Gerade trifft ein Sonnensturm auf die Erde. Wenn ihr keine Astronomen seid, deren Spezialgebiet die Sonnenphysik ist, Satelliten betreibt oder ein Flugzeug fliegt, dann werdet ihr davon nicht viel mitbekommen. Wenn da nicht die Medien wären, die wieder die üblichen, leicht hysterischen Berichte bringen. “Flüge werden umgeleitet, Stromausfälle drohen: Riesiger Sonnensturm trifft heute auf die Erde”. Das kommt natürlich von der BILD-Zeitung, die sich bei der Wahl zwischen Fakten und Panikmache immer für die Panikmache entscheidet. Beim Spiegel “beutelt ein massiver Sonnensturm das Erdmagnetfeld”, nur der Focus ist unkreativ und druckt nur die eher zurückhaltende dpa-Meldung mit der Schlagzeile “Starker Sonnensturm trifft die Erde” ab.
Solche Stories über “schlimme” Sonnenstürme gibt es in letzter Zeit immer wieder. Es gab sie letztes Jahr im Juni und im August; es gab sie dieses Jahr im Januar und jedesmal sind die Medien ganz aufgeregt und überlegen, wie sie möglichst dramatisch davon berichten können, wie der Sturm “auf die Erde prallt”. Jedesmal werden die diversen Worst-Case-Szenarien beschworen und jedesmal treten sie nicht ein (was die diversen Wissenschaftler auch jedesmal extra dazu sagen, die Medien aber gerne ignorien). Und von den diversen Esoterikern und Pseudowissenschaftler, die der absurden Meinung anhängen, die Sonnenstürme würden auf der Erde Erdbeben und andere Katastrophen verursachen bzw. die Gesundheit der Menschen schädigen, will ich gar nicht erst reden.
Reden wir lieber zuerst mal von der Wissenschaft! Die Sonne ist ein Stern und auf so einem Stern tut sich einiges. Das geladene Plasma brodelt, die Bewegung der Materie führt dazu, dass sich auch die Magnetfeldlinien bewegen und wenn sie sich kreuzen, kommt es zu einer Art “Kurzschluss” bei dem jede Menge Energie frei wird. Sonnenplasma kann ins All geschleudert werden und wenn die Umstände stimmen, kann das Plasma auf die Erde treffen. Dort passiert uns aber nicht viel, weil das Magnetfeld die geladenen Teilchen der Sonne abblockt. Nur in sehr seltenen Fällen kann es zu Stromausfällen kommen, weil das kurzzeitig “eingedellt” Magnetfeld der Erde in langen elektrischen Leitern (wie z.B. Stromleitungen) einen Strom induziert, der Transformatoren ausfallen lassen kann. Es können Satelliten beschädigt werden und manchmal werden Flugzeuge umgeleitet. WIe gesagt: So etwas passiert nur in sehr, sehr seltenen Fällen. Die ganzen Horrorstories über die katastrophalen Folgen von Sonnenstürmen sind nur das: Horrorstories, die nichts mit der Realität zu tun haben.
Die Sonne bewegt sich gerade auf ein Aktivitätsmaximum zu, dass sie im Laufe des nächsten Jahres erreichen wird. Daran ist nichts gefährlich oder außergewöhnlich. Aktivitätsmaxima gibt es etwa alle 11 Jahre und das aktuelle wird schwächer ausfallen, als die Maxima der früheren Jahre. Erinnert sich noch jemand an die schweren Katastrophen und die gigantischen Desaster, die Sonnenstürme beim letzten Maximum, im Jahr 2000 verursacht haben? Nein? Eben…
Es gibt keinen Anlass, davon auszugehen, dass der Sonnensturm, der jetzt gerade im Gange ist, irgendwelche schlimmen Folgen hat. Es lohnt sich aber, das Video anzusehen, das vom Solar Dynamics Observatory (SDO) der NASA gestern aufgenommen wurde. Man sieht die Eruption auf der Sonnenoberfläche wunderbar und auch das Plasma, das den verwickelten Magnetfeldlinien folgt. Ein tolles Video:
Solche hochauflösenden Videos der Sonne sind noch nicht allzu lange möglich. Wir überall sonst, lernen wir auch über die Sonne immer mehr. Das ist vermutlich auch der Grund, warum die Sonnenstürme plötzlich so viel Aufmerksamkeit der Medien bekommen. Früher gab es einfach nicht so viele Informationen wie heute. Mittlerweile steht die Sonne ständig unter Beobachtung und die Bilder kann jeder live übers Internet abrufen. Wenn da auch nur eine kleine Eruption stattfindet, wissen wir sofort Bescheid und sind vorgewarnt (das Material der Sonne braucht ja länger bis zu uns, als das Licht des Ereignis, das wir beobachten). Sonnenstürme – auch große – gab es früher natürlich genauso wie heute. Sie sind völlig normal. Aber früher wussten wir eben nicht darüber Bescheid und wenn, dann hatten die Medien (die damals noch nicht online erschienen sind) besseres zu tun als über Sonnenstürme zu berichten, die sowieso keine große Gefahr für uns darstellen. Heute gibt es Onlinezeitungen, Blogs, Twitter und Co und es ist nicht allzu aufwendig, mal eben eine kurze Meldung über den “riesigen Sonnensturm” zu veröffentlichen. Im Internet ist ja genug Platz (ganz im Gegensatz zu gedruckten Zeitungen) und ein paar Klicks wird es schon bringen. Mit “Katastrophen aus dem All” kann man immer gut Quote machen, denn übers All wissen die meisten Leute fast nichts. Und “Sonnensturm” klingt dann schön gruselig…
Das gleiche passiert ja auch bei den Asteroiden. Immer wieder mal fliegen hier welche in der Nähe der Erde vorbei. Das ist normal. Je kleiner die Asteroiden sind, desto mehr gibt es davon und desto öfter kommen sie in die Nähe der Erde. Nahe Vorbeiflüge gibt es jedes Jahr ein paar. Sie sind völlig ungefährlich; ein kleiner Felsbrocken, der in mehreren zehn- bis hunderttausend Kilometern vorüber fliegt, tut uns genau gar nichts. Aber mit Asteroiden lässt sich halt so schön Panik machen und selbst wenn eindeutig feststeht, dass es zu keiner Kollision kommt, kann man mit “Was wäre wenn”-Spielchen die Leute schön gruseln. Das garniert man dann noch mit dramatischen Formulierungen (“Daten der Nasa zeigen, dass der 60-Meter-Koloss der Erde schon in knapp einem Jahr gefährlich nahe kommt. Wird der Asteroid unseren Planeten um Haaresbreite verfehlen – oder trifft er uns mit voller Wucht?” – steht so natürlich in der BILD-Zeitung) und fertig ist der Standard “Asteroid fliegt an Erde vorbei”-Artikel.
Solche Artikel – genauso wie die über Sonnenstürme – gehen anscheinend immer. Im Blog “Die Wahrheit über die Wahrheit” gibt es einen schönen Artikel, der alle Spiegel-Beiträge über vorbeifliegende Asteroiden analysiert hat. Man stelle sich vor, die Medien würden mit gleicher Begeisterung z.B. über alle Erdbeben der Stärke 6 berichten. Die können sehr schlimm sein. Das Beben in Neuseeland im Februar 2012 hat 185 Tote und knapp 6000 Verletzte gefordert und hatte “nur” eine Stärke von 6,3. Beben dieser Stärke gibt es aber über 100 Mal pro Jahr. Zum Beispiel erst kürzlich, am 14. Februar 2012, im Pazifik vor den Salomonen. Damals bebte die Erde mit einer Stärke von 6.4. Aber hat man darüber was bei Spiegel, BILD oder Focus gelesen? Nein, weil das Beben mitten im Meer stattfand und keine Menschen zu Schaden gekommen sind. Und weil Beben dieser Art sehr oft vorkommen. Genauso wie Sonnenstürme oder vorbeifliegende Asteroiden. Sowas passiert auch auch ständig. Und auch hier kommt niemand zu Schaden. Aber weil es halt im Weltall passiert und man den Menschen mit komplizierten Dingen aus dem All so schön Angst einjagen kann, berichtet man halt doch jedesmal wieder darüber.
Die Aktivität der Sonne wird im Laufe des Jahres noch steigen. Es wird weitere Sonnenstürme geben. Es wird vermutlich sogar Sonnenstürme geben, die stärker sind als der von heute. Wir Menschen werden davon nicht viel mitbekommen. Abgesehen von den aufgeregten Berichten der Medien natürlich. Die werden uns vermutlich weiterhin bei jeder Sonneneruption begleiten… Lasst euch davon nicht beirren. Nutzt die Gelegenheit lieber und haltet nach Polarlichtern Ausschau. Die sind vielleicht nicht so spektakulär wie im hohen Norden. Aber mit ein wenig Glück bieten sie trotzdem einen interessanten und hierzulande vor allem außergewöhnlichen Anblick.
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