Am Montag ist wieder Halloween und es wird Zeit für ein wenig gruslige Astronomie. Ich weiß, ich weiß – man darf Halloween nicht gut finden. Böses amerikanisches Kommerzfest dass die schönen alten europäischen Traditionen auslöscht und so. Aber natürlich sind das nur Vorurteile und falsche noch dazu. Halloween ist ein Fest mit einer langen Tradition und astronomischen Grundlagen. Also erlaube ich es mir einfach, dieses Fest gut zu finden und empfehle diesen “Leitfaden für die Nacht der Kinder” zur Lektüre für alle Halloween-Hasser 😉 Jetzt aber wieder zurück zur grusligen Astronomie. Es geht um Geister, Phantome und schwarze Universen.

Kirill Bronnikov und Vladimir Donsokoy haben einen Artikel in der Zeitschrift Gravitation and Cosmology veröffentlicht dessen Titel geradezu nach einer Verarbeitung in einem Halloween-Artikel schreit. Ihre Arbeit heißt “Black universes with trapped ghosts” und ich würde sie euch hier wirklich gerne vorstellen. Leider handelt es sich dabei um jene seltsamen Bereiche der modernen Kosmologie, bei denen ich regelmäßig aussteige 😉

Es geht aber definitiv um Astronomie und nicht um Spukgeschichten. Das “schwarze Universum” ist eine der Möglichkeiten, das Paradoxon der schwarzen Löcher aufzulösen. Ein schwarzes Loch ist ja nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine Singularität, also ein Punkt ohne jene Ausdehnung. Allen Wissenschaftler ist aber natürlich klar, dass das nicht wirklich so sein kann und das die Singularität nur ein Zeichen dafür ist, dass unsere Theorien noch nicht gut genug sind, um schwarze Löcher komplett zu beschreiben. Um das zu ändern bräuchte man eine Theorie, die Quantenmechanik und Gravitation gleichzeitig beschreibt und so etwas existiert noch nicht. Bis es soweit ist, haben die Wissenschaftler aber jede Menge Ideen, wie man mit den schwarzen Löchern umgehen kann. Eines davon ist das schwarze Universum. Sollte jemand in diesem Modell den Ereignishorizont eines schwarzen Loches überqueren, dann sieht er sich nicht einer Singularität gegenüber, sondern einem ganzen expandierenden Universum – eben dem schwarzen Universum. Das klappt aber nicht einfach so. Damit schwarze Universen existieren können, muss es eine bestimmte Art von Materie geben. Die Situation ist vergleichbar mit den Wurmlöchern, die ja ebenfalls spezielle Abarten von schwarzen Löchern sind, bei denen man hinter dem Ereignishorizont in andere Bereiche des Universums gelangen kann. Damit diese Wurmlöcher allerdings stabil bleiben, benötigen sie sogenannte exotische Materie mit negativer Energiedichte. Niemand hat bis jetzt diese Art von Materie nachweisen können und den Wissenschaftlern ist nicht mal klar, was das genau sein sollte. Vielleicht existiert diese exotische Materie aber tatsächlich und vielleicht ist sie für die dunkle Energie verantwortlich, also das, was die beschleunigte Ausdehnung des Universums verursacht. Diese Hypothese läuft unter dem Namen Phantomenergie. Bronnikov und Donsokoy untersuchen in ihrer Arbeit wie sich so eine Phantom- bzw Geistermaterie in schwarzen Löchern verhält und mehr kann ich dazu leider nicht sagen weil ich den Rest des Artikels nicht mehr verstanden habe. Sollte ich Experten unter den Lesern haben, können die vielleicht mit den Conclusions des Artikels etwas anfangen:

“It has been shown that a minimally coupled scalar field may change its nature from canonical to ghost in a smooth way without creating any space-time singularities. This feature, in particular, allows for construction of wormhole models (trapped-ghost wormholes) where the ghost is present in some restricted region around the throat (of arbitrary size) whereas in the weak-field region far from it the scalar has usual canonical properties. The same model has been modified here to construct another interesting type of configurations, black universes. It has also been found that, in the Einstein-scalar field system under study, a static, spherically symmetric configuration is inevitably a black universe if it is asymptotically flat, has a horizon, and the function r(u) grows linearly as u -> ± ∞. Though, all this can only happen if the scalar is of ghost nature at least in some part of space.”

Für die Leute denen es so geht wie mir und die keine Ahnung, worüber hier geredet wird, habe ich aber noch ein schönes Bild:

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Das ist SH2 136, ein interstellarer Nebel aus Gas- und Staub in einem Sternentstehungsgebiet. Die Winde der jungen Sterne geben dem Nebel seltsame Formen und das hier schaut doch gefangenen Geistern im dunklen Universum doch sehr ähnlich (auch wenn es nichts mit der kosmologischen Arbeit von Bronnikov und Donsokoy zu tun hat. Mehr gruslige Astronomiebilder gibts übrigens bei Phil Plait. Ich wünsch euch ein grusliges Wochenende!


K. A. Bronnikov, & E. V. Donskoy (2011). Black universes with trapped ghosts Grav. Cosmol. 17 (2), 176-180 (2011) arXiv: 1110.6030v1

Kommentare (48)

  1. #1 rolak
    29. Oktober 2011

    Hab es doch richtig geahnt, daß ich mich gestern mit dem Plait-link besser zurückhalte 😉

  2. #2 stromgeist
    29. Oktober 2011

    Ich verstehe auch nichts von dem Thema (jedenfalls nicht mehr als das übliche Halbwissen darüber hergibt), aber es ist natürlich immer sehr spannend über die Grenzen des Universums und des in ihm Denkbaren nachzudenken…
    Ich frage mich allerdings immer wieder, was moderne kosmologische Spekulationen von denen der mittelalterlichen Scholastik unterscheidet, außer dass dort die Möglichkeit und Notwendigkeit Gottes eine zentrale Rolle spielt und hier eben die Erfindung anderer Platzhalter für das Undenkbare. Nach und nach wurden und werden die unerklärlichen Ursachen durch “rationalere” Hypothesen ersetzt. Aber hältst Du die Erwartung einer Supertheorie (wie etwa Hawkins sie in Aussicht stellt), die alle bisherigen Theorien vereint und uns den Kosmos endgültig erklären wird, für realisitisch? Oder glaubst Du, dass solange der Mensch über den Kosmos nachdenkt, er es notwendig immer mit “Geistern” zu tun haben wird?

  3. #3 Bjoern
    29. Oktober 2011

    Sollte ich Experten unter den Lesern haben, können die vielleicht mit den Conclusions des Artikels etwas anfangen:

    Also, die Rechnungen im Artikeltext selbst möchte ich mir zwar nicht antun – aber die conclusions sind eigentlich ganz gut verständlich… 😉

  4. #4 Florian Freistetter
    29. Oktober 2011

    @stromgeist: “Aber hältst Du die Erwartung einer Supertheorie (wie etwa Hawkins sie in Aussicht stellt), die alle bisherigen Theorien vereint und uns den Kosmos endgültig erklären wird, für realisitisch? “

    Doch, das halte ich schon für realistisch. Es wäre schon ein wenig seltsam, wenn man zur Beschreibung des Universums zwei einander widersprechende Theorien (QT, RT) brauchen würde. Da muss es noch was besseres geben…

  5. #5 mr_mad_man
    29. Oktober 2011

    zurück zur grusligen Astronomie. Es geht um Geister

    hat bei mehr als ein Schmunzeln ausgelöst 😉 Dir auch ein grusliges Wochenende!

  6. #6 Ralf Muschall
    29. Oktober 2011

    @Bjoern: Das gruslige ist eigentlich Gleichung 1, wo sie manuell einen Faktor h(φ) vor die kinetische Energie setzen, *damit* die negativ werden kann. Der Rest der Arbeit sucht nur noch eine Funktion h, mit der das gewünschte rauskommt (zum Nachrechnen bin ich auch zu faul).

  7. #7 stromgeist
    29. Oktober 2011

    @Florian Es wäre schon ein wenig seltsam, wenn man zur Beschreibung des Universums zwei einander widersprechende Theorien (QT, RT) brauchen würde. Da muss es noch was besseres geben…

    Das wäre natürlich wünschenswert. Aber was veranlasst uns zu der Annahme, dass der Wunsch realistisch ist? Zum einen natürlich die Forderung der Wissenschaft selbst: Es darf keinen Widerspruch, es muss eine Lösung geben. Manche Dinge scheinen allerdings nicht beweisbar zu sein (s. Gödels Unvollständigkeitssatz). Wollte man aber mit Gödel daraus folgern, dass Beweisbarkeit kein Kriterium der Wahrheit ist, dann stützt man sein Vertrauen in die Rationalität der Welt und der Vernunft auf eine selbst nicht mehr (im wissenschaftlichen Sinne) rationale Grundlage. Das ist nicht weiter schlimm (nur eben menschlich), spricht aber eher dafür, eher von einer Hoffnung, als von einer realistischen Erwartung zu sprechen. Oder noch einmal als Frage umformuliert: Kann kosmologische Theorie mehr sein als eine mehr oder weniger gut gesetzte Wette, deren Ausgang stets unbekannt bleibt?

  8. #8 anon
    29. Oktober 2011

    Es ist schon bemerkenswert wie hier versucht wird das Universum und seine Phänomene zu erklären. Einerseits versucht man krampfhaft beim Materialismus zu bleiben, kommt aber andererseits nicht drumherum irgendwelche Geister zu erwähnen. Der Menschliche Verstand sträubt sich gegen eine rein materialistische Erklärung. Wie soll den eine Information, die ja zwingend erforderlich ist, überhaupt von alleine Entstehen?

  9. #9 Florian Freistetter
    29. Oktober 2011

    @anon: “kommt aber andererseits nicht drumherum irgendwelche Geister zu erwähnen”

    Du weisst aber schon, dass hier keine echten Geister gemeint sind…

  10. #10 tom
    29. Oktober 2011

    Zu den gefangenen Geistern gibt es noch einen netten Satz in der Conclusion von Class. Quantum Grav. 27, 095022 (Reference 11 in diesem Paper), https://arxiv.org/abs/1001.3511

    ‘One can speculate that if such ghosts do exist in Nature, they are all confined to strong-field regions (“all genies are sitting in their bottles”),[…]’

  11. #11 anon
    29. Oktober 2011

    @Florian: Ja, Natürlich… ich meinte das im Allgemeinen.

  12. #12 Boron
    29. Oktober 2011

    @anon: “kommt aber andererseits nicht drumherum irgendwelche Geister zu erwähnen”

    Du weisst aber schon, dass hier keine echten Geister gemeint sind…

    Vielleicht sollten Wissenschaftler ihre theoretischen Phänomene tatsächlich nicht mit esoterisch präokkupierten Termini bezeichnen. Man gibt den Wissenschaftsfeinden nur unnötig Nahrung. Andererseits, was stört es eine Eiche…

  13. #13 Bjoern
    29. Oktober 2011

    @anon:

    Wie soll den eine Information, die ja zwingend erforderlich ist, überhaupt von alleine Entstehen?

    Um diese Frage zu beantworten, solltest du vielleicht erst mal genau definieren, was “Information” hier überhaupt heißen soll… (für gängige Definitionen von “Information” gibt es jeweils mehr als genug Beispiele, die zeigen, wie Information “von alleine”, nur durch natürliche Prozesse, entstehen kann – beispielsweise erhöht sich die Information in einem Genom durch Genduplikationen)

  14. #14 Bjoern
    29. Oktober 2011

    @stromgeist:

    Aber hältst Du die Erwartung einer Supertheorie (wie etwa Hawkins sie in Aussicht stellt), die alle bisherigen Theorien vereint und uns den Kosmos endgültig erklären wird, für realisitisch?

    Die Geschichte der Physik ist eine Geschichte der Vereinheitlichung von Theorien (prominentes Beispiel ist die Vereinheitlichung von Elektrizität, Magnetismus und Optik im Elektromagnetismus, aber es gibt noch jede Menge andere Beispiele dafür). Im Laufe der Zeit wurden die fundamentalen Theorien immer weniger, immer mehr Theorien wurden zu umfassenderen Theorien vereinheitlicht. Deshalb ist die Erwartung, dass es tatsächlich eine “Theorie von allem” gibt, die letztlich wirklich alle Theorien vereinigt, IMO durchaus realistisch.

  15. #15 stromgeist
    29. Oktober 2011

    @Bjoern: Im Laufe der Zeit wurden die fundamentalen Theorien immer weniger, immer mehr Theorien wurden zu umfassenderen Theorien vereinheitlicht. Deshalb ist die Erwartung, dass es tatsächlich eine “Theorie von allem” gibt, die letztlich wirklich alle Theorien vereinigt, IMO durchaus realistisch.

    Gut, das ist ein auf Erfahrung beruhendes Argument, d.h. ein induktiver Schluss nach der Form: (a) “Bisher konnten noch immer alle Theorien vereinheitlicht werden, also wird es auch in Zukunft möglich sein, alle Theorien weiter zu vereinheitlichen”. Zu der erschwünschten Schlussfolgerung (x) “Es wird eine Theorie geben, die einmal alles abschließend erklären wird” fehlt aber noch ein Schritt. Dieser besteht in der Prämisse (p): “Die Vereinheitlichung aller bisher gültigen Theorien bedeutet zugleich eine Theorie zu erlangen, die alles erklärt”.

    Abgesehen davon, dass sich mit der Induktion derart große wissenschaftstheoretische Probleme verbinden, dass sie nach Poppers kritischem Rationalismus (und im übrigen auch von Einstein) als eine zuverlässige Schlussform abgelehnt werden muss, so beruht sie in dem Fall doch auf der Voraussetzung, dass das, was “alles” ist, bereits feststeht. Die Wissenschaft hat ja nicht nur “alles” zunehmend einheitlich erklärt, sondern sie hat auch immerzu grotesktere Dinge entdeckt bzw. postuliert, die den Begriff von “alles” ständig erweitern – sei es nun im Kleinen (das “Gottesteilchen”) oder im Großen (“Multiversen”).

    Wie “realistisch” kann also die Erwartung sein, die sich auf eine Realität bezieht, in der sich “alles” ständig verändert?

  16. #16 BreitSide
    29. Oktober 2011

    @stromgeist: Du hast “Gottesteilchen” vorsichtigerweise in Gänsefüßchen gesetzt (nicht wirklich, echte Gänsefüßchen kann ich hier mW nicht erzeugen). Das ist auch gut so. MW spricht kein Physiker gerne von diesem Begriff, die mit dem Namen implizierte Bedeutung ist einfach viel zu groß. MW ist es einfach ein weiteres Teilchen, das wohl wieder Vorläufer wird zu einem weiteren Teilchen.

    Der Begriff lässt die Physik beim Laien aber sofort wieder ins Paranormale abdriften.

  17. #17 MartinB
    29. Oktober 2011

    Ja, das ist das Problem mit Physikern. Die haben oft einen etwas skurrilen Humor und sind zweitens mit Worten gern schlampig – Hauptsache die Gleichungen stimmen. Außerdem ist die Physik ziemlich trocken, da ist es schon ganz nett, wenn mal ein paar ungewöhnliche Begriffe auftreten, siehe zum Beispiel hier:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Pinguin-Diagramm

    Ein wichtiges Beispiel ist auch “Gott”, wenn einfach nur “Natur” gemeint ist (“Gott würfelt nicht”).

  18. #18 rolak
    29. Oktober 2011

    Aber ja doch, BreitSide:
        “TEST” oder ‘NOCHN TEST’
    oder auch die vorne-unten-Variante:
        „TEST” oder ‚NOCHN TEST’
    Näheres aus der Seitenquelle oder der Zeichenquelle.

  19. #19 stromgeist
    29. Oktober 2011

    Den skurrilen Humor gestehe ich den Physikern gern zu. Doch selbst wenn ich “Higgs-Boson” in meinen Satz eingesetzt hätte, würde das an meinem Argument nichts ändern, das nichts mit Paranormalen zu schaffen hat. Darin sehe ich nicht das eigentliche Problem, das BreitSide ja nur noch einmal wiederholt hat: “MW ist es einfach ein weiteres Teilchen, das wohl wieder Vorläufer wird zu einem weiteren Teilchen.” Das dann auch wieder nur ein Vorläufer sein wird von einem weiteren …

    Wie mit der “mikroskopischen Unendlichkeit” verhält es sich auch mit den “makroskopischen Grenzen”. Dabei ist es mir in dem Zusammenhang egal, ob man von “interpenetrating dimensions”, “parallel worlds” oder “bubble universes” spricht. Worum es mir geht ist: Selbst wenn es einmal eine Theorie geben soll, die alle bisherigen physikalischen Fundamentaltheorien vereinigt, wie könnte man sicherstellen, damit “alles” erklärt zu haben bzw. ausschließen, dass das Uni– bzw. Multiversum mit neuen (ob nun zu messenden oder zu postulierenden) Entitäten oder Phänomenen weiter bevölkert wird, die ihrerseits einer neuen Erklärung bedürften?

  20. #20 Wurgl
    29. Oktober 2011

    Das mit den Multiversen ist so eine Sache …

    Die sind nicht beweisbar, denn sie sind nicht beobachtbar. In dem Moment wo sie beobachtbar werden, werden sie zu einem Teil unseres Universums. Der Begriff Universum umfasst ja alles was es so gibt (bzw. was beobachtbar ist). Die bleiben also bis ans Ende der Zeit ein Gedankenmodell.

  21. #21 MartinB
    29. Oktober 2011

    @stromgeist
    Naja, trotz aller Parallel- und sonstigen Universen ist die Physik eine empirische Wissenschaft. Wenn man also eine Theorie hat, die alle bekannten Phänomene korrekt beschreibt, dann ist man zufrieden.
    Erklären tut man ja letztlich nicht, man beschreibt die Natur:
    https://www.scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2010/08/kann-die-physik-die-welt-erklaren.php

  22. #22 Florian Freistetter
    29. Oktober 2011

    @Wurgl: “Das mit den Multiversen ist so eine Sache … Die sind nicht beweisbar, denn sie sind nicht beobachtbar.”

    Naja, so ganz stimmt das auch nicht. Siehe z.B hier: https://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2011/07/der-kampf-um-die-seele-der-wissenschaft.php https://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2011/08/bestatigen-beobachtungen-das-inflationare-multiversum.php

  23. #23 Wurgl
    29. Oktober 2011

    Multiversen sagen gar nichts vorher, weil sie ALLES vorhersagen, meinen manche Kritiker. Wenn Parameter, wie die kosmologische Konstante in quasi unendlich vielen Universen unendlich viele verschiedene Werte haben kann…

    Saukontroverse Behauptung: Unter den unendlich vielen Universen gibt es sicherlich mindestens eines, in dem man die Nichtexistenz von Mulitiversen beweisen kann…

    Im aktuellen SdW ist ein Artikel zu dem Thema. Multiversen werden da eingeteilt, die einfachste Form ist jener Teil der außerhalb der beobachtbaren 43 Mrd Lichtjahre sind. Da kann man jetzt philosophieren ob das “echte” Multiversen sind oder nur nicht beobachtbare Teile dieses Universums.

  24. #24 stromgeist
    30. Oktober 2011

    Gut, man kann eine Theorie, wie @MartinB, auch als eine Beschreibung statt als eine Erklärung der Welt bezeichnen. Das klingt für einen Physiker sympathisch bescheiden, trifft meines Erachtens die Sache dennoch nicht ganz. Denn im Unterschied etwa zu den Beschreibungen der Welt durch einen Dichter, einen Propheten oder einen Philosophen unterscheidet sich doch eine (natur)wissenschaftliche Beschreibung von diesen dadurch, dass sie den Anspruch auf Vorhersagen erhebt und sich ihr Wert letztlich auch an der Einlösung dieses Anspruchs bemessen lassen muss. (Wobei Offenbarungsreligionen in der Hinsicht eine Ausnahme bilden, denn auch sie machen Voraussagen, die sich genau dann und nur dann als wahr erweisen, wenn die Prophezeiung eintrifft – was natürlich nicht heißt, dass religiöse und wissenschaftliche Voraussagen dasselbe wären). Was heißt es dann also: “Wenn man also eine Theorie hat, die alle bekannten Phänomene korrekt beschreibt, dann ist man zufrieden”?

    Gerade das Beispiel der Multiversen, wie es @Florian in den beiden verlinkten Artikeln diskutiert, zeigt ja, dass die Beschreibung aller bekannten beobachtbaren Phänomene unseres Universums möglicherweise nicht ohne die Annahme unbeobachtbarer Phänomene zu beschreiben ist. Letztlich hängt ja die Frage der makrokosmischen Unendlichkeit mit der mikrokosmischen zusammen. Solange man Mulitversen, Strings und all die Dinge, die unsere Vorstellungskraft letztlich sprengen, nicht mit Sicherheit ausschließen, und das heißt wissenschaftlich falsifizieren kann, muss doch auch eine “Weltformel”, die nur unser unendliches Universum beschreiben will, auch unbekannte Elemente und Phämonene immer mit berücksichtigen. (Vor allem dann, wenn sich Universen auch noch berühren oder berührt haben können!)

    Unter diesen Umständen sehe ich einfach nicht, wie man es für realistisch halten kann, dass es einmal eine alleserklärende bzw. -beschreibende Weltformel bzw. Supertheorie geben kann, die auch noch den Anspruch erheben müsste, alles voraussagen zu können!

  25. #25 MartinB
    30. Oktober 2011

    @stromgeist
    Zunächst mal: Das sind gute Fragen.
    Ich steige mal hier ein:
    “dass die Beschreibung aller bekannten beobachtbaren Phänomene unseres Universums möglicherweise nicht ohne die Annahme unbeobachtbarer Phänomene zu beschreiben ist.”
    Das ist völlig in Ordnung. Viele unserer physikalischen Theorien beruhen auf der Annahme von Phänomenen, die selbst nicht direkt beobachtbar sind – Wellenfunktionen in der Quantenmechanik zum Beispiel. So etwas wird durchaus als in Ordnung angesehen – genauso wie ich noch nie in Australien war und trotzdem davon ausgehe, dass es existiert, weil es genügend Hinweise auf Australiens Existenz gibt. Und ein Paläontologe geht davon aus, dass die Dinoknochen, die er findet, auch tatsächlich von Dinos stammen, weil das die einfachere Erklärung ist als anzunehmen, irgendwer habe die passend in die Felsen gesteckt. Obwohl noch nie einer einen Dino (von Vögeln mal abgesehen) gesehen hat.

    Was eine Weltformel natürlich nicht kann ist, beliebige unbekannte Dinge vorhersagen – die sind ja unbekannt. Du kannst mir ja auch keine Liste der Dinge aufstellen, von denen du noch nie gehört hast.

    “Unter diesen Umständen sehe ich einfach nicht, wie man es für realistisch halten kann, dass es einmal eine alleserklärende bzw. -beschreibende Weltformel bzw. Supertheorie geben kann, die auch noch den Anspruch erheben müsste, alles voraussagen zu können!”
    Physik ist immer die kühne Extrapolation. Wir beobachten, stellen Theorien auf, die die Beobachtungen möglichst kurz und prägnant beschreiben (dazu dürfen wir dann auch, siehe oben, Phänomene heranziehen, die nicht direkt beobachtbar sind.) Und dann wenden wir die Theorien auch in den Bereichen an, in denen sie noch nicht getestet sind, und machen Vorhersagen. Wenn alles stimmt, dann wird die Theorie dadurch sicherer und besser bestätigt, und wenn’s nicht passt, dann brauchen wir ne neue Theorie (die die alte umfasst).

    Das macht man übrigens im Alltag genauso: Wenn du jeden morgen mit dem Bus zur Arbeit fährst, dann hast due die (gut bestätigte) Theorie, dass der Bus sich einigermaßen an den Fahrplan hält. Wenn du irgendwann zum ersten mal abends oder nachts fährst, gehst du davon aus, dass er das immer noch tut. Diese Theorie überprüfst du dann – entweder sie passt, oder du fährst in Braunschweig Bus, wo die Busse abends auch gern mal 5 Minuten zu früh abfahren und du nur noch die Rücklichter siehst. Dann machst du eine neue, verbesserte Theorie, die die Tageszeit und die Verkehrslage berücksichtigt. Mit der kommst du wieder gut klar, bis du zum ersten mal Sonntag morgens fährst und überhaupt kein Bus kommt – bis du bemerkst, dass der Bus sonntags nur als Anruf-Bus fährt, wenn man vorher anruft. Sicher kannst du dir nie sein, aber realistisch ist es schon, dass du irgendwann verstehst, wie die Busfahrpläne genau funktionieren.

    Alle diese Fragen werden übrigens ganz hervorragend in einem Buch von Feynman diskutiert, das ich hier besprochen habe:
    https://www.scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2011/07/buchersommer-r-feynman-the-character-of-physical-law.php

  26. #26 stromgeist
    30. Oktober 2011

    @MartinB: Danke für die ausführliche Antwort, zu der ich noch folgendes anmerken bzw. erfragen möchte:

    Was eine Weltformel natürlich nicht kann ist, beliebige unbekannte Dinge vorhersagen – die sind ja unbekannt. Du kannst mir ja auch keine Liste der Dinge aufstellen, von denen du noch nie gehört hast.

    Das leuchtet ein, wirft aber die problematische Frage auf, ab wann wir die Liste der bekannten Dinge schließen können. Ich möchte das Problem auch einmal an einem Gleichnis entfalten.
    Stellen wir uns mal das Mittelmeer als unser Universum vor. Das Ziel der Wissenschaft wäre es dann, alles vollständig zu beschreiben, was im Mittelmeer passiert und vorkommen kann. Dazu gehören also alle physikalischen, chemischen und biologischen Ereignisse. Nehmen wir weiter an, diese seien so gut erforscht, dass wir aufgrund unserer Theorien ziemlich genau sagen können, was im Mittelmeer alles geschieht. Die Strömung des Wassers, die Stabilität seines ph-Wertes, die Populationsrate von Algen, Krebsen, Delphinen usw. Alle Aussagen unserer Theorien können sogar in einer einzigen Theorie zusammengefasst werden, die das Mittelmeer dann vollständig beschriebe. Wir hätten nun so etwas wie die “Weltformel des Mittelmeers” = unseres “Universums”.
    Wenn nun jemand käme, und sagte, es gebe einen roten Delphin im Mittelmeer, der Menschen frißt, dann würde das unserer Theorie widersprechen. Weder sind Delphine rot, noch fressen sie Menschen. Auf unser Verlangen nach einem Existenzbeweis für einen solchen Delphin bekommen wir gesagt, er sei eben nur sehr schwer nachweisbar, würde aber erklären, warum jedes Jahr Menschen im Mittelmeer spurlos verschwinden.
    Wie ließe sich diese Aussage nun widerlegen? Natürlich nur durch eine vollständige Inventur des Meeres. Bevor wir nicht alle Winkel durchforstest, alle Delphine gefangen und als normale Delphine identifiziert hätten, könnten wir nicht sicher sein, ob es nicht vielleicht doch einen roten Menschenfresserdelphin gibt.
    Weil eine solche Inventur in der Regel kein durchführbares Vorhaben ist, kann man auch sagen, die Aussage ist nicht falsifizierbar und überdies unwahrscheinlich. Deshalb sei die Existenzbehauptung eines roten Menschenfresserdelphins keine wissenschaftliche Aussage. Damit können wir unsere Meeresweltformel verteidigen. Das spurlose Verschwinden hat dann eben andere, wahrscheinlichere oder unwahrscheinlichere Gründe, die durch die Formel beschrieben und berechnet werden können, z.B. “beim Schnorcheln ertrunken”, “in einen Sturm geraten” etc.
    Nichtsdestrotz kann es sein, dass hin und wider Piraten durch den Suezkanal in das Mittelmeer eindringen, um Menschen im Mittelmeer zu fangen und sie als Sklaven an Kakaoplantagenbesitzer in Afrika zu verkaufen. Das Vorkommen der Piraten würde plötzlich die Liste der Dinge nur um eine Entität erweitern. Doch wären die Implikationen ihrer Existenz immens. Man wäre plötzlich gezwungen, den Begriff des Universums zu erweitern, um die Kakaoplantagen in Afrika mit einzuschließen. Während man dies tut, wäre man u.U. entdecken, dass der Kakao dann nach Amerika exportiert wird, um daraus Schokolade herzustellen, die wir dann wieder nach Europa verschifft wird. Der Begriff unseres Universums würde dadurch noch komplexer werden.
    Dadurch, dass die Erde rund ist, können wir irgendwann sagen, jetzt haben wir eine vollständige Beschreibung des Universums. Mehr als die bekannten Kontinente kann es nicht geben. Was unsere erweitete Weltformel nun beschreiben müsste, würde sich nur auf den vollständig kartographierten Erdball beziehen, auf den alle bisherigen Theorien ausgedehnt und angewendet werden können. Die Gewissheit, dass die Erde rund ist haben wir dabei durch zwei Formen der Evidenz erlangt. Einmal durch die Reise des Kolumbus, der bewiesen hat, dass man im irgendwann im Osten ankommt, wenn man nach Westen fährt. Und einmal durch den Flug ins All, durch den wir unser “Universum” von Außen als ein Objekt betrachten konnten.
    Das Gleichnis ist nun nicht ganz “wasserdicht” (sic!), das liegt in der Natur jedes Vergleichs. Denn das Universum ist nun einmal nicht dasselbe, wie ein Planet, den wir zum Objekt machen, d.h. “von Außen” betrachten können. Aber genau darin liegt ja das Problem. Außer den praktischen Schwierigkeiten eine vollständige Inventur der existierenden Dinge durchzuführen, mit der wir schon im Mittelmeer scheitern würden, wäre hier noch nicht einmal der Rahmen dessen bekannt, innerhalb dessen wir eine solche Inventur durchführen könnten. Wie ließe sich das Universum kartographieren?
    Daher würde ich also noch einmal die Frage stellen: Ab wann können wir sicher sein, dass die Liste der bekannten Dinge geschlossen werden kann?
    Wenn es nicht möglich ist, ein Kriterium dafür anzugeben, ab wann diese Liste zu schließen ist, wie könnte man folglich sicher sein, dass es so etwas wie eine Weltformel geben könnte?

    Daran anschließend würde ich auch noch kurz auf die zweite Bemerkung antworten. Das Beispiel mit dem Bus und meinen Alltagstheorien über seinen Fahrplan rekurriert wieder auf das Induktionsprinzip. Ich gehe von bestimmten Vorannahmen aus (den augehängten Fahrplan), beobachte dann das tatschliche Verhalten des Busses, modifiziere meine Vorannahmen und entwickle daraus Vorhersagen über die zukünftigen Abfahrtszeiten. Was meine Theorie aber nicht berücksichtigt, sind z.B. plötzliche Streiks, staatliche Kürzungen des öffentlichen Nahverkehrs, das Versiegen der Ölförderung oder der Bankrott der Beförderungsgesellschaft. Solche Ereignisse haben einen singulären Charakter, der aber das allgemeine Prinzip des beobachteten Weltverhaltens radikal ändert. Sie sind also so etwas wie die Piraten im Mittelmeer. Diess erfordert wieder eine größere Theorie. Wie aber kann diese Theorie sicher sein, dass sie nicht wieder von neuen Ereignisse überrascht wird, die alles in Frage stellen?

    Noch einmal also die Frage: Wodurch kann eine Theorie sicherstellen, dass alle ihre Prämissen stabil und die Liste der bekannten Dinge, die sie verbürgt, geschlossen ist?
    Wenn das prinzipiell nicht möglich ist (und das scheint mir so zu sein), dann kann es auch nie eine Weltformel geben, die ihren Namen verdient. Dass die Wissenschaft trotzdem danach strebt, sie zu finden, ist völlig in Ordnung. Dennoch würde ich bestreiten, dass die Erwartung, sie zu finden, realistisch ist. Ich würde sie einfach als eine Hoffnung beschreiben oder eben eine Wette, deren Ausgang stets unsicher bleibt.

  27. #27 Florian Freistetter
    30. Oktober 2011

    Immer wieder lustig ist die Meinung der Kirche zu Halloween 😉

    Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick ruft dazu auf, am 31. Oktober und 1. November nicht Halloweenpartys und -umzüge zu veranstalten, sondern diese Feiertage zu nutzen, um über den Sinn des Lebens nachzudenken. Der Spuk und Klamauk, die Geister- und Gespensterdarstellungen von Halloween schürten Ängste und zerstörten Sachwerte. Allerheiligen dagegen diene der Lebensfreude Quelle)

    Ja, echt jetzt. Die armen traumatisierten Kindern, die an diesem Tag in Kostümen rumlaufen und Süßigkeiten essen müssen! Für die wäre es viel besser, an diesem Tag zuhause zu bleiben und der Heiligen zu Gedenken. Deren Lebensgeschichten schüren auf keinen Fall Ängste! Ich empfehle natürlich die Geschichte des heiligen Florian:

    Florian wurden, so heißt es in Schriften, mit geschärften Eisen die Schulterblätter zerschlagen, anschließend sei der Sterbende mit einem Mühlstein um den Hals in der Enns ertränkt worden (Wiki)

    Aber natürlich eignet sich auch jede andere Märtyrergeschichte um die Lebensfreude zu zelebrieren. Ich verweise auf diese schöne Sammlung:

    „In den Städten von Pontus mußten die Martyrer schreckliche Qualen erleiden: einigen wurden mit angespitzten Rohren die Fingernägel herausgerissen; für andere wurde Blei geschmolzen, und als es glühend heiß war und kochte, wurde es dem Opfer über die Schultern geschüttet und die lebenswichtigen Teile des Körpers so verbrannt. Andere erlitten an ihren intimsten Gliedern und an den Eingeweiden widerwärtige Foltern, so grausam, daß sie sogar beim Zuhören unerträglich sind. Dies hatten sich die illustren Richter, die Hüter des Gesetzes, voller Eifer ausgedacht, und sie brachten ihre ganze Bosheit zum Vorschein, als wäre sie eine besondere Weisheit; sie wetteiferten miteinander darin, sich mit grausamen Erfindungen zu überbieten wie jemand, der um die Preise eines Wettkampfes streitet.

    Denn wie sagt der Herr Bischof:

    Allerheiligen erinnere an den Gott, der das Leben seiner Geschöpfe liebt.

  28. #28 MartinB
    30. Oktober 2011

    @stromgeist
    “Daher würde ich also noch einmal die Frage stellen: Ab wann können wir sicher sein, dass die Liste der bekannten Dinge geschlossen werden kann?”
    Niemals. Da gebe ich dir völlig recht, absolute Sicherheit gibt es in der Physik nicht. Wie sollten wir sicher sein können, dass die Dinge nicht morgen plötzlich nach oben fallen (oder vielleicht nur blaue Stoffelefanten)?

    Wir können nur unsere Theorien immer wieder auf Phänomene anwenden, die wir nicht herangezogen haben, um die Theorien aufzustellen, und unsere Sicherheit der Theorien immer weiter erhöhen.

    In deinem Mittelmeer-Beispiel gibt es ja schon einen Hinweis darauf, dass etwas fehlt (das Verschwinden von Leuten).

    Wenn es solche Hinweise nicht mehr gibt, dann haben wir eine “Weltformel” – eine Formel, die alles in unserer Welt beschreibt. Wenn morgen plötzlich die Grenzen zwischen den Universen aufbrechen und die Druuf aus dem roten Universum kommen, dann müssen wir die Weltformel wohl nochmal überdenken.

    Mehr kann mit Weltformel meiner Ansicht nach nie gemeint sein – trotzdem ist der Begriff korrekt, weil “Welt” eben nur alles umfasst, wovon wir (prinzipiell) Kenntnis haben.

  29. #29 MartinB
    30. Oktober 2011

    Nachtrag
    “Ab wann können wir sicher sein, dass die Liste der bekannten Dinge geschlossen werden kann?”
    Beim nochmal-Lesen ist die Liste der bekannten Dinge natürlich immer vollständig (alles, was bekannt ist, ist logischerweise bekannt). Aber das meintest du ja wohl so nicht…

  30. #30 Polygon
    30. Oktober 2011

    @stromgeist:
    Die Ideen fand ich sehr interessant. Von der Weltformel als Hoffnung zu sprechen, habe ich noch nie gehört, aber es klingt einleuchtend. Ich bin einfach immer davon ausgegangen, dass die Weltformel eine absolute Wahrheit beinhalten müsste, die frei wäre von den begrenzten Möglichkeiten des Menschen (die Grenzen erweitern wir zwar immer wieder, z.B. durch Mikroskope, um die anatomisch bedingten Grenzen des Auges zu überwinden, aber wir sind doch immer in einer Subjektivität gefangen. Alleine schon, weil wir Teil des Systems sind, das wir beschreiben wollen).
    Eine absolute Wahrheit wiederum erfordert Objektivität und könnte alles vorhersagen. Und gegen den Laplaceschen Dämon spricht ja so einiges.
    Vielleicht ist auch alles wie im Film Matrix. Dann ist eh alles egal 😉

  31. #31 stromgeist
    30. Oktober 2011

    @MartinB: Wenn es solche Hinweise nicht mehr gibt, dann haben wir eine “Weltformel” – eine Formel, die alles in unserer Welt beschreibt.
    Das wäre tatsächlich die Bedingung. Aber ausgehend von den bisherigen Erfahrungen der Menschheit/Wissenschaft mit der Welt ist das ja gerade das absolut Unwahrscheinliche. Hat Wissenschaft je das Unbekannte reduzieren können, ohne neue Unbekannten aufzuwerfen? Wir wissen zwar immer mehr über die Welt, aber zugleich vermehrt sich auch immer unser Unwissen über sie. Das induktive Fortschrittsargument lässt sich darum auch zum Beweis des Gegenteils anführen. Wir werden mit unserem Wissen immer auch das Wissen über unser Unwissen vergrößern. Das sehe ich nicht als Grund dafür, Wissenschaft als müßiges Unterfangen anzusehen, im Gegenteil, es wird deshalb (zum Glück) immer genug Gründe für das neues Staunen geben. Aber es ist ein Grund für einen berechtigten Zweifel daran, dass die Hoffnung auf eine Weltformel “realistisch” ist. Also würde ich auch Deinen “schwachen” Begriff der Weltformel, die nicht mehr meinen kann, als die vorübergehend-vollständige Übereinstimmung der Theorie mit allem, was man von der Welt weiß, als etwas ansehen, was zwar anzustreben sein mag, aber nie zu erreichen sein wird. Man könnte auch sagen, sie ist nichts weiter als eine nützliche Fiktion.

    @Polygon: Das Matrix-Argument ist natürlich immer sehr reizvoll, entspricht aber dem Problem des roten Delphins in meinem Gleichnis. Man kann die Theorie einer Total-Simulation weder verifizieren noch falsifizieren. Sie könnte daher nur eine Sache des Glaubens, nicht der Wissenschaft sein. Das andere Problem, das Du ansprichst, ist für die Wissenschaft weitaus schwerwiegender: Teil des Systems zu sein, das man beschreiben will. Ich würde nicht sagen, dass man dadurch immer in seiner Sujektivität gefangen bleibt, denn es ist ein höchst objektives Problem. Genauer gesagt, unterläuft es die Unterscheidung subjektiv-objektiv. Physikalisch drückt sich dies (wenn ich richtig sehe) in der Heisenbergschen Unschärferelation aus – lasse mich da aber auch gern eines besseren belehren.

    @Florian: Ich habe mich kurz gefragt, ob Dein Kommentar sich vielleicht versehentlich hierher verirrt hat, daber dann erinnerte ich mich wieder: Der Anlass Deines Beitrags war ja Halloween. 😉 Das Schicksal Deines heiligen Namensvetters hat mich jedenfalls betroffen gemacht. Das Verhältnis von Grausamkeit und Religion ist, vor allem im Christentum, ein sehr ergiebiges Thema. Gelegentlich könnte man auch darüber nachdenken, welch üble Verbrechen auch im Namen der Wissenschaft verübt worden sind. Doch das würde hier zu weit führen und gehört nicht in diese Diskussion… Was Halloween anbelangt, so bin ich auch für Kostüme und Süßigkeiten; in meiner Kindheit gab es übrigens weder Allerheiligen, noch Halloween – sondern einfach nur “Fasching”.

  32. #32 Slammer
    30. Oktober 2011

    Hm, das ist jetzt vielleicht ‘ne blöde Frage (ist ja auch von mir…) – aber wie verträgt sich eine wie auch immer geartete Weltformel eigentlich mit Gödel? Sprich, ist es theoretisch überhaupt möglich, eine allumfassende Weltformel auszuarbeiten, ohne daß diese sofort neue Fragen aufwirft?
    Ich weiß, das driftet jetzt schon in Richtung Philosophie ab…

  33. #33 Wurgl
    31. Oktober 2011

    @stromgeist und @MartinB

    Ist die Suche nach einer “Weltformel” nicht ähnlich wie die Entschlüsselung eines unbekannten Textes?
    https://www.scienceblogs.de/mathlog/2011/10/wie-wurde-copiale-entziffert.php

    Nicht dass ich die Entschlüsselung anzweifle, aber mit einer anderen, vielleicht sehr komplizierten Methode, kommt aus diesem Text ein Rezept für Gänsebraten raus oder ein Märchen der Gebrüder Grimm. Ohne den Autor dieses Textes zu fragen kann man doch nie mit absoluter Sicherheit sagen, ob man den richtigen Text gefunden hat. Nur Ockams Rasiermesser kann hier weiterhelfen und die möglichen Entschlüsselungen auf jene eingrenzen, die möglichst einfach und damit plausibel sind.

    Und ähnlich ist es doch bei der “Weltformel”.

  34. #34 12stein
    31. Oktober 2011

    Das Gemuese des Schrecken geht wieder um: “Vegetarier to the front !”
    Esst sie alle auf, diese Terrorkuerbisse.
    (Nach dem Motto: “Rettet den Wald, esst Biber”)

  35. #35 stromgeist
    31. Oktober 2011

    @Slammer: Die Frage in Bezug auf Gödel interessiert mich auch; ich hatte es oben bereits angesprochen. Man könnte sie sogar versuchen, mit der Russelschen Antinomie zu verknüpfen: Müsste eine Weltformel die Form einer sich selbst enthaltenden, und also unmöglichen Menge annehmen?

    @Wurgl: Was gegen die Analogie Welt=Text (eine Metapher, die schon von Platon und Galilei geprägt wurde) sprechen würde, ist, dass wir zumindest sicher sein können, den vollständigen, wenn auch noch chiffrierten Text zu besitzen, der zu entschlüsseln wäre. In Bezug auf die Welt können wir nicht sicher sein, dass wir im Besitz des vollständigen Textkörper sind. Das Leben/die Wissenschaft schreibt ihn immer weiter.

  36. #36 stromgeist
    31. Oktober 2011

    Nachtrag: Mein vorletzter Satz ist unvollständig. Richtig muss er heißen: Was gegen die Analogie Welt=Text … sprechen würde ist, dass wir bei einem kryptischen Dokument zumindest sicher sein können, den vollständigen, wenn auch noch chiffrierten Text zu besitzen, der zu entschlüsseln wäre.

  37. #37 Wurgl
    31. Oktober 2011

    @stromgeist

    Jain. Es könnten noch weitere Dokumente auftauchen, eine Art Serie.

    Das generelle Problem ist doch, dass wir eine unbekannte Abbildungsfunktion suchen. Bei dem Text eben die Abbildung der Chiffre auf den unbekannten Klartext und bei der Natur die Abbildung der Beobachtungen auf unbekannte Basisereignisse. Und von diesen Abbildungsfunktionen gibt es beliebig viele, wir kennen ja nicht mal alle Parameter und diese nicht beliebig genau.

    Ist genauso eine Aufgabe wie “Zeichnen Sie einen Kreis durch zwei Punkte!”

  38. #38 rolak
    31. Oktober 2011

    Zum Glück mit wesentlich mehr Punkten, was einen großen Haufen ‘was gedacht werden kann, ist möglich’-Modelle ruckzuck ausscheiden läßt.

    Gödel und Konsorten ziehen hier übrigens nicht, da der große Zeh nicht alles, sondern ‘nur’ alle bekannten physikalischen Phänomene erklären soll.

  39. #39 stromgeist
    31. Oktober 2011

    @Wurgl: Ich bin mir nicht sicher, ob ich Deinen Gedanken richtig verstanden habe. Was zumindest gegen eine Abbildtheorie sprechen würde ist, das eine (zukünftige) Supertheorie vielleicht immer mehr Aussagen über das Verhalten des der Natur sagen könnte, aber damit möglicherweise auch immer weniger über (ihre) menschliche Erfahrung. Müsste eine Weltformel nicht auch Vorhersagen über das machen können, was wir gewöhnlicher Weise als Welt bezeichnen, also unsere kulturellen Bezüge, die Weltgeschichte mit großem W? Würden die Naturwissenschaften damit also auch alle geisteswissenschaftlichen Probleme lösen können oder gehören die dann einfach nicht mehr mit zur “Welt”?

    Über die Metapher von der “Lesbarkeit der Welt” kann ich übrigens ein sehr anregendes Buch gleichen Namens von dem Philosophen Hans Blumenberg empfehlen; hier eine Kurzbeschreibung: https://www.uni-online.de/artikel.php?link=2710.

  40. #40 stromgeist
    31. Oktober 2011

    @rolak: Gut, der von Dir verlinkte Artikel würde meine letzte Frage verneinen. Aber etwas seltsam ist es schon, dass innerhalb der Welt eine Welt existieren sollte, die zwar durch genau das determiniert sein muss, was die Weltformel beschriebe, von dieser selbst aber nicht beschrieben werden kann.

  41. #41 Wurgl
    31. Oktober 2011

    Also ich wäre mit einer Beschreibung der Natur vollends zufrieden. Ob sich diese mit der menschlichen Erfahrung deckt ist ein anderes Kapitel, dafür kann die Natur nichts, da ist der Mensch einfach zu unvollkommen.

    Aber es gibt auch Gefahren. Die grundsätzliche Funktionsweise von Nerven ist ja schon bekannt. Teile des Gehirns sind ebenfalls soweit enträtselt, als dass man deren Aufgabenbereich kennt. Noch total unbekannt ist, wie dieses Gewirr aus Nervenzellen etwas wie einen Gedanken oder noch weiter das Ich zustande bringt. Wenn das enträtselt ist, dann könnte der nächste Schritt eine Simulation einer Person mit Extrapolation in die Zukunft sein und dann sind wir beim Minority Report, aber ohne esotherische “Super”hirne wie im Film. Sollte das mal möglich sein, dann wird das unser Zusammenleben grundsätzlich wandeln, denke einfach nur an das Strafgesetzbuch und die Frage der Schuld. Schuld setzt den freien Willen voraus und ein freier Wille kann per Definition nicht vorausberechnet werden.

    Zurück: Eine “Weltformel” ist für mich nichts anderes als eine vollkommene Beschreibung der unbelebten Natur und die Aufgabe der Wissenschaft ist es die vorhandene Beschreibung mehr und mehr an diese vollkommene Formel anzunähern. Vollständig diese zu erreichen wird wohl nicht möglich sein, eben weil wir nur Bekanntes beschreiben können und bei bisher unbekannten neuen Erfahrungen möglicherweise die bisherige Beschreibung anpassen müssen.

  42. #42 Alderamin
    31. Oktober 2011

    Wurgl·
    31.10.11 · 22:21 Uhr

    Zurück: Eine “Weltformel” ist für mich nichts anderes als eine vollkommene Beschreibung der unbelebten Natur und die Aufgabe der Wissenschaft ist es die vorhandene Beschreibung mehr und mehr an diese vollkommene Formel anzunähern. Vollständig diese zu erreichen wird wohl nicht möglich sein, eben weil wir nur Bekanntes beschreiben können und bei bisher unbekannten neuen Erfahrungen möglicherweise die bisherige Beschreibung anpassen müssen.

    Für eine Weltfromel reicht es eigentlich, alle Grundkräfte, Raum, Zeit und Quanteneffekte in einem Formelgerüst zu beschreiben (Grand Unified Theory GUT, Theory of Everything ToE). Eine solche beschriebe die Grundlage eines jeden Vorgangs in der Natur: Kerne, Atome, Moleküle, Van-der-Waals-Kräfte, Massenanziehung, chemische Reaktionen, alles könnte darauf zurückgeführt werden.

    Damit würde sie aber noch lange keine Vorhersagen über irgendwelche konkreten Ereignisse erlauben. Die Newtonsche Physik mit der Thermodynamik reichen z.B. völlig aus, um das Verhalten von Luftmassen vorherzusagen, und trotzdem können wir das Wetter nicht exakt vorhersagen, weil wir niemals alle nötigen Informationen in der Natur messen und berücksichtigen könnten (selbst ohne zufällige Quanteneffekte). So wird das auch bei der ToE sein. Bereits bei einem simplen gravitativen Dreikörper-System sind wir auf Näherungen angewiesen, obwohl die zu Grunde liegenden Gesetze fast beliebig genau bekannt sind. Die Welt ist halt ein gigantischer analoger Parallelrechner, den kann man nicht im Kleinen exakt modellieren. Man kann aber verstehen, wie er arbeitet.

  43. #43 Wurgl
    31. Oktober 2011

    Ist er analog? Die Quantelung könnte man auch als Digitalrechner interpretieren, aber mit sauvielen Stellen Genauigkeit 🙂

    Sonst: Zustimmung

  44. #44 Alderamin
    31. Oktober 2011

    Naturkonstante nicht konstant? Hinweis auf ein Multiversum?

    https://www.physorg.com/news/2011-10-nature-laws-vary-universe.html

  45. #45 Wurgl
    1. November 2011

    So wird das nix mit einer Weltformel 🙁

    Jedenfalls nicht gar so schnell.

  46. #46 stromgeist
    1. November 2011

    So wird das nix mit einer Weltformel 🙁
    Jedenfalls nicht gar so schnell.

    Das glaube ich auch. Aus dem selben Grund halte ich auch extrapolierte Personensimulationen für utopisch. Vorhersagen über das Verhalten von Menschenmassen sind stets realistischer als die über das Verhalten eines Individuums. Es wird prinzipiell immer etwas Unberechenbares bleiben. Das Frage des freien Willens stellt die Neurowissenschaft ja aber heute schon, bzw. zieht ihn in Zweifel. Die Probleme damit kommen so oder so auf uns zu.

  47. #47 Wolfgang
    7. November 2011

    Hallo Florian,

    ich bin zufällig auf Dein Blog gestoßen, und habe Deinen Halloween-Artikel leider erst heute gelesen.

    Ich muß zugeben, nur Bahnhof verstanden zu haben. Aber was ich an der Astronomie unter anderem so faszinierend finde, ist die Entwicklung dieser Wissenschaft durch die Jahrhunderte, ja eigentlich durch die Jahrtausende.

    Aristoteles glaubte seinerzeit, daß sich die Erde in der Mitte des Universums (welches nicht unendlich war) befand, und sich die Planeten und die Sonne auf kristallinen Sphären um sie herum bewegen. Eine Meinung, die sich als geozentrisches Weltbild in Europa bis ins späte Mittealter hielt. Erst mit Kopernikus, Brahe, Kepler, Galileo Galilei und Newton wurde das Weltbild, wie wir es heute kennen, begründet.

    Ja, man mag heute über die Idee der Sphären lachen. Und doch galt diese Idee lange Zeit als wisschenschaftlich wahr. Ich würde viel darum geben, zu wissen, wie die Menschen in 2000 Jahren über unser heutiges Weltbild denken. Werden Sie auch über uns lachen? Insofern sehe ich die Diskussion über dunkle Energie und schwarze Universen recht gelassen :-).

    Gerade die Astronomie zeigt für mich das unheimlich Spannende an der Wissenschaft allgemein: Erkenntnisse sind immer ein Bild ihrer Zeit, und auch nur so gut wie die Messmethoden. Es gibt immer etwas Neues zu entdecken. Dinge, die vielleicht alles auf den Kopf stellen können.

    Liebe Grüsse,
    Wolfgang

  48. #48 Florian Freistetter
    7. November 2011

    @Wolfgang: Ja, so sehe ich das auch – es ist faszinierend, was wir Menschen alles herausgefunden haben… Dieses Bild passt gut dazu: https://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2009/07/nicht-schlecht-fur-ein-paar-affen.php