In den letzten Wochen wurde in allen On- und Offlinemedien über die Piratenpartei und das Urheberrecht diskutiert. Ich habe die Diskussion verfolgt (wenn ich auch sicher nicht alle relevanten Beiträge gelesen habe), ich habe mich selbst dazu geäußert – aber irgendwie ist die ganze Debatte sehr unbefriedigend. Da wird von den “Leibeigenen der Contenindustrie” gesprochen oder von den “Urheber-Lakaien der Verwertungsindustrie”. Jede Menge Leute erklären öffentlich: Wir sind die Urheber!. Jede Menge andere Leute antworten darauf und verkünden: Auch wir sind Urheber/innen!. Die ganze Debatte ist mittlerweile zu einem “WIR gegen SIE” geworden und das ist eigentlich ziemlich unsinnig. Vor allem, weil die Diskussion so enorm unkonkret ist und hauptsächlich aus populistischen Vorwürfen besteht. Die einen behaupten, dass die anderen den “profanen Diebstahl geistigen Eigentums (…) rechtfertigen oder gar seine Legalisierung zu fordern.”. Die anderen meinen, die einen hätten vor “die Möglichkeiten und Freiheiten des Internets durch technische Maßnahmen und Gesetze zu beschneiden”. Ein Grund für solche absurden Äußerungen ist sicherlich der schnelle Aufstieg der Piratenpartei, kombiniert mit ihren oft noch nicht ganz detailliert ausgearbeiteten Positionen. Die politischen Gegner verbreiten Gerüchte, die Medien verstehen vieles falsch und am Ende sind die Piraten das Schreckgespenst, die alles abschaffen wollen, was uns lieb und teuer ist. Das löst Widerstand und Protest aus und die Piraten fühlen sich (oft zu Recht) falsch verstanden. Der Widerstand und der Protest der Piraten gegen diejenigen, die angeblich das “freie Internet” abschaffen wollen, bestätigt wiederum das, was ihre Gegner schon lange befürchten.
Die Piraten wollen die Dinge ändern, ohne dabei aber konkret und verbindlich sagen zu können, wie das passieren soll. Und die anderen haben Angst, dass diese Veränderungen sie irgendwie negativ beeinträchtigen werden. Einen der vernünftigsten Texte zum Thema hat letzte Woche der innen- und kulturpolitischer Sprecher der Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus Berlin, Christop Lauer, geschrieben. Er sagt am Ende:
“Lasst uns endlich vernünftig miteinander reden.”
Genau das möchte ich machen! Ich will keinen offenen Brief an irgendwen schreiben. Ich will keinen Aufruf von irgendwem unterzeichnen (habe ich bis jetzt auch nicht gemacht). Ich will nicht gegen “die Piraten” schimpfen oder gegen “die Verwertungsindustrie”. Ich will ganz konkret reden. Ich will konkret wissen, wie sich die Piraten die Zukunft vorstellen. Ich will wissen, was diese Zukunft für mich bedeutet. Darum habe ich ein paar ganz konkrete Fragen an die Piraten, auf die ich mir Antworten erhoffe. Liebe Piraten, lasst uns endlich vernünftig miteinander reden!
Ich bin Urheber. Ich habe keine der oben genannten Listen und Petitionen unterschrieben. Ich bin kein Pirat. Ich bin kein Gegner der Piraten. Ich gehöre keiner politischen Partei an. Aber ich bin definitiv ein Urheber. Ich schreibe Texte für diverse Internetblogs. Ich schreibe Texte für Zeitschriften und Magazine. Ich schreibe Bücher. Und ich verdiene damit Geld. Ich bin Urheber. Aber trotzdem habe ich nicht vor, “die Möglichkeiten und Freiheiten des Internets durch technische Maßnahmen und Gesetze zu beschneiden”. Ich habe aber auch nicht vor, den “profanen Diebstahl geistigen Eigentums zu rechtfertigen”. Das alles interessiert mich nicht und diese Slogans sind mir auch zu dumm. Ich möchte konkret reden. Also werden wir konkret.
Ich schreibe gerade an einem Buch. Der Text wird im Herbst fertig sein. Wenn es nach der Piratenpartei geht: Was soll ich dann damit machen? Wie wird – in einer Welt in der alles so läuft wie die Piratenpartei das gerne hätte – damit umgegangen werden? Was kann ich mit dem Text machen? Was darf ich damit machen? Was dürfen andere damit machen?
Ich probiere mal, ein paar mögliche Antworten vorweg zu nehmen und zu erklären, warum sie aus meiner Sicht nicht befriedigend sind.
Eine sehr radikale Antwort und eine, die vermutlich nur von einer Minderheit vertreten wird, könnte lauten: “Veröffentliche den Text deines Buches online und gib ihn bedingungslos frei! Wissen und Informationen sollen frei sein und die Information im Internet lässt sich sowieso nicht beschränken. Außerdem darf man den Informationsaustausch auch nicht beschränken.”
Es ist nicht schwer zu erklären, warum ich dieser Antwort nicht viel abgewinnen kann. Ja, es ist durchaus richtig und oft auch sehr wichtig, dass Informationen und Wissen frei für alle verfügbar sind. Wikipedia ist dafür das beste Beispiel. Hier investieren sehr viele Menschen sehr viel Arbeit und schreiben Texte, die für alle freigegeben werden. Ich bin der Letzte, der diese Bemühungen kritisieren will (ich habe lange selbst bei Wikipedia mitgearbeitet). Aber ich möchte hier ja konkrete Antworten. Ich möchte nicht über allgemeine Prinzipien der Informationsfreiheit im Internet sprechen. Ich will wissen, was ich mit meinem Buch machen soll, dass ich im Herbst fertig geschrieben haben werde. Ich bin Wissenschaftsautor. Ich lebe vom Schreiben. Ich habe viel Arbeit in das Buch investiert und in diesem Fall möchte ich meine Arbeit nicht einfach verschenken. Den Text meines Buches für alle frei zu geben ist also keine Option für mich.
“Aber”, könnte eine weitere mögliche Antwort lauten, “warum beharrst du denn darauf, vom Schreiben leben zu müssen? Such dir doch einen anderen Job mit dem du dein Geld verdienst. Und wenn du unbedingt Bücher schreiben willst, dann schreibe sie in deiner Freizeit. Dann musst du damit auch kein Geld verdienen und kannst das Buch auch einfach so freigeben. Keiner hat dich gezwungen, Autor zu werden!”
Richtig. Keiner hat mich gezwungen, meinen Lebensunterhalt als Wissenschaftsautor zu verdienen. Ich könnte auch bei Aldi an der Kasse sitzen, Taxi fahren oder als Kellner arbeiten und Blog und Bücher in der Freizeit schreiben. Das könnte ich. Das will ich aber nicht! Versteht mich nicht falsch. Ich fordere nicht, dass die Gesellschaft mich jetzt gefälligst zu finanzieren hat, nur weil ich gerade Lust habe, Autor zu sein. Das wäre absurd. Ich verlange nicht das Recht, als Autor leben zu können. Aber ich hätte gerne die Möglichkeit als Autor leben zu können. Wenn ich schrottige Bücher schreibe, die keinen Menschen interessieren, dann habe ich Pech gehabt. Dann muss ich mir tatsächlich einen anderen Job suchen. Aber wenn das, was ich schreibe, gut genug ist um anderen Menschen zu gefallen und wenn diese Menschen bereit sind, mich dafür zu bezahlen: Dann möchte ich die Möglichkeit haben, davon zu leben. Das kann ich aber vermutlich nicht, wenn meine Texte überall frei im Internet verfügbar sind.
“Dann musst du dich eben von den klassischen Methoden der Verwertungsindustrie lösen!”, könnte man darauf antworten. “Du darfst das Internet nicht als Gefahr sehen, die deinen Lebensunterhalt bedroht sondern als neue Möglichkeit. Lass dich nicht von der Contentmafia abzocken. Das Internet bietet Urhebern die Möglichkeit, direkt mit den Usern in Kontakt zu treten. Du brauchst die ganze Industrie dazwischen nicht!”.
Ja, das klingt prinzipiell gut. Aber – und das ist die wichtige Frage um die es in diesem Artikel geht – wie soll das konkret ablaufen? Wie? Ich schreibe also mein Buch. Und dann? Stelle ich es bei amazon als ebook ein? Mache ich mir einen eigenen Webshop und verkaufe es dort? Stelle ich es vielleicht doch einfach frei ins Netz und bitte die User um Spenden, Flattr-Klicks oder ähnliches? Bezahlt mich irgendeine Organisation in Form einer “Kulturflatrate” für mein Buch und wenn ja, nach welchen Kriterien wird entschieden, wie viel ich bekomme? Wie soll das konkret ablaufen?
Seinen Lebensunterhalt durch Spenden und den Flattr-Button zu finanzieren halte ich für illusorisch. Abgesehen davon dass es psychologisch sehr unbefriedigend ist, für seine Arbeit “betteln” gehen zu müssen, wird man so in den seltensten Fällen genug Geld zusammen kriegen, um davon leben zu können. Es mag unter speziellen Umständen und ausreichend Prominenz vorausgesetzt vielleicht funktionieren, wenn es darum geht, ein Buch zu veröffentlichen. Aber in anderen Branchen klappt das nicht mal theoretisch (Man denke nur an Journalisten. Die können nicht einfach so lange Spenden sammeln, bis sie genug Geld zusammen haben, um dann zum Beispiel nach Afghanistan fliegen und über den Krieg zu berichten zu können). Aber es gibt noch einen viel wichtigeren Grund, warum ich glaube, dass der direkte Kontakt zwischen User und Urheber nicht unbedingt optimal ist. Denn ich möchte Bücher schreiben. Wenn ich mich aber direkt an den User wende, dann muss ich nicht (nur) Autor sein, ich muss vor allem Verkäufer sein. Ich muss Marketingmensch sein. Es nutzt nichts, wenn ich mein Buch einfach online stelle und dann abwarte (ausgenommen man ist sowieso schon prominent). Ich muss mein Buch aktiv verkaufen. Ich muss mit Zeitungen und dem Fernsehen reden und sie dazu bringen, über mein Buch zu berichten. Ich muss mit den Buchhändlern reden und sie dazu bringen, dass Buch in ihr Sortiment aufzunehmen. Ich muss Werbung und PR machen. Aber das will ich nicht. Ich möchte kein Verkäufer und kein Werber sein. Glücklicherweise muss ich das auch nicht (und hier stimmt mir zumindest Christoph Lauer in seinem FAZ-Artikel zu: “Der Vertrieb ist aber nicht Aufgabe von Urhebern und Konsumenten”).
Die böse “Verwertungsindustrie” nimmt mir das nämlich gerne ab! Ich weiß, die Verlage nehmen Geld von den Autoren. Aber das ist ok! Ich schreibe ein Buch, habe aber weder die Kontakte noch die Infrastruktur das Buch selbst zu publizieren und zu bewerben. Und vor allem habe ich keine Lust, diese Arbeiten zu erledigen! Der Verlag aber hat diese Kontakte, die Infrastruktur und die Lust, diese Arbeit für mich zu erledigen. Und für diese Arbeit steht dem Verlag natürlich auch eine entsprechende Entlohnung zu; es ist also durchaus gerecht, wenn Autor und Verlag sich den Gewinn teilen. Ich weiß also nicht, was prinzipiell so schlecht an Verlagen sein soll (dass es in konkreten Fällen Verlage gibt, die mit ihren Verträgen Autoren ausbeuten will ich nicht bezweifeln, hat aber auch mit dem Thema nichts zu tun).
Meine aktuelle Planung sieht also derzeit vor, mein Buch – so wie auch die Bücher davor – bei einem Verlag zu veröffentlichen. Es wird nicht kostenlos erhältlich und im Internet frei verfügbar sein. Man wird dafür bezahlen müssen. Und wenn sich genug finden, die das tun, dann werde ich ein paar Monate länger vom Schreiben leben können.
Aber ich möchte wissen, wie es anders sein könnte. Die Piraten wollen, dass sich die Dinge ändern. Wie sollen sie sich ändern? Ich wiederhole die Frage noch einmal: Was, ganz konkret, sollte ich eurer Meinung nach mit meinem Buch anstellen? Wie sollte ich es veröffentlichen, wenn es nach euch ginge? Welche Möglichkeiten habe ich, mit meinem Buch Geld zu verdienen? Und wie sollen diese Möglichkeiten konkret umgesetzt werden?
Ich habe keine Lust mehr, auf diese ganze Urheberrechtsdebatte und diese Grabenkämpfe zwischen “Urhebern” und “Piraten”. Ich habe keine Lust mehr auf Parolen, Gerüchte und gegenseitige Unterstellungen. Ich möchte konkrete Vorstellungen hören um mir eine echte und informierte Meinung bilden zu können. Ich möchte vernünftig reden.
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