Schwarze Löcher gehören zu den missverstandensten Himmelskörpern überhaupt. Viele stellen sie sich als eine Art Staubsauger vor, der alles gnadenlos ansaugt und vor dem es kein entkommen gibt. Das ist falsch, wie ich in diesem Artikel ausführlich erklärt habe.Schwarze Löcher sind extrem kompakte Überreste von ehemaligen Sternen. Abgesehen von den supermassereichen schwarzen Löchern in den Zentren von Galaxien sind die stellaren Löcher auch nicht wahnsinnig viel schwerer als normale Sterne. Da sie aus Sternen entstehen geht das auch gar nicht anders. Das besondere an ihnen ist nicht ihre Masse, sondern ihre Dichte. Masse krümmt die Raumzeit. Wenn immer mehr Masse auf immer kleineren Raum konzentriert wird, wird die Raumkrümmung immer stärker und stärker, bis man schließlich keine normale “Delle” mehr in der Raumzeit hat, sondern quasi ein “Loch”. Alles was eine gewisse Grenze – den “Ereignishorizont” – überschreitet, kann aus dieser Region extrem gekrümmter Raumzeit nicht mehr entkommen. Außerhalb davon besteht allerdings keine Gefahr. Das schwarze Loch “saugt” einen nicht einfach an… Ein Planet könnte problemlos ein schwarzes Loch umkreisen, ohne hinzufallen, vorausgesetzt er hält den nötigen Sicherheitsabstand ein.
Vor diesen schwarzen Löchern müssen wir keine Angst haben. Sie finden sich zwar überall in den Galaxien, aber es besteht keine Gefahr, dass eines davon plötzlich hinterrücks die Erde anspringt und uns Schaden zufügt. Auch wenn die Löcher schwarz sind und wir sie nicht direkt sehen können, sind sie doch auch schwer. Schwerer als unsere Sonne – und so ein massereiches Objekt kann uns nicht überraschen. Sollte tatsächlich einmal eines ausreichend nahe kommen um eine Gefahr darzustellen – was wahnsinnig unwahrscheinlich ist; in der Milchstraße ist so viel Platz, dass nahe Begegnungen dieser Art so gut wie nie vorkommen – dann wüssten wir das schon Jahrzehnte vorher, weil wir die Auswirkungen der Gravitationskraft des schwarzen Loches sehen könnten. Es ist so schwer wie ein großer Stern und wir würden lange vorher merken, dass sich die äußeren Planeten und Asteroiden unseres Sonnensystems nicht mehr so bewegen, wie sie es tun sollten, weil ihre Bahn vom nahenden schwarzen Loch gestört werden.
Um die stellaren schwarzen Löcher müssen wir uns also keine Sorgen machen. Neben den großen stellaren schwarzen Löchern, die aus Sternen entstehen, gibt es aber vielleicht auch noch eine andere Art. Winzig kleine, sogenannte “primordiale” schwarze Löcher. Sie sind so klein wie Elementarteilchen, wiegen vielleicht so viel wie ein durchschnittlicher Asteroid und entstanden möglicherweise direkt nach dem Urknall. Sie zu entdecken ist natürlich viel schwerer. Sie sind, ebenso wie ihre großen Kollegen, schwarz und nicht zu sehen. Und sie sind leicht genug, damit ihre gravitativen Störungen nicht weiter auffallen. Es kann durchaus sein, dass sie sich der Erde unbemerkt nähern können. Ist das ein Grund zur Besorgnis?
Nein, eigentlich nicht. Nochmal: schwarze Löcher sind keine Staubsauger. Gefährlich wird es erst hinter dem Ereignishorizont. Der liegt um so näher am schwarzen Loch, je kleiner bzw. leichter es ist. Einem primordialen schwarzen Loch müsste man schon sehr nahe kommen, damit irgendwas passiert. Der Ereignishorizont ist hier nur ein paar Nanometer vom schwarzen Loch entfernt. Würde so ein kleines schwarzes Loch also auf die Erde treffen, wäre das nicht katastrophal. Die Erde würde nicht plötzlich verschluckt oder aus der Bahn geworfen werden. Ganz folgenlos würde die Kollision aber trotzdem nicht bleiben. Und das ist gut so, denn dadurch haben wir zumindest theoretisch die Möglichkeit, diese primordialen schwarzen Löcher zu entdecken!
Yang Luo und sein Kollegen von der Universität Princeton bzw. dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau haben genau untersucht, was im Falle einer Kollision zwischen Erde und schwarzem Loch passieren würde. Was auch immer passiert, es dauert auf jeden Fall nicht lange. So ein primordiales schwarzes Loch bewegt sich mit 200 bis 400 Kilometer pro Sekunde. Es wäre also in knapp einer Minute durch die Erde hindurch gerauscht. Was es in dieser Zeit anstellt, haben Luo & Co in detallierten Computersimulationen untersucht. Auf seinem Weg durch die Erde regt das schwarze Loch seismische Wellen an. Es würden Erdbeben entstehen, allerdings keine sehr starken. Ein typisches primordiales schwarzes Loch mit einer Masse von 1015 Gramm erzeugt höchstens ein Beben der Stärke 4.
Hier sieht man ein Bild der in der Erde angeregten Erdbebenwellen. Das schwarze Loch dringt oben in die Erde ein und tritt unten wieder aus. Unterwegs regt es sogenannte “zylindrische Wellen” an. An den verschiedenen Übergangsschichten – zum Beispiel zwischen Erdkruste und Erdmantel oder zwischen innerem und äußerem Kern – entstehen aber auch zusätzlich “sphärische” Wellen, die dann überall auf der Erdoberfläche gleichzeitig eintreffen.
So etwas kann bei normalen Erdbeben nicht entstehen und würden die Seismometer der Geologen Wellen dieser Art registrieren, wäre das ein starker Hinweis auf die Existenz primordialer schwarzer Löcher. Eine Entdeckung dieser Art wäre revolutionär. Nicht nur, dass wir dann die Vorgänge kurz nach dem Urknall besser verstehen würden, wir hätten vielleicht auch einen Bestandteil der dunklen Materie identifiziert. Wenn es primordiale schwarze Löcher gibt, dann könnten sie einen Teil der dunklen Materie ausmachen und Luo et al. schreiben in ihrem Artikel, dass prinzipiell auch die gesamte dunkle Materie unserer Milchstraße aus primordialen schwarzen Löcher bestehen könnte.
Leider ist aber die Chance sehr gering, dass wir die kleinen schwarzen Löcher tatsächlich auf diese Art und Weise finden werden. Eine Kollision zwischen ihnen und der Erde ist nur alle paar Millionen Jahre zu erwarten. Aber wir sollten trotzdem die Augen offen und die Seismometer im Blick behalten. Wer weiß, vielleicht haben wir ja Glück!
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