Letzte Woche habe ich über die Gentechnik-Gegner geschrieben, die in England Felder zerstören wollen. Unabhängig von den realen Risiken der Gentechnik ist diese Art des Protests natürlich nicht nur absurd, sondern auch kriminell. Trotzdem hat die Gentechnik keinen guten Ruf und viele Politiker keine Hemmungen zum Beispiel zu fordern, dass Deutschland “gentechnikfrei” werden muss. Wenn es etwas gibt, dass noch ein schlechteres Image als die Gentechnik hat, dann sind es die Atome! Spätestens seit dem Reaktorunglück in Fukushima erzeugt das Wort “Atom” bei vielen Menschen großes Unbehagen. So groß, dass die Grünen in Österreich nun die Atomforschung einsparen wollen…
Die Technische Universität Wien hat ein Atominstitut. Dort werden jede Menge Sachen erforscht: Atomphysik, Quantenphysik, Kernphysik, Strahlenphysik und so weiter. Teil des Instituts ist ein Forschungsreaktor, der seit 1962 in Wien läuft. Er ist nicht groß, aber dient ja auch nicht zur Energieerzeugung. Die Chefin der Grünen in Österreich, Eva Glawischnig, meint nun, dieser Reaktor “bringt keinen relevanten Nutzen mehr” und solle abgeschaltet werden. Man müsse ja sowieso sparen, da braucht man kein Geld mehr für Atomforschung ausgeben. Via Twitter hat sich auch Reinhard Pickl-Herk, der Pressesprecher von Eva Glawischnig zu Wort gemeldet (was er dort sagt ist aber keine offizielle Parteimeinung):
Atomforschung ist also verzichtbar und ein Forschungsreaktor hat keinen “relevanten Nutzen”. Eine starke Meinung. Und eine relativ dumme. Nicht falsch verstehen. Ich weiß, dass Atomkraftwerke gefährlich sind. Ich bin auch der Meinung, dass es besser wäre, auf Atomkraft zu verzichten und anderen Energieformen zu nutzen. Aber wie ich schon einmal ausführlich erklärt habe, ist es enorm schwer über Atomkraft zu sprechen. Sobald irgendwo das Wort “Atom” auftaucht – oder auch “Reaktor”, wird es sehr schnell sehr irrational und sehr hysterisch. Unter anderem deswegen, weil Gruppen wie die Grünen Worte wie “Atom” und “Gen” gezielt populistisch einsetzen. “Atomforschung ist Hochrisikotechnologie” – klingt schön dramatisch und gruselig. Atome sind das, was in den Atomkraftwerken drin ist und die sind böse! Und ein “Reaktor” kann nichts Nützliches sein, selbst wenn es ein Forschungsreaktor ist
Wenn Atomkraftwerke explodieren, dann ist das unbestritten eine große Katastrophe. Das bedeutet aber nicht, dass Atomforschung generell gefährlich oder nutzlos ist. Es bedeutet auch nicht, dass Forschungsreaktoren irrelevant sind. Was am Atominstitut gemacht wird, ist Grundlagenforschung. Grundlagenforschung ist immer wichtig, weil sie die Grundlage jeder weiteren Forschung ist. Abgesehen davon, dass bei weitem nicht die gesamte “Atomforschung” mit dem Forschungsreaktor zu tun hat, findet auch dort durchaus relevante Forschung statt. Hier sind ein paar Zitate aus dem Tätigkeitsbericht des Atominstituts:
“Besonders hervorgehoben werden soll die starke internationale Einbindung des Atominstituts in die europäische und internationale Forschungsszene. So werden im Rahmen der Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergieorganisation alle Safeguard Inspektoren der IAEA am Triga Reaktor des Atominstituts geschult und ausgebildet.”
“Im Berichtszeitraum wurden die Arbeiten in Kooperation mit der IAEO auf dem Gebiet der Weiterentwicklung von Software und Hardware für Geräte zur Spaltstoff-Überwachung und zur Verhinderung von Nuklearschmuggel fortgesetzt
und in mehreren Diplomarbeiten dokumentiert. Ein weiterer Schwerpunkt war die Untersuchung der Aktivierung des Abschirmbetons des TRIGA Reaktors im Hinblick auf einen in der Zukunft möglichen Abbau des Reaktors.”
“Im Rahmen des Spezialforschungsbereichs SCIEM2000 wurden in den letzten Jahren über 400 archäologische Fundstücke analysiert und anhand ihrer Zusammensetzung ihrem Herkunftsort zugeordnet. Eine klassische radiochemische
Methode ist die Traceranalyse, die besonders in den Life Sciences große Bedeutung
erlangt hat. Mit Hilfe dieser Technik konnte erstmalig gezeigt werden, dass fleischfressende Pflanzen aus ihren Beutetieren Kalium, Eisen und Mangan aufnehmen.
Die radioaktiven Tracer wurden durch Aktivierung im TRIGA Mark II Reaktor hergestellt.”
Es wird dort also nicht nur ganz normale Grundlagenforschung betrieben, sondern auch angewandte Forschung in den verschiedensten Disziplinen. Und auch wenn es um den Rückbau von Reaktoren geht oder um deren Überwachung ist es nötig, vorher entsprechende Forschungsarbeiten durchzuführen und das Personal (zum Beispiel die Atominspektoren) entsprechend auszubilden.
Ich weiß dass einige Leute meinen Artikel hier als Verteidigung der Atomenergie missverstehen werden. Da wird es auch nichts nutzen, wenn ich nochmal explizit sage, dass ich für einen Ausstieg bin. Aber hier geht es nicht um Atomkraftwerke und Energieerzeugung. Hier geht es um Forschung, die wichtig ist. Nicht, um noch mehr AKWs bauen zu können (Österreich hat übrigens nie Atomkraftwerke betrieben), sondern um besser über Atome Bescheid zu wissen. Um mehr über Strahlung zu lernen. Auch, um die bestehenden Kernreaktoren besser überwachen und den Ausstieg besser organisieren zu können.
Es ist absolut legitim, wenn man sich Gedanken darüber macht, ob diese Ziele in Zukunft vielleicht auch ohne Forschungsreaktoren erreicht werden können. Es ist aber reiner Populismus, wenn einfach die Abschaffung “der Atomforschung” gefordert wird. Das hat nichts mit seriöser Politik zu tun – und schon gar nicht mit Bildungspolitik! Hier geht es nur darum, mit vorurteilsbeladenen Worten wie “Atom” oder “Reaktor” Stimmung zu machen.
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