Wissenschaft ist faszinierend. Und Wissenschaftler zu sein, ist für viele ein Traumberuf. Aber bei aller Hingabe und Motivation ist es – zumindest in Deutschland – oft sehr schwer, diesen Beruf tatsächlich auch auszuüben. Nicht, weil man dafür lange studieren und viel lernen muss. Damit haben die meisten angehenden Wissenschaftler kein Problem; sie wollen ja wissen. Das Problem kommt später. Wenn man mal seine Dissertation abgegeben und die letzte Prüfung bestanden hat. Dann muss man sich um eine Stelle umsehen. Ein frisch gebackener Doktor bekommt normalerweise irgendwo eine auf ein oder zwei Jahre befristete Stelle (oft auch nur eine Teilzeitstelle) die nicht direkt von der Universität finanziert wird, sondern aus Drittmitteln. Wenn die Stelle ausläuft, muss man sich eine neue suchen. Meistens dann an einer anderen Uni, in einem anderen Land. Aber wieder befristet und wieder aus Drittmitteln. Irgendwann, so hofft man, wird man eine unbefristete Stelle bekommen und dauerhaft an einer Uni arbeiten und forschen können. So verläuft zumindest die klassische Universitätskarriere: nach den “Wanderjahren” bei denen man auf mehreren befristeten Stellen verschiedene Universitäten und Forschungsthemen kennengelernt hat, erhält man eine permanente Stelle an einer Forschungseinrichtung. Leider sieht die Realität ganz anders aus…
Es ist mittlerweile nicht ungewöhnlich, wenn die befristeten Stellen zum Dauerzustand werden und Wissenschaftler sich auch noch Jahrzehnte nach ihrem Abschluss ohne feste Anstellung von Vertrag zu Vertrag hangeln. Immer mehr Stellen werden über Drittmittel finanziert, immer mehr Forscher erhalten nur Teilzeitstellen.
Das schlägt natürlich massiv auf die Motivation. Eine Studie über den wissenschaftlichen Mittelbau an deutschen Unis hat das klar belegt. Das, was die Wissenschaftler am meisten demotiviert, sind die befristeten Verträge:
Das ist durchaus verständlich. Natürlich ist es wünschenswert und nötig, dass junge Wissenschaftler erstmal die Uni verlassen, an der sie die letzten Jahre gelernt und studiert haben und etwas Neues kennenlernen. (Natur)Wissenschaft ist schon lange eine Angelegenheit für Teams und außerdem noch äußerst international. Man sollte also so viele Leute wie möglich kennenlernen; viele neue Arbeitsgruppen und Methoden. Aber die Realität der befristeten Verträge hat damit schon lange nichts mehr zu tun. Ich kenne Leute, deren Verträge nur jeweils für ein halbes Jahr liefen und immer wieder erneuert werden mussten. Ich kenne Leute, bei denen Zeiten der Arbeitslosigkeit fest in die Finanzierung eingeplant waren, nach dem Motto: “Du kriegst einen Vertrag für 2 Jahre, danach ein Jahr lang Arbeitslosengeld und dann den nächsten Vertrag”. Man darf auch die Folgen für die wissenschaftliche Arbeit nicht unterschätzen. Kommt man in eine neue Arbeitsgruppe und arbeitet vielleicht auch noch auf neuen Gebieten, dann muss man sich erstmal einarbeiten, neue Methoden lernen, gemeinsam neue Ideen entwickeln, und so weiter. Bis man soweit ist, um tatsächlich gute Forschungsergebnisse zu gewinnen, können durchaus ein paar Monate vergehen. Wenn dann aber schon wieder das Ende der Anstellung droht, wird man sich vielleicht die Mühe sparen, etwas neues zu lernen und lieber so weiter machen, wie man es bisher schon getan hat. Die Finanzierung über Drittmittel verschärft das Problem noch weiter. Denn Drittmittel müssen beantragt werden, diese Anträge müssen geschrieben werden und beurteilt. Dieser ganze Prozess nimmt ebenfalls einige Monate in Anspruch (und kann oft bis zu einem Jahr dauern). Läuft der eigene Vertrag nur kurz, ist das Ende der Einarbeitungsphase auch der Zeitpunkt, an dem man sich schon wieder um den nächsten Antrag kümmern muss um rechtzeitig Geld für eine neue Stelle zu haben. Die eigentliche Forschungsarbeit kommt da oft zu kurz. Anke Burkhardt vom Institut für Hochschulforschung an der Uni Halle hat in einem Vortrag ein paar Zahlen genannt: Die Hälfte aller befristeten Stellen an deutschen Unis sind Teilzeitstellen und/oder über Drittmittel finanziert (Schaut euch den ganzen Vortrag an, auch die restlichen Statistiken sind sehr interessant).
Der Traum von einer wissenschaftlichen Karriere wird in der Realität schnell von der Suche nach der nächsten – kurzfristigen – Anstellung ersetzt. Das ist natürlich auch Gift für die private Lebensplanung. Man kann nie längerfristig planen, weil man nie weiß, ob man nach dem Ende der einen wieder eine neue Stelle finden wird. Man kann nur unter großen Schwierigkeiten eine Familie gründen, weil man nie weiß, ob man im nächsten Jahr noch am gleichen Ort arbeiten wird oder vielleicht doch eine Stelle in einem anderen Land annehmen muss. Kann man es sich dann leisten, mit dem Partner gemeinsam umzuziehen? Will man etwaige Kinder ständig an neue Schulen schicken und ihnen alle paar Jahre ihren Freundeskreis wegnehmen? Kein Wunder, dass die befristeten Verträge die Wissenschaftler am meisten demotivieren.
Es fehlt in Deutschland an vernünftigen Karrieremöglichkeiten für junge Wissenschaftler. Das beschreibt Professor Reinhard Kreckel von der Uni Halle in seinem Artikel “Habilitation versus Tenure: Karrieremodelle an Universitäten im internationalen Vergleich” der in Ausgabe 1/2012 der Zeitschrift “Forschung und Lehre” erschienen ist. In den USA gibt es zum Beispiel “tenure-track”-Stellen. Das sind befristete Positionen, die – bei erreichen bestimmter und vor allem vorher festgelegter Kritierien – in eine Festanstellung umgewandelt werden. Auch andere Länder haben brauchbare Angebote für junge Forscher. Bis auf Deutschland… Das zeigt diese Grafik aus Kreckels Artikel sehr gut:
Selbst wenn man Deutschland mit anderen Ländern vergleicht, die an dem veralteten Habilitations-Konzept festhalten, ist es Schlusslicht:
Kein Wunder also, wenn junge Wissenschaftler irgendwann ihrem Traumberuf den Rücken kehren und sich eine andere Beschäftigung suchen. Auch bei mir war es so. Forscher zu sein, an einer Universität zu arbeiten, Wissen zu schaffen und zu vermitteln war immer das, was ich unbedingt machen wollte. Aber irgendwann ging es einfach nicht mehr. Das ständige Wechseln des Wohnortes, die ständige Suche nach neuen Verträgen und die ständige Unsicherheit waren mir irgendwann zu viel. Solange man noch jung ist, ist das ja noch ok. Da macht es Spaß, dauernd hin und her zu reisen und neue Menschen und Städte kennen zu lernen. Aber irgendwann möchte man vielleicht auch mal eine “normales” Leben führen oder sogar eine Familie gründen. Und dann trifft man auf all die oben beschriebenen Probleme. Bei mir hat der Traum vom Wissenschaftler letztes Jahr geendet. Ich bin bei meiner neuen Arbeit als Wissenschaftsautor nicht unzufrieden, ganz im Gegenteil. Ich finde Wissenschaft immer noch so faszinierend wie früher. Aber es wäre doch schön, wenn die Bedingungen für junge Wissenschaftler etwas positiver und motivierende wären. Das sollte eigentlich das “Wissenschaftszeitvertragsgesetz” bewirken. Warum das gescheitert ist, beschreibt Markus Dahlem drüben bei den SciLogs.
Ich habe die Hoffnung fast schon aufgegeben, dass sich an dieser Situation bald etwas ändert. Dafür müsste die komplette wissenschaftliche Struktur in Deutschland umgekrempelt werden und ich sehe nicht, wo die Politiker sind, die so etwas umsetzen könnten bzw. wollten. Aber ok, bleiben wir optimistisch 😉 Aktuelle Informationen zu diesem Thema gibt es übrigens in der Facebook-Gruppe “25% akademische Juniorpositionen”.
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