Wenn ich über Planeten in Doppelsternsystemen erzähle, dann höre ich eine Frage sehr häufig: “Kann ein Planet auch abwechselnd beide Sterne umkreisen?” Der Planet soll dabei eine Bahn in der Form einer liegenden “8” haben und immer von einem zum anderen Stern wechseln. So etwas ist leider nicht möglich. Schon in den 1980er Jahren (da kannte man noch nicht mal Exoplaneten) hat man untersucht, wie die Dynamik in einem Doppelsternsystem mit Planeten aussehen kann. Es gibt nur zwei stabile Regionen. Entweder der Planet umkreist einen der beiden Sterne, oder aber er umkreist ganz außen beide Sterne. Der Bereich dazwischen ist instabil. Aber nicht uninteressant! Nickolas Moeckel und Dimitri Veras von der Universität Cambridge haben sich die instabilen Regionen mal genauer angesehen. Und herausgefunden, dass hier Bahnen, die abwechselnd um beide Sterne herumführen, durchaus möglich sind.
Doppel- bzw. Mehrfachsternsysteme sind häufig. Sie sind die Regel; Einzelsterne wie unsere Sonne sind die Ausnahme. Man hat auch schon viele Planeten entdeckt, die sich in solchen Systemen befinden. Meistens waren es welche, bei denen sich der Planet nur um einen der beiden Sterne bewegt (S-Typ); in letzter Zeit fand man aber auch immer wieder welche, bei denen der Planet seine Bahn außen um beide Stern zieht (P-Typ). Der Fall, der in der Arbeit von Moeckel und Veras beschrieben wird, handelt aber von S-Typ-Planeten. Sie umkreisen anfänglich nur einen der beiden Sterne.
Planetensysteme wie unser Sonnensystem sind stabil (obwohl es auch hier chaotische Effekte geben kann). Die Planeten drehen ihre Runden und kommen einander nicht nahe. Das war aber nicht immer so! In der Frühzeit, als die Planeten entstanden, war noch mehr los. Es gab mehr als die heutigen acht Planeten und sie nahmen sich gegenseitig den Platz weg. Es kam zu Kollisionen (so entstand der Mond) und manche Planeten wurden ganz aus dem Sonnensystem geschleudert (da kommen die ganzen free-floating planets her, die ohne an einen Stern gebunden zu sein, die Milchstraße durchstreifen). So etwas passiert auch, wenn Planeten in Doppelsternsystemen entstehen. Aber welche Rolle spielt hier der Partnerstern? Kann er die ausgeworfenen Planeten wieder “auffangen”? Genau das haben Moeckel und Veras untersucht.
Dazu haben sie jede Menge numerische Simulationen untersucht. Einmal in Doppelsternsystemen, deren Partner 250 Astronomische Einheiten (AE) voneinander entfernt waren (also der 250fache Abstand zwischen Erde und Sonne); einmal waren es 1000 AE. In beiden Fällen haben sie rund 300 Simulationen am Computer laufen lassen und nachgesehen, was mit den instabilen Planeten passiert. Das überraschende Ergebnis lautet: Die große Mehrheit dieser Planeten fliegt nicht einfach aus dem System, sondern wird vom zweiten Stern eingefangen! Ungefähr 85 Prozent aller ausgeworfenen Planeten ist zum anderen Stern gewechselt. Und nicht nur das: Etwa 70 Prozent der instabilen Planeten wechselt den Stern nicht nur einmal, sondern öfter! Nach ihrem Besuch beim zweiten Stern kehren sie wieder zum ursprünglichen Stern zurück. Es gibt ein richtiges Planeten-Ping-Pong zwischen den beiden Sternen. Natürlich ist das kein Dauerzustand. Die Bahnen sind immer noch instabil und irgendwann fliegt der Planet ganz raus. Aber es ist doch interessant zu wissen, dass er das nicht einfach so macht, sondern vorher nochmal wie eine Flipperkugel zwischen den Sternen hin und her fliegt.
Der Vergleich mit der Flipperkugel passt hier sehr gut. Denn auf astronomischen Zeitskalen gemessen, passieren die Wechsel enorm schnell. Das sieht man in dieser Grafik recht schön:
Die Linien zeigen, wie viel Zeit die Planeten bei ihren Sternen verbringen. Die durchgezogenen Linien stehen für den Ursprungsstern, die gestrichelten Linien für den Begleitstern; blau für den Fall mit einer Trennung von 250 AE, schwarz für 1000 AE. Auf der y-Achse ist der jeweilige Anteil der Planeten aufgetragen, auf der x-Achse die Zeit, gemessen in Jahren (oben) bzw. in Umläufen der Sterne umeinander (unten). Im oberen Bild sieht man gut, dass die meisten Planeten nur ein paar tausend Jahre um einen Stern kreisen, bevor sie wechseln. Wenn die beiden Sterne 1000 AE auseinander sieht, ist es mehr. Aber wenn man die Zeit in der natürlicheren Einheit der Sternumläufe misst, dann sind beide Fälle – 1000 AE und 250 AE – vergleichbar: Ein Planet verbringt etwa 10 Umläufe bei einem Stern.
Natürlich will jeder wissen, wie das nun aussieht mit den Flipperplaneten. Glücklicherweise haben Moeckel und Veras ein paar schöne Animationen erstellt. Hier ist der Fall von zwei Sternen, die 250 AE voneinander getrennt sind. Der eine wird von zwei Planeten umkreist. Einer davon entwickelt eine instabile Bahn und fängt an, zwischen den Sternen hin und her zu wechseln. Im linken Video sieht man wie sich Sterne und Planeten gemeinsam bewegen. Das rechte Video zeigt die Geschichte in einem mitrotierenden Koordinatensystem, in dem sich die Sterne nicht bewegen (wer wissen will, was die roten und weißen Flächen und die Zahl “C” bedeutet: Das hab ich hier im Detail beschrieben – im wesentlichen geht es darum, dass die Planeten die roten Bereiche nicht betreten können).
In gewissen Fällen kann es dann doch vorkommen, dass ein ausgeworfener Planeten vom anderen Stern dauerhaft eingefangen wird. Das geht aber nur, wenn dort noch irgendetwas ist, dass eine entsprechende Kraft auf ihn ausübt. Das können nichtgravitative Kräfte sein – oder der Einfluss eines anderen Planeten. Wenn der zweite Stern schon von Planeten umkreist wird, dann kann deren gravitative Wirkung den vom anderen Stern entflohenen Planeten einfangen. Das sieht dann so aus:
Natürlich sind das alles nur Computersimulationen. Es ist fraglich, ob wir so ein “Ping-Pong-System” einmal direkt beobachten können. Die Chancen dafür stehen schlecht. Wie das Diagramm weiter oben zeigt, sind die Zeitskalen extrem kurz. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass wir das Glück haben und mit unseren Teleskopen gerade im richtigen Moment hinsehen. Aber Moeckel und Veras sind der Meinung, dass man vielleicht die Folgen dieses Planeten-Ping-Pongs beobachten könnte. Wenn beide Sterne Planetensysteme haben, dann werden die Bahnen der Planeten durch diese Prozesse verändert. Was genau sich dann für charakteristische und beobachtbare Vorhersagen ergeben, weiß man allerdings noch nicht. Daran arbeiten Moeckel und Veras noch.
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