In meinem Blog schreibe ich oft über die Bücher, die ich gelesen habe. Meistens dann, wenn mir ein Buch besonders gut gefallen hat und ich es meinen Leserinnen und Lesern empfehlen möchte. Manchmal aber auch, wenn ich ein richtig schlechtes Buch gelesen habe. Bis jetzt habe ich darin kein sonderlich großes Problem gesehen. Einer Bloggerin die sich in ihrem Blog hauptsächlich mit Buchrezensionen beschäftigt, wird aber gerade wegen einer Rezension mit einer Klage gedroht. Der Autor und der Verlag des Buches, das ihr nicht gefallen hat, sprechen von “Literatur-Kriminalität” oder gar “Wirtschaftskriminialität”.
Es geht um einen Artikel, den Astrid Prüger im November 2011 in ihrem Blog “Bücherzeit” geschrieben hat. Darin erzählt sie, dass sie das Buch “Twin-Pryx. Zwillingsbrut” von John Asht aus dem Roder-Verlag lesen wollte, aber nicht mehr als die ersten 90 Seiten schaffte, weil sie das Buch so schlecht fand. Ok, so ein Urteil mag für einen Autor nicht gerade schmeichelhaft sein und John Asht hat sich darüber sicher nicht gefreut. Was dann aber folgte, war äußerst absurd. John Asht kommentierte den Artikel, und zwar so:
“Na ja, von einer 23-jährigen Fantasy-Leserin, die mit gehobener Literatur überhaupt nichts anfangen kann, erwarte ich auch nicht mehr als eine solch’ unqualifizierte Pseudo-Rezi.
Mädel, schreib’s dir hinter die Ohren: Phantastische Literatur ist nicht „Fantasy”. Also, tu uns allen einen Gefallen und bleib bei deinen Zwergen und Elfen – für mehr reichts nicht!
Ich möchte das am besten gar nicht kommentieren… Noch absurder war dann aber der kurz darauf folgende nächste Kommentare:
“… außerdem werde ich „Myriel” und „Bücherzeit” von meinem Rechtsanwalt gerichtlich ahnden lassen – denn mir sieht diese Einrichtung sehr suspekt aus – etwa so, wie von gewissen Leuten bezahlt, um einem Autor zu vernichten. Das wird teuer, Lady!
Ein Autor, der sich darüber ärgert, dass jemand sein Buch schlecht findet, ist nicht weiter außergewöhnlich. Ein Autor, der wegen einer schlechten Rezension mit Klage droht, ist etwas ganz anderes. Das könnte man vielleicht noch verstehen, wenn Frau Prüger Herrn Asht wild beschimpft und beleidigt hätte. Wenn sie Unwahrheiten über Autor, Verlag und Werk erzählt hätte. Aber eine Klage, nur weil einem ein Buch nicht gefallen hat und man diese Meinung öffentlich äußert, ist absurd.
Noch interessanter wird die Geschichte mit dem Kommentar der Verlegerin des besprochenen Buches, Antje Roder. Sie unterstützt John Asht in seiner Meinung und schreibt unter anderem:
“Wer damit nicht mehr umgehen kann, sollte sich künftig besser nur noch mit anspruchsloser Kost berieseln lassen. Das ist auch den Machthabern lieber, denn diese Art von Fast-Food-Leser lassen sich optimal lenken und kontrollieren – eben weil sie allmählich das rationale Denken verlernen.”
Und
“Artikel 5 des Grundgesetzes gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, Wirtschaftskriminalität zu betreiben, indem Sie willkülich den Verkauf eines Produktes boykottieren. (…) Es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, dass ich mich John Asht anschließen werde und ab Montag gerichtlich gegen Sie vorgehe, falls Sie diese Rezension nicht sofort entfernen.
Außerdem werde ich den Börsenverein des Deutschen Buchhandels informieren, dass Sie auf launische Weise Literaturkritiken veröffentlichen, ohne überhaupt das Werk gelesen zu haben – abgesehen davon, dass Sie es wie oben beschrieben falsch kategorisiert haben.
Überlegen Sie sich, was für Konsequenzen das alles für Sie haben wird. Das Recht ist auf unserer Seite!
Man könnte ja fast der Meinung sein, die ganze Geschichte wäre von vorn bis hinten inszeniert und eine virale Werbekampagne, so absurd ist sie. Wenn dem so sein sollte, haben sich Autor und Verlag allerdings keinen großen Gefallen getan. Vor ein paar Tagen hat John Asht selbst noch einmal nachgelegt und in seinem Blog einen langen Artikel über “Literatur-Kriminalität im Internet” geschrieben. Darin beschwert er sich, dass heutzutage dank des Internets einfach jeder seine Meinung zu allem veröffentlichen kann. Zum Beispiel können jetzt auch ganz normale Leser ihre Meinung zu Büchern kund tun. Das war früher viel besser:
“Vor der Internetexplosion gab es noch gestandene Literaturkritiker – sie kennzeichneten sich vor allem durch Seriosität, Fachwissen und Objektivität – sie schrieben Kritiken für ein gedrucktes Blatt, eine gedruckte Zeitschrift oder ein gedrucktes Journal. Sie waren Kenner der Branche und Könner im Metier – sie hatten eine eloquente Bildung und bedienten sich einer respektvollen Umgangssprache – und sie waren Meister im “zwischen den Zeilen schreiben”. Sie waren die Besten auf dem Gebiet, eben weil die Publikation eines gedruckten Presseartikels wie auch dessen Vertrieb viel Geld kostete und der Herausgeber behutsam seine Leute akquirierte.”
Ja, echt schon fies… Der Rest des Artikels ist – ich kann mich nur immer wiederholen – absurd. Asht erzählt von hinterhältigen Buchrezensenten, die Verlage und Autoren erpressen. Eine “pseudo-erpresserische Rezensentin” bzw. eine “Lady Oberschlau” hat ein Buch nicht komplett gelesen und sich trotzdem dazu geäußert. Das sei “gezielte Geschäftsschädigung” und “kriminell”. Seinen Artikel hat Asht auch bei Facebook verlinkt und dort heute Morgen ein beeindruckendes Fazit gezogen (man kann es mittlerweile auch als Zusatz zu seinem Blogartikel nachlesen). Die “Organisierte Literatur-Kriminalität im Internet ist bewiesen”, meint Asht. Er habe die Existenz einer “Rezensenten-Mafia für Arme” aufgedeckt. Sein Schlusssatz ist besonders seltsam:
“Solche falschen Rezensenten und Möchtergern-Literaturkritiker sind eine Schande für’s freie Internet aber ganz besonders für die Literaturbranche des einstigen Volkes der Dichter und Denker. Und sie sind auch die Totengräber des freien Internets.”
Die “Totengräber des freien Internets”? Das Internet wäre also “freier”, wenn Verlage und Autoren schlechte Rezensionen einfach verbieten würden? Tja, vermutlich gehöre ich auch zu den dummen Leuten, die einfach nicht verstehen, was wahre Literatur ist und wie die Welt funktioniert – aber das was Asht hier schreibt, verstehe ich tatsächlich nicht.
Ich verstehe ja vollkommen, dass Herr Asht sich darüber ärgert, wenn jemand sein Buch schlecht findet. Ich habe selbst ein Buch geschrieben und weiß jetzt schon, dass ich mich fürchterlich ärgern werde, wenn jemand die erste schlechte Rezension dazu veröffentlichen wird. Es ist mein Buch und mein Buch ist super! Aber ich würde nicht auf die komische Idee kommen, jemand verklagen zu wollen, nur weil jemand mein Buch nicht toll findet. Ich schreibe jetzt seit mehr als 4 Jahren mein Blog, habe mehr als 2000 Artikel verfasst und in dieser Zeit oft genug gemerkt, dass es unmöglich ist, es allen Recht zu machen. Es wird immer Menschen geben, die meine Arbeit nicht toll finden. Es wäre zwar schön, wenn ich mir einreden könnte, dass es sich hier nur um dumme Banausen handelt, die keine Ahnung von irgendwas haben und einfach zu blöd sind, mein Werk entsprechend zu würdigen. Aber das ist natürlich völliger Unsinn. Menschen sind verschiedenen, Geschmäcker sind verschieden – und manche Leuten finden halt meine Arbeit doof. Genauso wie manchen Leuten das Buch von John Asht nicht gefällt.
Anstatt die Leute, die seine Arbeit kritisieren mit Klagen zu bedrohen, sollte Herr Asht vielleicht überlegen, ob es nicht sinnvollere Arten gibt, mit Feedback (auch wenn es negativ ist) umzugehen. Eigentlich sollte man ja davon ausgehen, dass ein Autor seine Bücher für die Leser schreibt und nicht die studierten Literaturkritiker. Die Leser sind es, die die Bücher kaufen (die Literaturkritiker kriegen ihre Bücher meistens vom Verlag geschenkt). Zu behaupten, dass nur die Meinung eines “offiziellen” Literaturkritikers zähle, der normale Leser sich aber gefälligst nicht öffentlich über das Buch zu äußern hat, ist absurd. Ich bezweifle nicht, dass es tatsächlich gefälschte Rezensionen gibt. Ich bezweifle nicht, dass es Leute gibt, die gegen Geld absichtlich schlechte (oder gute) Rezensionen verfassen. Aber deswegen den Leuten verbieten zu wollen, ihre Meinung über Bücher öffentlich kund zu tun, ist lächerlich.
Ich bin wirklich gespannt, wie diese Geschichte noch weitergeht. Ob es wirklich zu einer Klage kommt (an virales Marketing glaube ich eigentlich nicht – der Name des Autors mag zwar kurzfristig verstärkt in den Medien vorkommen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er durch diese Episode sympathischer und erfolgreicher wird als vorher) und wie der Kampf von John Asht gegen die Rezensenten-Mafia weitergeht. Ob er das Volk der “Dichter und Denker” vor den dummen Buchbesprechungen der organisierten Literatur-Kriminalität retten kann?
P.S. Angesichts der Klagfreudigkeit von Asht und seinem Verlag möchte ich darum bitten, die Kommentare nach Möglichkeit ohne persönliche Angriffe und andere potentiell einklagbare Äußerungen zu formulieren. Das versteht sich zwar von selbst, ich wollte aber sicherheitshalber trotzdem nochmal darauf hinweisen…
Kommentare (560)