“Weißt du wieviel Sternlein stehen?”, lautet der Titel eines bekannten Schlafliedes. Im Refrain wird zwar behauptet “Gott, der Herr, hat sie gezählet”, mittlerweile wissen aber auch wir Menschen so einigermaßen, wie viele Sterne es gibt. In unserer eigenen Galaxie, der Milchstraße, sind es etwa 200 Milliarden Stück (und im ganzen beobachtbaren Universum gibt es noch ein paar hundert Milliarden anderer Galaxien). Aber wie steht es mit den Planeten? Unsere Sonne wird von 8 Planeten umkreist. Insgesamt kennen wir 716 andere Planeten die fremde Sterne umkreisen. Es muss natürlich viel mehr geben. Aber wie viele sind es? In etwa so viele, wie es Sterne gibt, lautet das Ergebnisse einer eben veröffentlichten Beobachtungskampagne. Arnaud Cassan vom Institut d’Astrophysique de Paris und seine Kollegen haben herausgefunden, dass jeder Stern unserer Milchstraße durchschnittlich von 1,6 Planeten umkreist wird!
Das ist ein wirklich beeindruckendes Ergebnis, dessen Bedeutung man kaum überschätzen kann! Noch vor weniger als 20 Jahren wussten wir noch nicht einmal, ob es außerhalb unseres Sonnensystems überhaupt noch weitere Planeten gibt oder ob wir nicht vielleicht doch ein kosmischer Sonderfall sind. In den letzten Jahren haben wir immer mehr Planeten entdeckt, aber bis vor kurzem war es nie wirklich genug, um eine vernünftige Statistik machen zu können. Unsere Beobachtungsmethoden waren zu beschränkt, um einen globalen Überblick gewinnen zu können. Aber je mehr Daten in den letzten Monaten gewonnen wurden (zum Beispiel vom Weltraumteleskop Kepler) desto klarer wurde, dass Planeten im Universum zumindest nicht selten sind.
Schon im Mai 2011 hat sich abgezeichnet, dass Planeten vielleicht nicht nur nicht selten, sondern sehr häufig sein könnten. Da hat eine große Gruppe von Wissenschaftlern ihre Ergebnisse über “free-floating planets” veröffentlicht. Das sind Planeten, die nicht an einen Stern gebunden sind, sondern ganz alleine durch die Milchstraße fliegen. Man hat sie durch Beobachtung von Gravitationslinseneffekten (dazu gleich mehr) entdeckt und die auf diesen Beobachtungen basierenden Hochrechnungen haben ergeben, dass es davon etwa 400 Milliarden Stück in unserer Milchstraßen geben muss! Also mehr frei-fliegende Planeten als Sterne! Planeten kommen aber nicht aus dem Nichts und auch diese Planeten, die heute ohne Sterne ihren Weg durch die Milchstraße gehen, müssen früher einmal bei einem Stern entstanden sein. Erst später wurden sie aus der Umlaufbahn geworfen – z.B. durch Kollisionen oder planetare Migration – und haben ihren Stern verlassen. Wenn es aber schon so viele Planeten ohne Stern gibt, wie viele sind dann noch übrig geblieben?
Auch diese Frage hat man mit der Beobachtung des Gravitationslinseneffekts zu beantworten probiert. Eine “Gravitationslinse” ist im Wesentlichen nichts anderes als eine ganz normale optische Linse. Nur wird das Licht hier nicht durch die speziellen Eigenschaften eines Glases abgelenkt, sondern durch eine große Masse, die den Raum krümmt (wie es in Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie vorhergesagt wird). Der gekrümmte Raum verändert den Weg des Lichts. Wenn wir einen weit entfernten Stern betrachten, dann strahlt dessen Licht in alle Richtungen und uns auf der Erde erreicht nur ein bestimmter Teil. Wenn sich nun eine “Linse”, d.h. eine größere Masse, zwischen dem Stern und uns befindet, dann kann die dafür sorgen, dass Lichtstrahlen die normalerweise nicht die Erde erreichen so umgelenkt werden, dass wir sie doch sehen. Im Teleskop macht sich das dann als Anstieg der Helligkeit des Sterns bemerkbar. Wenn man also auf Planetensuche geht, dann probiert man, möglichst viele Sterne zu beobachten und ihre Helligkeit zu messen. Beobachtet man hier einen Helligkeitsanstieg, dann ist das Anzeichen dafür, dass vielleicht gerade ein Planet vor dem Stern vorüber gezogen ist.
Genauso solche Gravitationslinseneffekte sucht das Probing Lensing Anomalies Network (PLANET), das Daten vom “Optical Gravitational Lensing Experiment (OGLE)” auswertet. Bei diesen Beobachtungskampagnen werden sehr viele Sterne auf einmal beobachtet und spezielle Algorithmen schlagen sofort Alarm, wenn sich irgendwo der für einen Gravitationslinseneffekt charakteristische Helligkeitsanstieg zeigt. Dann probieren die beteiligten Astronomen so schnell wie möglich ihre Teleskop auf den Stern zu richten und ihn im Detail zu beobachten. Das klappt mittlerweile recht gut, man beobachtet regelmäßig Gravitationslinseneffekte. Aber bis man alle 200 Milliarden Sterne der Milchstraße durch hat, würde doch sehr viel Zeit vergehen 😉 Also muss man auch in diesem Fall auf Statistik zurück greifen. Man weiß, was man beobachtet hat und man weiß, was man beobachten hätte können, wenn die Instrumente besser gewesen wären. Man weiß, wie viele Effekte man in dem kleinen Bereich gemessen hat, den man beobachtet hat und man weiß, wie groß der Bereich ist, der noch nicht beobachtet wurde. Arnaud Cassan und seine Kollegen haben die Beobachtungsdaten aus sechs Jahren (von 2002 bis 2007) ausgewertet. Ihre Hochrechnung (so wie bei einer Wahl, nur nicht ganz so ungenau 😉 ) ergab folgende Werte für die Zahl der Planeten, die ihre Sterne in einem Abstand von 0,5 bis 10facher Erdentfernung umkreisen:
- 17% aller Sterne haben einen große Gasriese mit einer Masse bis zur 10fachen Masse des Jupiter.
- 52% aller Sterne haben einen Neptun-ähnlichen Planeten mit der 10- bis 30fachen Masse der Erde.
- 62% aller Sterne haben eine “Supererde” mit der 5- bis 10fachen Masse der Erde.
und
- Im Durchschnitt wird jeder Stern von 1,6 Planeten umkreist.
Wenn das keine phänomenalen Ergebnisse sind, dann weiß ich es auch nicht! Seit ich über extrasolaren Planeten schreibe, erwähne ich immer wieder, dass es nun bald so weit ist, und wir genug Informationen haben, um statistisch vernünftige Aussagen über ihre Häufigkeit zu machen. Das muss ich nun nicht mehr machen. Nun wissen wir, dass Planeten der Normalfall sind. Ein Stern mit Planet ist keine Ausnahme, sondern die Regel! Für manche mag das ein wenig demütigend sein. Wieder einmal werden wir Menschen auf unseren Platz verwiesen. Die Erde war nicht der Mittelpunkt des Universums. Die Erde war nicht der Mittelpunkt des Sonnensystems. Die Sonne war nicht der Mittelpunkt der Milchstraße. Die Milchstraße war nur ein kleiner Teil des ganzen gewaltigen Universums. Und jetzt sind auch Planeten wie der unsrige keine Ausnahme mehr. Planeten sind stinknormal und so wie Sterne ein völlig normaler Bestandteil des Universums. Wer anthropozentrisch denkt, mag das als demütigend empfinden. Ich finde es großartig! Wenn wir nichts besonders sind, dann bedeutet das auch, dass es so etwas ordinäres wie unseren Planeten auch überall sonst geben kann! Die Milchstraße ist voller Planeten! Und wer weiß, mit was sonst noch…
Kommentare (75)