Im Zentrum unserer Galaxie sitzt ein riesiges schwarzes Loch. Das wissen wir schon länger, es ist aber trotzdem immer wieder faszinierend, darüber nachzudenken. Allein schon die schiere Größe ist kaum vorstellbar: Das schwarze Loch (es trägt den Namen Sagittarius A*) hat etwa 4 Millionen Sonnenmassen. Das ist gewaltig, es muss uns aber vorerst keine Angst machen. Schwarze Löcher sind keine Staubsauger die alles gnadenlos ansaugen und verschlucken. Schwarze Löcher sind “nur” die Überreste ehemaliger Sterne und auch nichts anderes als Objekte mit einer bestimmten Masse die sich so wie alle anderen Objekte mit einer bestimmten Masse verhalten. Ein Planet (oder ein Stern) kann ein schwarzes Loch problemlos umkreisen, ohne hinein gesaugt zu werden. Erst wenn man sich dem schwarzen Loch weit genug nähert, bemerkt man die besonderen Effekte. Überschreitet man den sogenannten Ereignishorizont, dann hat man verloren und ist für immer in der Nähe des schwarzen Lochs gefangen. Dort ist seine Anziehungskraft so stark, dass nichts ihr mehr entkommen kann. Aber schon vor dem Ereignishorizont wird es ungemütlich. Da bekommt man die gewaltigen Gezeitenkräfte zu spüren, die 4 Millionen Sonnenmassen ausüben können, die auf einen winzigen Raum zusammengequetscht sind. Himmelskörper (aber auch die von Menschen) werden auseinander gerissen und in ihre Bestandteile zerlegt. Und genau das scheint das supermassereiche schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße regelmäßig zu machen.
Denn auch wenn schwarze Löcher schwarz sind, also keine Strahlung abgeben und damit unsichtbar sind, ist es ihre Umgebung definitiv nicht! Schwarze Löcher wie Sagittarius A* sind von einer großen Scheibe aus Gas und Staub umgeben und diese Scheibe kann sehr viel Strahlung erzeugen (z.B. durch die Bewegung geladener Teilchen in starken Magnetfeldern oder durch die hohe Temperatur die dort herrscht). Immer wieder kommt es bei schwarzen Löchern auch zu Helligkeitsausbrüchen. Wenn zum Beispiel ein Stern in das Loch stürzt (genauer gesagt: mit dem schwarzen Loch kollidiert), dann wird er von den Gezeitenkräften auseinander gerissen und das ganze Material dass dann mit enormen Geschwindigkeiten auf das schwarze Loch zurast erzeugt Strahlung.
Das schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße ist relativ ruhig. Es gibt keine großen Helligkeitsausbrüche wie in anderen Galaxien mit einem sogenannten AGN (active galactic nucleus). Man schätzt, dass nur etwa alle hunderttausend Jahre ein Stern mit Sagittarius A* kollidiert. Genaue Beobachtungen haben aber gezeigt, dass es täglich kleine Helligkeitsausbrüche gibt, bei denen für einige Stunden zehn bis hundert Mal mehr Röntgen- und Infrarotstrahlung abgegegen wird als sonst. Sterne kommen dafür als Ursache nicht in Frage. So viele Sterne können nicht ins schwarze Loch stürzen, außerdem wären die Helligkeitsausbrüche dann viel heller und würden viel länger dauern. Aber was verursacht sie sonst? Kastytis Zubovas von der Uni Leicester und Sergei Nayakshin und Sera Markoff von der Uni Amsterdam haben eine interessante Möglichkeit untersucht: Vielleicht sind es Asteroiden, die täglich in das schwarze Loch fallen?
In ihrer Arbeit (die bei der Zeitschrift “Monthly Notices of the Royal Astronomical Society” eingereicht, aber noch nicht akzeptiert wurde) mit dem Titel “Sgr A* flares: tidal disruption of asteroids and planets?” haben sie das Problem im Detail durchgerechnet. Aus der Stärke der Helligkeitsausbrüche kann man ausrechnen, wie groß die Asteroiden sein müssen, damit sie ausreichend Strahlung erzeugen, wenn sie vom schwarzen Loch zerrissen werden. Das ist gar nicht so einfach, wie es klingt. Die Asteroiden bewegen sich ja auch durch die Gasscheibe und das enorm schnell, mit Geschwindigkeiten, die sich schon der Lichtgeschwindigkeit annähern. Dabei entsteht natürlich sehr viel Reibung und damit Hitze – die Asteroiden beginnen also zu schmelzen und zu verdampfen, noch lange bevor sie vom schwarzen Loch zerrissen werden. Nur wenn auch genug von ihnen übrig bleibt, kommen sie als Quelle für die täglichen Helligkeitsausbrüche in Frage. Zubovas und seine Kollegen haben ausgerechnet, dass Asteroiden zwischen 10 und 45 Kilometer groß sein müssen, um die beobachteten Effekte erklären zu können. Das sind aber ganz normale Durchmesser für Asteroiden – in unserem Sonnensystem gibt es Millionen in dieser Größe.
Ja, in unserem Sonnensystem!, werden jetzt vermutlich einige Leserinnen und Leser einwerfen. Aber wo sollen die ganzen Asteroiden im Zentrum der Milchstraße denn herkommen? Gute Frage – und es gibt dafür glücklicherweise auch gute Antworten! Einerseits bringen die Sterne, die zwar selten aber doch regelmäßig mit dem schwarzen Loch kollidieren, natürlich auch ihre Planeten und Asteroidengürtel mit und können sie beim Durchgang durch die Scheibe verlieren. Sie umkreisen dann das schwarze Loch so wie sie vorher den Stern umkreist haben und wenn ihre Bahnen nicht kreisrund sind, sondern durch die vielen gravitativen Störungen elliptisch geworden sind, dann landen sie irgendwann in der Gefahrenzone und werden zerrissen. Noch faszinierender ist aber die zweite Möglichkeit: Wenn ein schwarzes Loch von einer großen Scheibe aus Gas und Staub umgeben ist, dann spricht nichts dagegen, dass in ihr genau das passiert, was auch in anderen großen Gas- und Staubscheiben passiert. Das, was zum Beispiel auch in der Gas- und Staubscheibe geschehen ist, die vor 4,5 Milliarden Jahren die Sonne umgeben hat: Es entstehen Planeten und Asteroiden! Die Asteroiden die in das schwarze Loch fallen, müssen also nicht unbedingt von außerhalb kommen, sie können auch direkt in der Umgebung des Lochs entstanden sein!
Wie so oft in der Wissenschaft wird man noch mehr Beobachtungsdaten brauchen, um bestätigen zu können, dass es wirklich Asteroiden sind, die jeden Tag vom schwarzen Loch im Zentrum unserer Milchstraße verschluckt werden. Aber, wie Zubovas et al gezeigt haben, ist es absolut plausibel, die berechneten Effekte und Größen stimmen mit den Beobachtungen überein.
Ach, ich würde einiges dafür geben, das Zentrum der Milchstraße einmal mit eigenen Augen sehen zu können! Ein schwarzes Loch mit der Masse von Millionen Sonnen. Umgeben von einer gewaltigen rotierenden Scheibe aus Gas und Staub. Unzählige Planeten und Asteroiden die das schwarze Loch umkreisen. Asteroiden, die mit relativistischen Geschwindigkeiten durch die Scheibe rasen und dabei vom schwarzen Loch auseinander gerissen werden und ihr Leben in gewaltigen Strahlungsausbrüchen beenden. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, wie dieses Panorama aussehen würde. Aber es muss fantastisch sein.
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