Ich lese gerade wieder einmal das wirklich hervorragende Buch “Nation” von Terry Pratchett (auf deutsch heißt es “Eine Insel”). Und auch wenn es nicht Teil seiner bekannten Scheibenwelt-Serie ist, ist es wahrscheinlich doch sein bestes Buch. Ich glaube, ich habe es hier in meinem Blog nicht explizit empfohlen und möchte das daher auf jeden Fall nachholen.
Das Pratchett ein schlechtes Buch geschrieben, ist bis jetzt sowieso noch nicht vorgekommen – aber bei “Nation” war er wirklich in Höchstform. So wie in allen seinen Büchern findet man auch hier den für ihn typischen Humor – das Grundthema ist aber etwas ernster. Schauplatz des Buches ist eine parallele Erde die der echten Erde des 19. Jahrhunderts ziemlich ähnlich ist. Die “Nation” ist eine kleine Südseeinsel und die Hauptperson Mau hat gerade den Initiationsritus hinter sich gebracht, bei dem er vom Jungen zum Mann wird und dazu einige Zeit auf einer unbewohnten Insel verbracht. Auf dem Rückweg zur Nation gerät er in einen gewaltigen Sturm und wird auf offenem Meer von einem Tsunami überrascht. Mau überlebt – aber die komplette Nation wird ausgelöscht. Alle Bewohner der Insel sind gestorben. Mau muss nun irgendwie mit der Tatsache klar kommen, dass alles was er kannte und alle die er kannte, verschwunden sind. Er beginnt an den alten Traditionen zu zweifeln und an der Existenz der Götter, die diese gewaltige Katastrophe zugelassen haben. Langsam sammeln sich diverse Überlebende von anderen Insel auf der Nation, darunter auch ein alter Priester, der Mau davon überzeugen will, dass er den Göttern für sein Überleben danken sollte. Mau sieht dafür keinen Grund:
“‘Why did the wave spare you? Why did it spare me? Why did it spare that baby which will die soon enough? Why does it rain? How many stars are in the sky? We cannot know these things! Just be thankful that the gods spared your life!’ shouted the old man.
‘I will not! To thank them for my life means I thank them for the deaths. I want to find reasons. I want to understand the reasons! But I can’t because there are no reasons. Things happen or do not happen, and that is all there is!’
Gemeinsam mit Mau ist auch Daphne auf der Insel gestrandet, ein junges Mädchen aus der britischen Adelsklasse. Genauso wie Mau muss auch sie lernen, die alten Traditionen abzulegen und sich in einer Welt zurecht finden, die sich völlig von ihrem gewohnten Alltag unterscheidet.
Mau und Daphne müssen die fremde Kultur des jeweiligen anderen verstehen lernen, sie müssen eine zerstörte Welt wieder aufbauen und sie müssen mit ihren eigenen Ängsten zurecht kommen. Es ist ein Buch über das Erwachsenwerden (und Jugendliche sind auch die offizielle Zielgruppe). Es ist aber auch ein Buch darüber, wie man mit Verlust umgeht – mit dem Verlust von geliebten Menschen aber auch mit dem Verlust der mit dem Abschied von komfortablen Überzeugungen einhergeht. Zum Beispiel der Religion:
“This was not the time to say “I don’t know.” The brothers had begging, hungry looks, like dogs waiting to be fed. They wanted an answer. It would be nice if it was the right answer, but if it couldn’t be, then any answer would do, because then we would stop being worried…and then his mind caught alight.
That’s what the gods are! An answer that will do! Because there’s food to be caught and babies to be born and life to be lived and so there is no time for big, complicated, and worrying answers! Please give us a simple answer, so that we don’t have to think, because if we think, we might find answers that don’t fit the way we want the world to be.”
Das Buch ist stellenweise herzzerreißend traurig, dann aber auch wieder wahnsinnig lustig. Auf jeden Fall aber ist intelligent und originell. Es ist ein Buch darüber, wie man lernt rational zu denken. Und es hat einen absolut hervorragenden Schluß! Ich möchte hier auch gar nicht weiter auf den Inhalt eingehen und zuviel verraten. Lest es auf jeden Fall selbst! Es ist genau die Art von Buch, das jeder und jede gelesen haben sollte (schade das so etwas nie in der Schule gelesen wird, man könnte aus “Nation” wesentlich mehr lernen, als von Goethe, Schiller & Co).
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