Ein Stern ist eigentlich relativ simpel. Es handelt sich um eine große Kugel aus Gas, die unter ihrem eigenen Gewicht zusammenfallen will. Gleichzeitig ist es in ihrem Inneren aber so heiß, dass dort Materie in Energie umgewandelt wird und diese so erzeugte Strahlung strebt nach außen. Dieser Strahlungsdruck wirkt der Gravitationskraft entgegen und der Stern bleibt stabil. Er fällt nicht in sich zusammen; explodiert aber auch nicht einfach. Diesen Zustand kann er Milliarden von Jahren beibehalten. In Wahrheit ist alles natürlich ein klein wenig komplizierter. Die Astronomen probieren seit Jahrzehnten genau zu verstehen, was im Inneren eines Sterns genau abläuft und wie die Energie aus dem Kern an die Oberfläche transportiert wird. Heute veröffentlichte Beobachtungen haben uns auf diesem Weg nun ein großes Stück voran gebracht.
Sternschwingungen
Wir Astronomen haben bei unserer Forschungsarbeit ja ein generelles Problem: Unsere Forschungsobjekte sind verdammt weit weg und wir können sie nicht anfassen. Wir können sie nur anschauen und müssen aus dem Licht das wir mit unseren Teleskopen auffangen alle Daten beziehen die wir benötigen. Glücklicherweise sind wir mittlerweile recht gut darin geworden, dem Licht die wesentlichen Informationen zu entziehen. Das gilt besonders für die Asteroseismologen. So wie die Geologen auf der Erde die Schwingungen ausnutzen die bei Erdbeben entstehen um Informationen über das Innere der Erde zu erhalten, können die Astronomen die Schwingungen eines Sterns verwenden, um herauszufinden was sich unter der sichtbaren Oberfläche abspielt. Und so ein Stern schwingt ständig! Er ist ja nichts anderes als eine große Kugel aus heißem Gas und immer in Bewegung. Ich habe dieses Thema schon mal in einem eigenen Artikel ausführlich beschrieben.
So wie die unterschiedlichen Schichten der Erde die Ausbreitung der Erdbebenwellen unterschiedliche beeinflussen, ändern sich auch die Schwingungen der Sterne je nach seiner Zusammensetzung und den Prozessen die sich in seinem Inneren abspielen. Den Stern ist nicht gleich Stern! Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal ist die Masse. Sie bestimmt, wie heiß es in seinem Inneren ist, wie lang ein Stern lebt und auf welche Weise er zu Tode kommt. Je massereicher er ist, desto größer der Druck auf den Kern des Sterns und desto heißer die Temperatur. Je heißer es ist, desto schneller verbrennt er sein Material und desto kürzer das Leben. Die Masse und die Temperatur spielt aber auch eine Rolle, wenn man verstehen will, wie ein Stern Energie von Innen nach Außen transportiert. Das kann auf zwei Arten geschehen: Einmal durch ganz klassische Strahlung (so wie z.B. die Sonnenstrahlung Energie auf die Erde transportiert). Die zweite Möglichkeit ist Konvektion. So wie im Kochtopf warmes Wasser nach oben steigt und kaltes nach unten absinkt und so Energie von unten nach oben transportiert, funktioniert es auch mit dem heißen Gas in einem Stern. Welcher der beiden Prozesse in einem Stern dominiert, hängt wieder von der Masse ab. Je heißer ein Stern ist, desto stärker ist die Strahlung und desto weiter kann er hier vom Kern aus die Energie auf diese Weise transportieren (In Wahrheit ist alles natürlich wieder komplizierter; es gibt verschiedene Arten wie ein Stern Energie erzeugen kann: Den CNO-Zyklus oder die Proton-Proton-Reaktion. Ersterer findet in massereicheren Sternen statt und führt dann auch dazu dass Konvektion schon im Kern auftreten kann). Kleinere und kühlere Sterne können dagegen auch schon mal fast völlig konvektiv sein. In unserer Sonne wird die Energie ungefähr 70 Prozent des Weges durch Strahlung transportiert. Die restlichen 30 Prozent bis zur Sonnenoberfläche legt sie dann durch Konvektion zurück. Der Vergleich mit dem brodelnden Wasser im Kochtopf von oben war also gar nicht mal so falsch: die Sonne kocht und brodelt tatsächlich und das kann man sogar sehen. Zum Beispiel in diesem Video, das die japanische Raumsonde HINODE aufgenommen hat:
Wer möchte, kann jetzt mal eben in die Küche gehen und einen Topf auf den Herd stellen. Und wenn es kocht, dann seht ihr nicht nur wie es brodelt, sondern ihr hört es auch. Genauso ist es auch auf der Sonne. Da ist nichts mit “Lautlos im Weltall” – auf der Sonne herrscht ein Höllenlärm und diese Schallwellen sind es auch, die die Sonne zum Schwingen bringen. Andere Sterne die schwerer sind als unsere Sonne schwingen und pulsieren ebenfalls. Hier ist es allerdings nicht das Brodeln, dass für die Schwingungen verantwortlich ist. Je größer ein Stern ist, desto kleiner ist der Bereich, in dem Konvektion stattfindet und ganz große Sterne sollten eigentlich gar keine konvektiven Zonen mehr haben sondern ihre Energie nur noch per Strahlung transportieren. Wo genau die Grenze liegt, ab der in Sternen keine Konvektion mehr stattfindet, weiß man aber noch nicht.
Delta-Scuti-Dampfmaschinen
Abhilfe könnte die Untersuchung einer ganz speziellen Gruppe von Sternen schaffen. Die Delta-Scuti-Sterne schwingen auch. Ein Kochtopf, so wie bei unserer Sonnen, ist hier aber nun der falsche Vergleich. Bei einem Delta-Scuti-Stern passt eine Dampfmaschine viel besser. Wenn Energie aus dem Kern eines Sternes nach außen strahlt, dann kann es das Gas aus dem der Stern besteht nicht ungehindert durchdringen. Wie “durchsichtig” ein Stern für die Strahlung aus seinem Inneren ist, wird mit der sogenannten “Opazität” angegeben. Es kann nun in bestimmten Bereichen eines Sterns vorkommen, dass die Opazität von der Temperatur abhängt. Wenn da zum Beispiel irgendwo Helium ist, dann können die hohen Temperaturen dafür sorgen, dass es ionisiert wird. Das bedeutet, es verliert seine Elektronen, die nun frei durch das Gas sausen können und dabei der Strahlung den Weg versperren. Die Opazität ist hier also stark. Wenn die Strahlung aber nicht durchkommt und die Energie nicht nach außen abgeleitet werden kann, dann wird es in dieser Schicht heißer. Irgendwann wird es allerdings zu heiß. Der Strahlungsdruck ist dann so groß, dass der Stern sich ausdehnt. Dadurch sinkt der Druck wieder, es wird kühler und die Atomkerne des Heliums können ihre (jetzt langsamer herumsausenden) Elektronen wieder einfangen. Jetzt ist der aufgestaute Strahlungsdruck abgebaut und der Stern beginnt ein klein wenig unter seinem eigenen Gewicht zusammenzufallen. Dadurch wird es wieder wärmer, das Helium wird erneut ionisiert, die Opazität und mit ihr der Strahlungsdruck steigt. Das ganze Spiel beginnt von neuem und ein Stern dieser Art wird daher ständig pulsieren. Das klappt natürlich nur, wenn die Schicht in der diese Vorgänge ablaufen nicht zu nahe an der Oberfläche des Sterns liegt. Dort ist das Gas nicht mehr dicht genug um vernünftig kontrahieren und ausreichend Druck ausüben zu können. Auch zu tief im Stern darf die Schicht nicht liegen denn dort wären die Temperaturen dann so groß, dass das Helium seine Elektronen nicht mehr einfangen kann. Dieser Kappa-Mechanismus (so genannt, weil Astronomen die Opazität normalerweise mit dem griechischen Buchstaben “Kappa” bezeichnen) kann also nur in einem eng begrenzten Temperatur- und damit auch Massenbereich stattfinden.
Passenderweise ist das bei den Delta-Scuti-Sternen auch in etwa der Massenbereich, in dem ein Stern die Fähigkeit verliert, Energie durch Konvektion zu transportieren. Wenn man also diese bisher unbekannte Grenze genau bestimmen möchte, ist es keine schlechte Idee, sich die die Delta-Scuti-Sterne genauer anzusehen und zu messen, wie stark ihre Pulsationen sind und auf welche Art sie ablaufen. Bisherige Theorien zur inneren Struktur der Sterne legen nahe, dass Delta-Scuti-Sterne noch hinter dieser Grenze liegen. Es muss bei ihnen also noch eine letzte schmale Konvektionsschicht geben. Viele Forscher sind allerdings der Ansicht, dass diese Theorien falsch sind. Seit heute wissen wir ein bisschen mehr!
Kepler entdeckt nicht nur Planeten…
Nach all dem Gerede über schwingende Sterne werden sich manche vielleicht fragen: Alles schön und gut, aber: Wie bitte will man messen, ob ein Stern schwingt? Das sind doch nur kleine Lichtpunkte am Himmel! Richtig, aber wie ich schon sagte: Die Astronomen sind enorm gut darin, aus kleinen Lichtpunkten alle möglichen Informationen herauszukitzeln. Wenn ein Stern schwingt, dann bedeutet das, dass sich Teile seiner Oberfläche ein wenig auf uns zu und andere ein wenig von uns weg bewegen. Dieses kleine Wackeln kann man zwar nicht direkt sehen, aber wir können Dopplereffekt benutzen, um es trotzdem zu detektieren. Denn je nachdem ob sich die Lichtquelle die das Licht aussendet auf uns zu oder von uns weg bewegt, verändert sich die Position der Spektrallinien im Licht. Die Pulsationen des Sterns führen auch dazu, dass er ein wenig heller bzw. dunkler wird und auch das können wir messen. Am besten geht das natürlich mit einem Teleskop, dass sich im Weltraum befindet. Dort lassen sich die Helligkeitsschwankungen extrem genau vermessen werden und genau das macht seit einigen Jahren das NASA-Teleskop Kepler. Die meisten kennen Kepler wegen seiner Entdeckungen über Exoplaneten. Die sucht Kepler, in dem das Teleskop die Helligkeitsschwankungen von Sternen misst. Denn wenn ein Planet vor dem Stern vorüber zieht, dann wird er ein klein wenig dunkler. Asteroseismologen und Planetenjäger sind also an genau den gleichen Daten interessiert: Helligkeitsschwankungen von Sternen. Deswegen sind auch beide am Kepler-Projekt beteiligt und werten die Daten aus. Wissenschaftler unter der Leitung von Victoria Antoci von der Uni Wien (Disclaimer: Ich kenne sie persönlich und wir sind gut befreundet) haben das getan und dabei einen ganz besonderen Stern entdeckt.
Vichi hat einen Delta-Scuti-Stern untersucht der den schönen Namen HD 187547 trägt. Er ist an der Oberfläche 7500 Kelvin heiß und seine Helligkeit ändert sich alle paar dutzend Minuten, so wie das bei Delta-Scuti-Sternen der Fall ist. Durch eine ausführlich Analyse der Sternschwinungen konnten Vichi und ihre Kollegen nun zeigen, dass dieser Stern nicht nur die charakteristischen Schwingungen zeigt, die der Kappa-Mechanismus verursacht sondern auch, dass er eine dünne Konvektionszone haben muss, die Schwingungen erzeugt, wie sie auch unsere Sonne aufweist. Diese Zone macht nur ein Prozent des ganzen Sternradius aus, aber sie ist da!
Delta-Scuti-Sterne gehören also nicht zu den Sternen, die keine Konvektion mehr aufweisen und die zugrunde liegende Theorie ist korrekt. Normalerweise verwenden wir ja immer unsere eigene Sonne als Grundlage für die Theorien über den Aufbau und die Entwicklung der Sterne. Das ist nicht verwunderlich, immerhin ist es der einzige Stern, den wir wirklich gut im Blick haben und den wir aus nächster Nähe erforschen können. Aber die Sonne ist eben nur ein Sterntyp von vielen verschiedenen und es ist nicht gesagt, dass Theorien die aus ihren Eigenschaften abgeleitet worden sind auch für andere Sternarten gelten müssen. Wenn man nun also konkrete Ergebnisse über den Aufbau und das Innere von anderen, heißeren Sternen – wie HD 187547 einer ist – hat, dann kann man bessere und vernünftigere Modelle und Theorien basteln!
Stellare Astronomie ist cool!
Und? Wozu brauchen wir das? Muss es uns interessieren, was im Inneren von irgendwelchen fernen Sternen passiert? Es muss nicht, aber es sollte! Sterne sind fundamentale Bestandteile des Kosmos; zumindest aus menschlicher Sicht. Sterne haben in ihrem Inneren durch Kernfusion überhaupt erst die Elemente erzeugt, aus denen wir Menschen und unser Planet bestehen. Ohne Sternentstehung würden auch keine Planeten entstehen und ohne passenden Stern wäre es auf einem Planeten viel zu kalt für irgendwelche Lebewesen. Sterbende Sterne schleudern jede Menge neues Planetenbaumaterial ins All und regen die Entstehung neuer Sterne an. Sterne sind schlicht und einfach wichtig, wenn wir verstehen wollen, wie das Universum funktioniert! Aber selbst wenn jemand der (absurden) Meinung anhängen würde, dass Grundlagenforschung dieser Art sinnlos ist: Die Beschäftigung mit Sternen hat auch ganz konkrete Auswirkungen auf unser Leben hier auf der Erde. Sterne pulsieren nicht nur, sie sind auch aktiv. Und so ein Sonnensturm ist zwar kein Weltuntergang, kann aber durchaus jede Menge Technik (Satelliten, Pipelines, Stromleitungen) kaputt machen und die Kommunikation beeinträchtigen. Es wäre also äußerst wünschenswert, wenn wir die Sternaktivität gut verstehen würden oder sie sogar vorhersagen könnten. Die Aktivität der Sonne hängt nun aber massiv von den konvektiven Prozessen in ihrem Inneren ab. Wenn wir also die Sonnenaktivität verstehen wollen, müssen wir auch verstehen, wie Konvektion in Sternen funktioniert. Wir müssen also genau diese Art von Forschung durchführen, die hier gemacht wurde.
Natürlich ist es schwer, die Asteroseismologie oder allgemein die stellare Astronomie entsprechend zu vermitteln. Wenn es zum Beispiel um die Suche nach Exoplaneten geht, haben die Medien und die Öffentlichkeit wenig Probleme zu verstehen, worum es – zumindest grundsätzlich – geht und warum diese Art von Forschung interessant und wichtig ist. Wenn also mal wieder neue Forschungsergebnisse über die nächste zweite Erde veröffentlicht werden, ist es nicht schwer, diese Geschichten unter die Leute zu bringen. Aber wenn man einen Artikel mit dem Titel “The excitation of solar-like oscillations in a δ Sct star by efficient envelope convection“ publiziert, dann ist es schwer die Aufmerksamkeit der Medien zu erregen (selbst wenn die Arbeit in “Nature” steht). Natürlich sind hier nicht nur die Medien schuld. Manche Forschungsthemen sind eben in den Augen der Öffentlichkeit einfach nicht so sexy wie andere. Und die stellare Astronomie gehört da leider dazu. Gerade deshalb sollte man sich hier nicht nur auf die Medien verlassen sondern als Wissenschaftler auch selbst aktiv werden und seine Forschung in die Öffentlichkeit tragen. Die stellare Astronomie hat – wie wir ja gerade gesehen haben – jede Menge spannende Geschichten zu bieten. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, traut euch und erzählt sie uns!
P.S. Kepler hört übrigens nicht auf mit den Entdeckungen. Bleibt dran, demnächst gibt es eine neue coole Story
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