Der Mond ist nicht nur ein hübscher Anblick am Nachthimmel. Er übt natürlich auch einen großen Einfluss auf die Erde aus. Ich meine jetzt nicht diesen esoterischen Unsinn von wegen Haare schneiden und Blumen gießen “zum richtigen Zeitpunkt”. Ich rede von echter Physik. Zum Beispiel von den Gezeiten. Durch seine Gravitationskraft hat der Mond aber auch einen Einfluss auf die Rotationsachse der Erde. Die steht nicht senkrecht auf die Bahnebene, sondern ist um einen Winkel von 23,5 Grad aus der Senkrechten geneigt. Das ist wichtig – denn genau diese Neigung erzeugt die Jahreszeiten. Glücklicherweise ist diese Neigung ziemlich stabil und ändert sich so gut wie gar nicht. Wäre dem so, dann würde sich auch die Abfolge der Jahreszeiten ändern und wir hätten kein stabiles Klima mehr. 1993 hat der französische Astronom Jacques Laskar gezeigt, dass wir diese Stabilität dem Mond verdanken. Er hält die Erdachse fest, ohne ihn würde sie viel stärker schwanken und das wechselhafte Klima hätte vielleicht sogar die Entstehung höheren Lebens verhindert. Nicht unbedingt!, meint Jack Lissauer vom NASA Ames Research Center. Mit seinen Kollegen hat er sich die Sache mit der Erdachse und dem Mond nochmal im Detail angesehen.
Dass die Neigung der Erdachse einen großen Einfluss auf das Klima hat, ist unbestritten. Sie bestimmt, wieviel Energie der Sonne bestimmte Regionen auf der Erde bekommen. Ist die Neigung kleiner als 54 Grad oder größer als 126 Grad, dann bekommt die Äquatorregion mehr Strahlungsenergie als die Pole. Zwischen 54 und 126 Grad kriegen die Pole mehr Energie. Auf der Erde ist es bei einer Achsenneigung von 23,5 Grad an den Polen kalt und am Äquator heiß. Ob Planeten aber immer mit niedriger Achsenneigung entstehen oder ob sie beliebige Werte haben können, wissen wir noch nicht (einiges spricht für letztere Annahme). Wir wissen allerdings, dass sich die Achsenneigung ändern kann, je nachdem wie stark die Gezeiten- und Gravitationskräfte der anderen Himmelskörper wirken.
Diesen Einfluss hat Jacques Laskar 1993 zu bestimmen versucht. Er fand heraus, dass der Mond dafür sorgt, dass die Achse der Erde nicht zu wild schwankt. Seine Daten zeigten, dass die Achsenneigung der Erde ohne Mond Werte zwischen 0 und 85 Grad annehmen kann. Das sie das nicht tut, sondern nur minimal um den Wert von 23,5 Grad schwankt, haben wir dem Mond zu verdanken. Jack Lissauer und seine Kollegen wollten das Problem aber nochmal genauer untersuchen. Laskar zeigte zwar, dass die Erdachse zwischen 0 und 85 Grad schwanken kann. Aber tut sie das auch? Dazu haben sie nochmal die Bewegung aller Planeten, den wechselseitigen gravitativen Einfluss und die Schwankung der Erdachse am Computer simuliert. 2 Milliarden Jahre lang haben sie die Himmelskörper laufen lassen – nur der Mond fehlte. Am Ende sah das Bild so aus:
Das Bild zeigt die zeitliche Entwicklung der Achsenneigung für jeweils eine Milliarde Jahre in die Zukunft und die Vergangenheit. Die komplette Simulation ist im letzten Bild zu sehen, die drei Bilder darüber zeigen die Entwicklung auf kürzeren Skalen. Die Werte schwanken insgesamt zwischen etwa 5 und 55 Grad. Also nicht ganz der Bereich, den Laskar angegeben hat. Lissauer und seine Kollegen haben die Simulation natürlich noch öfter wiederholt. Es handelt sich hier um ein chaotisches System und da können schon kleine Änderung der Anfangsbedingungen zu großen Änderung in der Entwicklung des Systems führen. Sie haben also nachgesehen, was passiert, wenn man nicht mit 23,5 Grad startet, sondern diesen Wert minimal variiert. Hier sind ein paar beispielhafte Ergebnisse:
Im wesentlichen sieht das so aus wie die ursprüngliche Simulation. Aber zum Beispiel das unterste Bild zeigt, dass hier doch dramatische Änderungen möglich sind. Hier erreicht die Achsenneigung 0 Grad. Das würde bedeuten, dass die Pole gar keine Sonne mehr abbekommen würde. Sie würden vereisen und in Folge könnte der ganze Planet zufrieren (“Schneeball Erde”). Auch wenn die Schwankungsbreite in Lissauers Simulationen nicht ganz so groß ist, wie das von Laskar bestimmte Maximum, hat eine Erde ohne Mond doch jede Menge Potential, das Klima durcheinander zu bringen. Aber wie sieht es mit anderen Planeten aus? Bisher ging man ja davon aus, dass ein erdähnlicher Planet vermutlich immer einen Mond braucht, um die Achse für ein vernünftiges Klima zu stabilisieren. Lissauer und seine Kollegen haben darum auch untersucht, wie es mit Planeten aussieht, deren Achse nach der Entstehung einen anderen Wert für die Neigung haben als der der Erde oder die sich schneller oder langsamer drehen. So sehen die Ergebnisse aus:
Hier wurden System simuliert, die mit dem Sonnensystem identisch sind. Nur die ursprünglich Neigung der “Erd”achse wurde geändert. Jede Simulation wurde außerdem insgesamt dreimal durchgeführt; wobei bei zwei Durchläufen die Startposition des Mars um einen Meter nach vorn bzw. nach hinten verschoben wurde. Für jeden Startwert der Achsenneigung (x-Achse) geben die drei Linien die jeweilige Schwankungsbreite an. Rot ist die maximale Schwankung nach 1 Million Jahre markiert, schwarz ist der Zustand nach 500 Millionen Jahren und grün gibt die komplette Simulation an. Das Ergebnis ist klar: Es gibt keine allgemeinen Grenzen. Je nach Ausgangskonfiguration kann die Schwankung groß sein oder klein. Planeten mit Achsenneigung von mehr als 90 Grad zeigen kleinere Schwankungen; ansonsten ist fast alles möglich. Ähnlich sieht es bei der Variation der Rotationsdauer aus:
Am Ende ihrer Arbeit kommen Lissauer und seine Kollegen zu dem Schluss, dass eine Erde ohne Mond zwar stärker Schwankungen der Achsenneigung aufweist, aber zumindest während der 2 Milliarden Jahre der Simulation nicht die komplette zulässige Schwankungsbreite ausnutzt. Wie stark die Schwankungen ausfallen, hängt extrem stark von den Anfangsbedingungen ab. Schon kleinste Änderungen können große Konsequenzen haben. Es gibt allerdings auch genügend Konfigurationen bei denen die Achse eines Planeten auch ohne großen Mond ausreichend stabil ist. Die Existenz eines Mondes ist also nicht mehr unbedingt eine notwendige Bedingung, wenn man Planeten sucht, auf denen höherentwickeltes Leben möglich ist. Vielleicht gibt es also irgendwo Aliens, die auf einem Planeten ohne großen Mond leben. Schade eigentlich, sie verpassen einen wunderbaren Anblick… 😉
Lissauer, J., Barnes, J., & Chambers, J. (2012). Obliquity variations of a moonless Earth , Icarus, 217 (1), 77-87 DOI: 10.1016/j.icarus.2011.10.013
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