Demnächst werden zwei ausgediente Satelliten auf die Erde stürzen: Der “Upper Atmosphere Research Satellite (UARS)” der NASA und der deutsche Röntgensatellit ROSAT . Müssen wir uns deswegen Sorgen machen?
Naja – was diese konkreten Fälle angeht, muss man nicht allzu viel Angst haben. Dass Satelliten auf die Erde stürzen ist nicht wirklich außergewöhnlich. Das passiert quasi ständig. Denn die künstlichen Objekte befinden sich nicht im tiefen All sondern meistens nur ein paar hundert Kilometer von der Erdoberfläche entfernt. Dort gibt es zwar fast keine Erdatmosphäre mehr – aber eben nur fast. Ein bisschen was ist da immer noch und die entstehende Reibung bremst lässt die Satelliten an Höhe verlieren. Auch die ISS in 380 Kilometern Höhe verliert zwischen 50 und 150 Meter pro Tag und muss regelmäßig wieder angehoben werden damit sie nicht komplett abstürzt. Das gilt auch für die Satelliten und wenn die keinen Treibstoff mehr haben, dann lässt sich ihre Bahn nicht mehr korrigieren und sie sinken der Erde langsam aber sicher entgegen. 60 bis 80 Tonnen pro Jahr an Satellitenmaterial fallen vom Himmel, schätzt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Das meiste davon verglüht allerdings in der Atmosphäre und erreicht den Erdboden nicht.
Manchmal aber hat ein Satellit besonders kompakte Teile oder Teile, die aus besonders hitzebeständigen Material bestehen. Die können dann unter Umständen tatsächlich den Erdboden erreichen. UARS ist so ein Fall. Der Satellit wurde 1991 ins All geschickt; sein Ziel war es, die Erde zu beobachten. Er sollte die oberen Schichten der Atmosphäre untersuchen, zum Beispiel die Ozonschicht und herausfinden, wie sie sich unter dem Einfluss der Menschen verändert. Das hat er auch getan – aber irgendwann ist jeder Satellit am Ende. Der Treibstoff ist alle, der Sonnenwind und die kosmische Strahlung haben die Instrumente ruiniert und dann hat sich der Satellit zu einem Stück Weltraummüll gewandelt. Der wird langsam wirklich zum Problem, hauptsächlich deswegen, weil in bestimmten Regionen bald kein Platz mehr ist für neue Satelliten und die Chancen steigen, dass intakte Geräte mit Weltraummüll zusammenstoßen und zerstört werden. Der erdnahe Müll macht normalerweise weniger Probleme, früher oder später verglüht er sowieso in der Atmosphäre. UARS hat nun aber ein paar Teile, die aller Wahrscheinlichkeit nach nicht verglühen werden. Die NASA-Techniker haben berechnet, dass 26 Trümmer den Eintritt in die Atmosphäre überleben werden. Das größte davon wird 158 Kilogramm wiegen, vier weitere haben ein Gewicht von 60, 45, 25 und 27 Kilogramm (der Rest weniger als 5 Kilogramm). Das klingt jetzt erst mal nicht soooo gefährlich und ist es auch nicht. Die Chancen, dass irgendein Mensch auf der Erde durch die Trümmer zu Schaden kommt, liegt bei 0.03 Prozent. Oder anders gesagt: mit einer Wahrscheinlichkeit von 99.97 Prozent passiert überhaupt nichts. Die Trümmer werden ins Meer fallen oder auf unbewohnte Gebiete. Auch wenn mittlerweile über 7 Milliarden Menschen auf der Erde wohnen, ist der Großteil ihrer Oberfläche immer noch menschenleer.
Deswegen sind auch Schlagzeilen wie “NASA-Satellit bedroht Moskau” nicht sonderlich sinnvoll. Exakt vorhersagen, wann er so tief in die Atmosphäre eingedrungen ist, dass er auseinanderbricht, ist nicht möglich. Man weiß momentan nur, dass es vermutlich am 24. September der Fall sein wird; vielleicht einen Tag früher oder später. Die Bahn von UARS ist um 57 Grad gegenüber dem Äquator der Erde geneigt. Das bedeutet, dass er auch nur auf Gebiete stürzen kann, die zwischen 57 Grad nördlicher und 57 Grad südlicher Breite liegen. Mit 55 Grad nördlicher Breite liegt Moskau zwar tatsächlich im möglichen Zielgebiet – aber auch mehr oder weniger der ganze Rest der Welt. UARS umkreist die komplette Erde alle 96 Minuten einmal. Erst wenige Stunden vor dem eigentlichen Wiedereintritt könnte man also sagen, wo es passieren wird. Aber wie gesagt: es besteht nicht wirklich Grund, jetzt Angst zu haben. Zu 99.97 Prozent wird nichts passieren.
Das gilt auch für den deutschen Satellit ROSAT. Der wurde 1990 ins All geschickt und hat 9 Jahre lang durchgehalten. Irgendwann im Oktober wird er voraussichtlich auf die Erde fallen und dabei vermutlich nicht vollständig verglühen. Die Wahrscheinlichkeit, dass hier ein Mensch durch Trümmerteile zu Schaden kommt, ist höher als bei UARS. Allerdings nicht viel. Die Chance, dass niemanden etwas passiert liegt bei 99.95 Prozent.
Die bevorstehenden Satellitenabstürze sind also kein Grund zur Panik. Sie weisen aber eindrucksvoll auf das Problem des Weltraummülls hin. Um dessen Lösung werden wir uns nicht drücken können, wenn wir weiter Raumfahrt betreiben wollen (und sie aufzugeben können wir uns nicht unbedingt leisten). Die Wissenschaftler machen sich ja schon länger Gedanken darüber. Aber den Schrott im All einzusammeln ist leider nicht so einfach wie den Dreck auf der Straße zu entfernen. Außerdem ist die extraterrestrische Müllentsorgung teuer. Man muss genauso viel Zeit und Geld investieren wie in eine normale Weltraummission nur dass man am Ende nichts gewonnen sondern nur ein wenig Müll entfernt hat. Viele Satelliten werden mittlerweile auch am Ende ihrer Lebenszeit auf eine ausreichend hohe “Parkbahn” geschossen, wo sie niemanden mehr stören. Aber auch hier muss man wieder Treibstoff “verschwenden”, den man benutzen hätte können, um den Satelliten noch ein wenig länger zu betreiben und mit ihm noch ein wenig länger Geld zu verdienen (die meisten Satelliten im All fliegen dort ja zu kommerziellen Zwecken). Es gibt bis jetzt noch keine internationalen und allgemein verpflichtenden Richtlinien. Es steht den Nationen und Konzernen also weiterhin frei, den erdnahen Weltraum vollzumüllen…
Wer mehr über den Weltraumschrott lernen will, dem empfehle ich die Folge Nr. 7 des “Raumzeit”-Podcast bei dem Tim Pritlove mit Holger Krag vom ESA Space Debris Office das Thema in aller Ausführlichkeit bespricht. Wer bei UARS auf dem Laufenden bleiben will, soll regelmäßig auf der entsprechenden Seite der NASA vorbeischauen, dort gibt es immer aktuelle Updates – oder dem Twitteraccount von @UARS_Reentry folgen. Und auch das DLR hat eine eigene Seite zu ROSAT, sogar mit Video (das ich hier leider nicht einbinden kann).
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