Mit der Entdeckung des eventuell erdähnlichen Planeten Kepler 22b haben die extrasolaren Planeten wieder mehr Aufmerksamkeit bekommen. Ich habe gestern schon etwas über die Häufigkeit erdähnlicher Planeten geschrieben. Aber die Frage die sich hier immer stellt ist: Wie ähnlich sind solche Planeten der Erde tatsächlich? Kann es dort Leben geben? Das findet man nur heraus, wenn man sich die Atmosphäre so eines Planeten näher ansieht. Das ist zwar knifflig, aber nicht unmöglich. Nächstes Jahr bietet sich uns eine wunderbare Gelegenheit, die Methode zu üben. An einem Objekt aus unserer unmittelbarer Nachbarschaft: Venus.
Würden außerirdische Astronomen bei ihrer Suche nach Exoplaneten irgendwann unsere Sonne untersuchen, dann würden sie zuerst wahrscheinlich die großen Planeten Jupiter und Saturn finden. Vielleicht aber auch gar keinen Planeten, immerhin braucht Jupiter 11 Jahre, um die Sonne einmal zu umrunden. Wenn die Aliens die gleichen Suchtechniken anwenden wie wir, dann müssen sie die Sonne mindestens 22 Jahre beobachten, um Jupiter zu finden. Man braucht mindestens drei Umläufe, um sicher sein zu können, dass es sich wirklich um einen Planeten handelt. Bei so einer langen Zeit kann man schon mal die Lust verlieren. Wenn die Aliens aber Instrumente haben, die nur ein klein wenig besser sind als unsere, dann werden sie in der Lage sein, die Erde zu entdecken. Auch die Venus werden sie finden. Vielleicht auch Mars und Merkur. Von ihrem fernen Beobachtungsposten aus werden diese vier Planeten alle sehr ähnlich aussehen. Sie werden feststellen, dass sie alle in etwa eine ähnliche Dichte und damit eine ähnliche Zusammensetzung haben. Sie werden feststellen, dass alle vier eine feste Oberfläche haben. Sie werden merken, dass bis auf Merkur alle anderen Planeten in bzw. an der Grenze der Zone um ihren Stern liegen, die anzeigt, dass hier die Temperaturen Leben ermöglichen. Die Medien auf dem Planeten der Aliens werden begeistert verkünden: “Astronomen entdecken gleich drei zorgähnliche Exoplaneten! Außerzorgisches Leben ist dort möglich!” (Der Planet der Aliens heißt übrigens Zorg).
Bei der Erde hätten sie recht. Aber Mars und Venus sind alles andere als lebensfreundlich. Mars ist eine kalte Eiswüste mit einer fast nicht existenten Atmosphäre. Die Venus dagegen ist eine von dichten Wolken bedeckte Gluthölle in der Temperaturen von fast 500 Grad Celsius herrschen. Beide Planeten sind absolut lebensfeindlich. In der astronomischen Klassifikation nennt man sie trotzdem “erdähnliche” (bzw. terrestrische) Planeten. Damit bezeichnet man keine “Zwillinge” der Erde, sondern einfach Planeten mit vergleichbarer Größe, vergleichbarer Zusammensetzung und vergleichbarem Aufbau. Und da Mars und Venus, so wie die Erde, beides Gesteinsplaneten mit fester Oberfläche sind und beide nicht dramatisch viel größer oder kleiner als die Erde sind, nennt man sie “erdähnliche Planeten”. Wenn Astronomen also von der Entdeckung eines “erdähnlichen Planeten in der habitablen Zone” sprechen, dann hat das nicht zwingend etwas mit der Entdeckung von außerirdischen Leben zu tun. Diese Beschreibung trifft auch auf Mars und Venus zu. Um herausfinden zu können, wie die Bedingungen auf den Planeten wirklich sind, brauchen wir mehr Informationen. Wir müssen die Atmosphäre untersuchen.
Das ist schwer. Exoplaneten sind enorm weit entfernt und wir können sie so gut wie nie direkt beobachten sondern schließen nur mit indirekten Methoden auf ihre Existenz. Trotzdem kann man mit etwas Mühe und ein wenig Glück Informationen über die Atmosphäre eines solchen Planeten bekommen. Weltraumteleskope wie CoRoT oder Kepler versuchen ja, einen sogenannten Transit zu beobachten. Bei einem Transit sehen wir auf der Erde einen Planeten vor seinem Stern vorüberziehen. Wenn wir die Helligkeit des Sterns messen, dann merken wir, dass sie in periodischen Abständen immer ein klein wenig schwächer wird. Immer dann, wenn der Planet gerade genau vor dem Stern steht und klein wenig Licht abblockt. So kann man die Planeten entdecken. Das ist aber noch nicht alles. Das Licht des Sterns wird zwar durch den Planeten selbst blockiert. Wenn der Planet aber von einer Atmosphäre umgeben ist, dann kann das Licht durch diese Atmosphäre scheinen und zu uns gelangen. Eine Analyse dieses Lichts kann uns dann sagen, woraus die Atmosphäre besteht. Je nach Zusammensetzung werden verschiedene Anteile des Lichts herausgefiltert.
Bei sehr großen Planeten ist diese Art der Analyse schon gelungen. Aber das waren gigantische Gasplaneten auf denen sowieso nicht mit erdähnlichen Bedingungen zu rechnen war. Bei kleineren Planeten ist die Beobachtung der Atmosphäre schwieriger, aber nicht unmöglich. Und nächstes Jahr können wir schon mal üben. Denn Transits gibt es auch bei uns im Sonnensystem. Jede Sonnenfinsternis ist ein Transit, bei dem von der Erde aus gesehen der Mond genau vor der Sonne vorüber zieht. Aber auch bei den Planeten Merkur und Venus können wir Transits beobachten. Merkurtransits gibt es immer wieder mal. 1999 konnte man einen beobachten, ebenfalls 2003 und 2006. Das nächste Mal ist es wieder 2016 so weit. Und so schön es ist, den kleinen Merkur vor der großen Sonnenscheibe vorüber ziehen zu sehen, können wir wenig über seine Atmosphäre lernen, den Merkur hat keine. Ganz anders die Venus. Sie hat eine enorm dichte Atmosphäre. Leider sind Venustransits selten. Nur ca. alle 130 Jahre stimmen die Bedingungen. Dann sieht man einen Transit, meistens sogar zwei im Abstand von einigen Jahren (ich werde irgendwann mal die Himmelsmechanik hinter diesen Perioden erklären). Wir haben Glück! Das letzte Transitpaar fand 1874/1882 statt. Und momentan befinden wir uns mitten in einem Transitpaar. Im Juni 2004 gab es den ersten und nächstes Jahr, im Juni 2012 wird es den nächsten (und letzten bis 2117) Transit geben.
Bei dieser Gelegenheit können wir das Licht der Sonne benutzen, das durch die Atmosphäre der Venus fällt um die Zusammensetzung ihrer Atmosphäre zu bestimmen. Gut, wir haben dank einiger Raumsonden schon eine ganz gute Vorstellung, wie sie aussieht. Sie besteht fast vollständig aus Kohlendioxid (96,5%). Der Rest ist Stickstoff, mit winzigen Spuren von Schwefeldioxid, Argon, Wasserdampf und diversen anderen Gasen. Aber es geht darum, vernünftige Modelle zu entwickeln, mit denen man die Beobachtungen interpretieren kann. Denn bei Exoplaneten wissen wir vorher nicht, wie die Atmosphäre aussehen wird. David Ehrenreich vom Institut de Planétologie et d’Astrophysique de Grenoble und seine Kollegen haben sich daher Gedanken gemacht, wie man die Venusatmosphäre am besten modellieren kann. Die Ergebnisse haben sie kürzlich in der Arbeit “Transmission spectrum of Venus as a transiting exoplanet” veröffentlicht. Bei Untersuchungen dieser Art geht es darum, sich zu überlegen, wie stark das Licht in verschiedenen Wellenlängebereichen von den verschiedenen Stoffen in der Atmosphäre blockiert wird. Enthält die Atmosphäre viele Wolken bzw. Nebel, dann wird das Licht ganz anders gestreut als bei klarem Himmel. Im ersten Fall spricht man von Mie-Streuung (die an Objekten stattfindet, deren Durchmesser in etwa der Wellenlänge des Lichts entspricht), im zweiten Fall von Rayleigh-Streuung, die an viel kleineren Partikeln stattfindet (und übrigens dafür sorgt, dass der Himmel blau ist). So sieht das Modell von Ehrenreich und Co aus:
Das Diagramm zeigt auf der x-Achse die Wellenlänge des Lichts und auf der y-Achse, wie weit es jeweils in die Venusatmosphäre eindringt. Die schwarze Kurve basiert auf der Annahme der Rayleigh-Streuung, rot und grün sind zwei Versionen der Mie-Streuung. Man sieht deutlich, welchen Unterschied das bei bestimmten Wellenlängen macht. Zwischen klarem Himmel und vielen Wolken kann man also gut unterscheiden. Zum Vergleich (und der Deutlichkeit halber abgesetzt) ist die Kurve, die man bei der Erdatmosphäre gewinnen würde. Hier sticht besonders das Signal des Ozons (O3) hervor, dass einzigartig in unserer Atmosphäre ist. Ozon wäre auch genau das Gas, das man bei der Suche nach extrasolaren Leben finden möchte. Es gilt als guter Biomarker, weil es auf viel freien Sauerstoff in der Atmosphäre hinweist.
Hoffen wir also, dass 2012 gute Bedingungen für die Beobachter herrschen und sie den Venustransit nutzen, um möglichst viel darüber herauszufinden, wie man die Atmosphäre von Exoplaneten untersucht. Und wer weiß, vielleicht haben ja Kepler und CoRoT bis dahin auch schon ein paar neue, gute Kandidaten für die Suche nach der zweiten Erde geliefert.
David Ehrenreich, Alfred Vidal-Madjar, Thomas Widemann, Guillaume Gronoff, Paolo Tanga, Mathieu Barthélemy, Jean Lilensten, Alain Lecavelier des Etangs, & Luc Arnold (2011). Transmission spectrum of Venus as a transiting exoplanet, Astronomy & Astrophysics, arXiv: 1112.0572v1
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