eines Sonnensystems ist es auch wahrscheinlicher, von Kometen getroffen zu werden; sehr viele Kometen fliegen dicht an der Sonne vorbei (sogen. Sungrazer), weil sie aus der Oortschen Wolke mit nur geringer Vorwärtsbewegung zur Sonne hin fallen und ihre Bahnellipsen entsprechend sehr schmal sind. Bei nur einem Drittel des Sonnenabstands wie die Erde dürfte der Planet auch öfters von Kometen getroffen werden (wobei ich nicht sagen kann, um wieviel öfter). Das könnte ihn einerseits mit sehr viel Wasser versorgen. Andererseits könnten Einschläge entstandenes Leben wieder vernichten. Es kommt natürlich auch daruaf an, wie viele Kometen diesen Stern umkreisen. Da kann man nur spekulieren.

  21. #21 noch´n Leser
    28. August 2011

    @Alderamin: Danke für die ausführliche Erklärung!
    Auch wenn es dort vieleicht nicht ganz so dramatisch zugeht wie ich mir vorgestellt hab:
    ein gemütliches Plätzchen stell ich mir anders vor…
    Aber für die Wissenschaft sicherlich ein grosses Ereignis,
    endlich mal einen Planeten zu finden der kein Gasriese wie Jupiter ist.
    @Florian: Super Blog!

  22. #22 Christian 2
    28. August 2011

    Bei der Größe des Planeten muss man sehen, das wohl auch die Atmosphäre relativ dicht ist, was diesen wahrscheinlich für einen Venuskandidaten macht. Auf der Erde funktioniert das Klima u.a. so gut, da hier den größte Teil der einstrahlenden Sonnenenergie aufgrund einer relativ dünnen Atmosphäre zügig wieder ins Weltall entweicht.
    Vor allem nach sternklaren Nächten merkt man diesen Effekt, bei der die zugeführte Energie am Tag praktisch über Nacht wieder verschwindet.

    Auf der Venus sieht man das dieses nicht der Fall ist, wenn die Atmosphäre dichter ist, deren Zusammensetzung von der auf der Erde abweicht und der Planet im inneren Bereich der Lebenszone den Stern umkreist.

    Abweichungen in der Atmosphärenzusammensetzung lassen einen Planeten also schnell dauerhaft zur Gluthölle werden. Sie können aber auch den gegenteiligen Effekt haben, und weit draußen gelegene Planeten am Rande der Lebenszone zumindest zeitweise bewohnbar halten.
    Übrigens verfügt die Erde ebenfalls nur über eine zeitlich begrenzte Bewohnbarkeit. Wie sich die atmosphärische Zusammensetzung in 200 Mio. Jahren ändern wird, ist noch völlig offen. Vielleicht ist sie dann wieder ein Eisplanet wie vor 600 Mio Jahren, als die gesamte Erde von Eis bedeckt war. Oder ein Wüstenplanet. Oder weiterhin ein Paradies.

  23. #23 stillerleser
    28. August 2011

    Ist es eigentlich prinzipiell möglich Exoplanete zu finden, auf dessen Sonnensystem man von der Erde quasi von oben draufschaut? Also das der Planet aus unserer Sicht gar nicht an der Sonne vorbei zieht, sondern drumherum.

    Ja, das ist möglich. Die wenigen Planeten die man bisher visuell hat abbilden können gehören teilweise zu dieser Klasse. Das größte bisher bekannte derartige System gehört dazu: Um den Stern HR8799 kreisen 4 Gasriesen und wir schauen praktisch von oben drauf.

  24. #24 Wurgl
    28. August 2011

    @Alderamin:

    Dann wehte natürlich ein kräftiger Wind von der Nacht- zur Tagesseite.

    Am Boden ja (wohl ähnlich wie der auf- bzw. ablandige Wind an der Küste). In der Höhe dann in umgekehrter Richtung.

    Bei gebundener Rotation ist auf der sonnenabgewandten Seite kein pflanzliches Leben möglich und damit bricht die Nahrungskette zusammen. Die dunkle Seite des Planeten ist wohl weitgehend mausetot — abgesehen von Schwefelatmern und ähnlichen Nischenwesen.

    Im “Zentrum” der Tagseite ist wohl Wüste (wenn dort nicht zufällig ein Ozean ist). Bleibt wohl nur ein deutlich kleinerer Bereich für Leben.

    Problematischer sehe ich aber die Situation während der Abbremsphase der gebundenen Rotation. Kann sich die Vegetation schnell genug an die immer länger werdenden Nächte anpassen? Sprich eine Art Winterschlaf entwickeln?

    Und später, wenn die gebundene Rotation fast schon eingestellt hat, aber eben noch nicht ganz, dann gibts noch so nette Probleme. Zum Beispiel Bestäubung oder die Verteilung der Samen. Wenn in Bodennähe immer ein Wind Richtung Nachtseite weht, dann ist das für einen Keimling wohl keine so gute Ausgangslage. Für Bestäubung auch nicht, weil auf der Nachtseite nix zum bestäuben da ist. Fliegende Tiere hätten im Randbereich auch ein kleines Problem, die müssten immer gegen den Wind ankämpfen.

    Sieht meiner Meinung nach für höheres Leben nicht so toll aus, jedenfalls nicht für Leben wie hier auf der Erde.

  25. #25 Christian 2
    28. August 2011

    Nein- Aber gerade das macht es auch so interessant. Sich zu überlegen, wie Lebensformen sich an diese widrigen Bedingungen anpassen könnten. Dort wird sich nichts so wie auf der Erde entwickeln, das ist klar. Möglicherweise eben was völlig anderes.

  26. #26 mac
    29. August 2011

    Die Frage nach einer ‚zweiten Erde‘ sogar incl. ‚Auswanderungsphantasien‘ scheint ja vielen Menschen ziemlich nahe zu gehen.

    Was genau bedeutet es denn für solche Vorstellungen, wenn wir sogar sowas wie eine zweite Erde fänden?

    Wenn sie eine Sauerstoffatmosphäre trägt, vergleichbar mit der irdischen, dann hat sie eine eigene Biosphäre, das aber ist ein beinahe sichers KO-Kriterium für eine Besiedelung im oben genannten Sinne. Kohlenstoffbasiertes Leben verwendet Kohlenstoff für seine Kreislaufprozesse. Damit das möglich ist, muß es Kohlenstoffverbindungen (chemisch) knacken können, wenn es das kann, dann kann es das auch mit uns. Wir wären also entweder Futter, ‚Gift‘, oder inert, könnten also an den dort stattfindenden Kreisläufen nicht teilnehmen, was mindestens genau so ‚lebensfeindlich‘ wäre.

    Was genau bedeutet es, wenn wir einen geeigneten Planeten ohne Sauerstoff finden? Terraforming? Was kommt dabei raus? Irdische Lebewesen, die sich an nicht irdische Lebensbedingungen angepaßt haben. Die ‘vertragen’ sich nachher nicht mehr zwangläufig mit uns. Und dann? Siehe oben!

    Aber vor all diesen Problemen muß noch ein ganz anderes Problem gelöst werden. Vorher müßten wir ja erst mal hinkommen. Was würde denn das konkret bedeuten? Nun, zunächst mal eine Reisezeit in der Größenordnung hunderte, tausende, hunderttausende von Jahren.

    Also z.B. viele Genertationen lang in unserem Transportmittel überleben. Wie geht das? Ausprobieren! Wie? Z.B. im Erdnahen Weltraum Habitate bauen und feststellen, was nötig ist, um diese Habitate für viele Generationen aus sich selbst heraus funktionstüchtig zu halten, denn das muß mindestens funktionieren, sonst kommen wir erst gar nicht an.

    Das ‚Dilemma‘ dabei: Wenn wir das alles können, brauchen wir keine bewohnbaren Planeten mehr, ein großteil der existierenden Sonnensysteme genügt mit seinem ‚Baumaterial‘ allen Ansprüchen die wir dann noch mindestens stellen müssen.

    Herzliche Grüße

    MAC

  27. #27 Alderamin
    29. August 2011

    @Wurgl

    Am Boden ja (wohl ähnlich wie der auf- bzw. ablandige Wind an der Küste). In der Höhe dann in umgekehrter Richtung.

    Klar. Die Luft erwärmt sich auf der sonnenzugewandten Seite am Boden und steigt auf, während sie auf der sonnenabgewandten Seite abkühlt und absinkt. Das erzeugt mächtige Konvektionszellen, die die Luft von der Tag- zur Nachtseite und wieder zurück befördern.

    Bei gebundener Rotation ist auf der sonnenabgewandten Seite kein pflanzliches Leben möglich und damit bricht die Nahrungskette zusammen. Die dunkle Seite des Planeten ist wohl weitgehend mausetot — abgesehen von Schwefelatmern und ähnlichen Nischenwesen.

    Weitgehend agreed. Es sind natürlich auch Meeresströmungen vorstellbar, die Nahrung auf die dunkle Seite tragen. Man beachte, dass es auch unter dickem Packeis und in der Tiefsee Organismen auf der Erde gibt, die sich nicht von vulkanischen Quellen ernähren. Z.B. filternde Korallen in den tiefen norwegischen Fjorden.

    Problematischer sehe ich aber die Situation während der Abbremsphase der gebundenen Rotation. Kann sich die Vegetation schnell genug an die immer länger werdenden Nächte anpassen? Sprich eine Art Winterschlaf entwickeln?

    Möglicherweise kommt die Rotation recht schnell zum Ende und dann entwickelt sich das Leben erst danach und gleich entsprechend angepasst. Wenn die Rotation nur langsam endet, besteht wiederum genug Zeit für das Leben, sich anzupassen. Man denke daran, wie unsere Bäume im Winter die Blätter abwerfen. Es gibt auch eine Art von kleinen Zahnkarpfen, die nur einen Sommer lang leben, und deren Laich lange Phasen von Tockenheit überlebt. Bakterien und Pflanzensporen sind noch ungleich widerstandsfähiger.

    Und später, wenn die gebundene Rotation fast schon eingestellt hat, aber eben noch nicht ganz, dann gibts noch so nette Probleme. Zum Beispiel Bestäubung oder die Verteilung der Samen. Wenn in Bodennähe immer ein Wind Richtung Nachtseite weht, dann ist das für einen Keimling wohl keine so gute Ausgangslage. Für Bestäubung auch nicht, weil auf der Nachtseite nix zum bestäuben da ist. Fliegende Tiere hätten im Randbereich auch ein kleines Problem, die müssten immer gegen den Wind ankämpfen.

    Der Wind wird in Bodennähe eher zur Tagesseite wehen, weil dort die Luft aufsteigt. Ähnlich der Passatwinde auf der Erde, die zum Äquator hin wehen. Die Frage ist, ob sich bei dem permanenten Sturm überhaupt fliegende Insekten oder höhere Tiere entwickeln, und ob die Pflanzen sich nicht auf Windbestäubung beschränken können. Der Blütenstaub könnte die komplette Konvektionszelle durchlaufen und so auch in die Richtung entgegen dem Bodenwind gelangen. Landewächse müssten sich gut am Boden verankern und flach bleiben, fast wie Flechten. Da wird eine Pflanze kaum Samenkörner fallen lassen, sondern vielleicht ihren Nachwuchs selbst in den Boden einbringen, oder der haftet sehr gut an Felsen.

    Sieht meiner Meinung nach für höheres Leben nicht so toll aus, jedenfalls nicht für Leben wie hier auf der Erde.

    Das Leben auf der Erde ist optimal angepasst an diese, und auf einem fremden Planeten mit anderen Bedingungen wird es sich optimal denen anpassen. Solange nur die Grundvoraussetzungen erfüllt sind, damit es überhaupt entstehen kann und Zeit zur Entwicklung hat. Auf jeden Fall wird sehr viel Wasser nötig sein, und unter Wasser gedeiht das Leben sicherlich auch dann prima, wenn oben Stürme toben und die Sonne niemals untergeht.

    Bei einer leichten Achsneigung gäbe es übrigens an den Polen immer noch Bereiche, wo im Lauf des 59-Erdtage-Jahres die Sonne auf- und unterginge.

  28. #28 Wurgl
    29. August 2011

    @Alderamin

    Der Wind wird in Bodennähe eher zur Tagesseite wehen, weil dort die Luft aufsteigt.

    Argh! Ja. Natürlich 🙂 *selffacepalm*

    Eine Gefahr besteht aber noch. Wenn auf der Sonnenseite warme Luft aufsteigt, dann ist die sicherlich mit Wasserdampf gesättigt. Ein Teil wird natürlich abregnen, wenn diese Luft aufsteigt und dann Richtung Nachtseite wandert. Aber es wird etwas Feuchtigkeit bleiben und diese wird erst auf der Nachtseite runterkommen, wohl als Eis. Wenn sich das über einen langen Zeitraum sammelt, dann könnte der Planet unwuchtig werden und seine Drehachse ändern.

    Für höheres Leben sehe ich da nicht so tolle Aussichten.

  29. #29 mr_mad_man
    29. August 2011

    @Alderamin: Danke für die Antwort und den Link zum Terrestrial Planet Finder. Es ist natürlich schade, dass das am Geld scheitert, aber dass man technisch bereits so weit ist so etwas bauen zu können (und nicht erst erfinden zu müssen) finde ich schon sehr ermutigend.

    Ich finde es auch spannend wie sich die Kommentare entwickeln, wie man sich vorstellen kann unter welchen Bedingungen sich Leben wie entwickelt. wie die gebundene Rotation (musste ich natürlich erst mal nachschlagen) Leben beeinflusst.
    Auch wenn ich mich wiederhole: Super-Blog und jeder an Weltraum-Themen-Interessierte findet immer wieder was neues, was zum Nachdenken und Weiterlesen inspiriert 🙂

  30. #30 Tschervanky
    31. August 2011

    Was ich mich immer frage: Gehen die Astronomen der Einfachheit halber immer davon aus, dass die Sterne nur von einem Planeten umkreist werden oder können sie das am “Wackeln” des Sternes sehen? Oder schließen sie das über andere Methoden aus? Unsere Sonne wird ja schließlich auch von mehreren Planeten umkreist, es könnte demnach auch in anderen Systemen so sein.

  31. #31 Florian Freistetter
    31. August 2011

    @Tschervansky: “Unsere Sonne wird ja schließlich auch von mehreren Planeten umkreist, es könnte demnach auch in anderen Systemen so sein. “

    Man probiert immer verschiedene Modelle aus; auch welche mit mehreren Planeten. Man hat auch schon viele System mit mehreren Planeten entdeckt.

  32. #32 Alderamin
    31. August 2011

    @Tschervanky

    Man kann auch mehrere Planeten am “Wackeln” eines Sterns erkennen. Das Wackeln ist dann eine Überlagerung von Schwingungen. Mit Hilfe der Fourieranalyse lässt sich eine solche Überlagerung in ihre Einzelteile zerlegen. Aus Amplitude und Frequenz jeder Komponente kann man auf Entfernung und Masse des einzelnen Planeten schließen. Bisheriger Rekordhalter ist ein System mit 6 Planeten, das vom Satelliten Kepler gefunden wurde. Allerdings durch Transits, d.h. die Planeten wandern vor dem Stern vorbei und verdunkeln ihn ein wenig.

  33. #33 Tschervanky
    31. August 2011

    @Florian + @ Alderamin: Danke für die Antwort.

  34. #34 Alderamin
    7. Januar 2015

    Ha, wieder eine zweite Erde entdeckt. Jetzt aber… 😉

    Mehr von den neuen Keplerplaneten (und drei neuen “Erden”).