Viele der aktuellen kosmologischen Theorien mit denen die Entstehung und frühe Entwicklung des Universums beschrieben werden, erscheinen uns auf den ersten Blick etwas unglaubwürdig. Die Phänomene die dort beschrieben werden sind weit entfernt von dem, was wir aus unserem Alltag kennen und es fällt schwer, sich die Vorgänge im frühen Universum – abseits der Mathematik – konkret vorzustellen. Trotzdem ist die Urknallkosmologie durch Beobachtungsdaten gut bestätigt. Manche Theorien klingen aber nicht nur unglaubwürdig. Die Chancen stehen gut, dass sie auch unglaubwürdig sind.
Zum Beispiel einiges von dem, was sich Fred Hoyle ausgedacht hat. Hoyle war unbestritten einer der größten Astronomen des 20. Jahrhunderts (über die Frage ob nun Hoyle oder Hubble DER größte Astronom des 20. Jahrhunderts war, lässt sich wunderbar streiten). Die wichtigste Leistung von Hoyle war die Theorie der Nukleosynthese. Er konnte erklären, wie die Elemente aus denen unsere Welt besteht, Schritt für Schritt im Inneren der Sterne aufgebaut wurden. Hoyle hatte aber auch einige Ideen, die, vorsichtig ausgedrückt, eher unkonventionell waren. Die von ihm mit entwickelte Steady-State-Kosmologie gehört da noch nicht mal so wirklich dazu. Anfangs war das Steady-State-Universum eine durchaus brauchbare Alternative zum Urknall-Modell. Erst im Laufe der Zeit zeigten die Beobachtungsdaten immer deutlicher, dass das Steady-State-Universum nicht funktioniert (Hoyle hielt aber trotzdem bis zu seinem Tod daran fest). Hoyle hatte aber noch viel seltsamere Ideen. Er war zum Beispiel der Meinung, dass der interstellare Staub aus gefriergetrockneten Mikroorganismen besteht. Überall im Universum sollten diese Lebenskeime herumschweben und dabei auch immer wieder auf die Erde fallen. So sollte nicht nur das Leben auf unserem Planeten selbst entstanden sein. Die Mikroorganismen aus dem All sollten so auch immer wieder für den Ausbruch von großen Seuchen sorgen, zum Beispiel wenn ein Meteorit abstürzt und Krankheitserreger auf die Erde bringt. Mit dieser Theorie stand Hoyle relativ isoliert da. Es gab keine Belege dafür, dass der Staub im All lebendig war (und es gibt sie heute noch nicht) und Hoyle konnte nie einen brauchbaren Zusammenhang zwischen dem Ausbruch von Epidemien und Ereignissen im All nachwweisen.
Einer seiner wenigen Mitstreiter auf diesem Gebiet war der Astronom Chandra Wickramasinghe. Auch nach Hoyles Tod verfolgte er dessen Ideen weiter und Wickramasinghe veröffentlicht auch jetzt noch immer wieder Artikel, die auf den ursprünglichen Ideen von Hoyle basieren. Zum Beispiel die kürzlich veröffentlichte Arbeit mit dem Titel “Life-bearing primordial planets in the solar vicinity” über die auch in den Medien viel berichtet wurde.
Wickramasinghe stützt sich dabei auf die im letzten Jahr verkündete Entdeckung einer großen Zahl von “vagabundierenden Planeten”. Das sind Planten, die nicht an einen Stern gebunden sind, sondern sich frei durch die Milchstraße bewegen. Die entsprechende Arbeit war ein schönes und faszinierendes Stück Astronomie. Mit Wickramasinghes Artikel hat sie aber eigentlich wenig zu tun. Denn er und seine Kollegen untersuchen eigentlich ganz andere Planeten, die den vagabundierenden Planeten nur oberflächlich ähneln. Es geht um die sogenannten “primordialen Planeten”. Ausgehend von einer “Hydrogravitationsdynamik-Kosmologie” folgern Wickramasinghe et al, dass sich direkt nach dem Urknall schon Planeten gebildet haben. Schon 300000 Jahre nach der Entstehung des Universums hätten sich primordiale Planeten aus dem heißen Plasma geformt, das damals den Kosmos erfüllte. Es soll gewaltige 1080 dieser Planeten gegeben haben. Später hätten sich dann aus einigen dieser Planeten Sterne gebildet. Die restlichen blieben zurück. Sie sollen einen Kern aus Eisen haben, darum eine Schicht aus Silikaten und außen von einer Hülle aus flüssigen Wasser umgeben sein. Außerdem darüber noch eine dicke Schicht aus gefrorenem Wasserstoff. Diese Planeten (die laut Wickramasinghe auch gleich die Erklärung für die “dunkle Materie” liefern) sollen auch primitives Leben beherbergt haben. Sie befinden sich überall im Universum, vor allem aber umgeben sie Galaxien. Es kommt aber immer mal wieder vor, dass so ein Planet in die Galaxie selbst eindringt. Dabei wärmt er sich auf, der gefrorene Wasserstoff sublimiert und die Moleküle und Mikroorganismen die sich darunter befinden gelangen ins All. Auf ihrem Weg durch die Milchstraße durchquert die Sonne auch die Regionen, in denen sich die primordialen Planeten aufgelöst und Wolken mit Lebenskeimen zurückgelassen haben. So gelangte das Leben auf die Erde und auch auf andere Planeten in der Milchstraße. Oder, wie es Wickramasinghe und seine Kollegen dramatisch ausdrücken:
“One could thus envisage the entire galaxy to be a single connected biosphere where primordial planets play a crucial role in transmitting and mixing the genetic information needed for life to evolve and realize the fullest range of its evolutionary potential.”
Tja. Die Idee von Planeten die gleich nach dem Urknall entstanden sind und Leben beherbergen ist ohne Zweifel faszinierend. Für ihre Existenz gibt es allerdings keinerlei Belege und Wickramasinghe sprechen in ihrem Artikel auch nie darüber, wie man ihre Thesen durch Beobachtung bestätigen könnte. Und da sie aus ihrer Hypothese weitreichende Aussagen ableiten, würde es mich nicht wundern, wenn es auch Konflikte mit bestehenden Theorien geben würde. Die primordialen Planeten sollen ja angeblich nicht nur die dunkle Materie erklären, sondern auch die Entstehung der ersten Sterne. Für die Bildung von Galaxien sind sie außerdem verantwortlich. Das klingt alles schon ziemlich weit her geholt – was an sich kein Problem wäre. Der Mangel an Belegen allerdings schon, gerade wenn es um Hypothesen geht, die unser gesamtes Weltbild revolutionieren würden.
Fred Hoyle war nicht nur ein großer Astronom sondern auch ein begabter Science-Fiction-Autor. Seine Thesen vom lebendigen Staub aus dem All hat er auch in seinen Romanen aufgearbeitet. Dort wären wahrscheinlich auch die primordialen Planeten besser aufgehoben…
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