Erst kürzlich wurden neue Daten über die Anzahl der potentiell gefährlichen Asteroiden veröffentlicht: Es gibt etwa 4700 von ihnen und einer davon ist 1999 RQ36. Er wurde am 11. September 1999 entdeckt und ist knapp 500 Meter groß. Im Februar 2009 geriet der Asteroid in die Schlagzeilen, weil man herausgefunden hat, dass er zwischen 2169 und 2199 der Erde nahe kommen wird und eine sehr, sehr kleine Chance einer Kollision bestand (Die Wahrscheinlichkeit dass 1999 RQ36 an der Erde vorbei fliegt beträgt 99.929%). Im Juli 2010 wurde der Asteroid dann noch einmal als Füllmaterial für das Sommerloch benutzt – vielleicht auch deswegen, weil die NASA damals gerade dabei war, zu entscheiden, ob der Felsbrocken Ziel einer eigenen Mission werden sollte. Man entschied sich dafür und wenn alles nach Plan läuft, dann wird 2020 die Raumsonde OSIRIS-REx dort landen.
Das steht für “Origins, Spectral Interpretation, Resource Identification, Security, Regolith Explorer” und fasst im wesentlich zusammen, um was es bei der Mission geht. Man will Proben von der Oberfläche des Asteroiden (“Regolith Explorer) zurück zur Erde bringen um herauszufinden, woraus er genau besteht. Das ist wichtig, um mehr über den Ursprung der Asteroiden und Planeten im Sonnensystem zu lernen (“Origins”). Es ist wichtig, dieses Material zu untersuchen um die Beobachtungsdaten anderer Asteroiden und die daraus gewonnenen Lichtspektren besser zu verstehen (“Spectral Interpretation”). Man wird besser verstehen können, was sich bei Asteroiden für Rohstoffe finden (“Resource Identification”). Und schließlich ist Kenntnis über die Zusammensetzung eines Asteroiden auch wichtig, wenn man eine drohende Kollision verhindern will (“Security”).
Da 1999 RQ36 also demnächst Ziel einer NASA-Mission wird, ist es auch nicht verwunderlich, wenn er in letzter Zeit genauer unter die Lupe genommen wurde. Aus den Daten, die zwischen 1999 und 2005 gewonnen wurden hat man, zusammen mit neuen Daten aus dem letzten Jahr, herausgefunden, dass die Position des Asteroiden um etwa 160 Kilometer von der erwarteten Position abweicht. Zumindest dann, wenn man nur die Gravitation berücksichtigt. Gerade wenn es um kleinere Himmelskörper wie Asteroiden geht, muss man aber auch die nicht-gravitativen Kräfte beachten. Einen davon habe ich früher schon mal detailliert beschrieben: den Jarkowski-Effekt. Im Wesentlichen geht es dabei um die Art und Weise wie ein Himmelskörper sich aufheizt. Auch auf einem Asteroiden gibt es Tag und Nacht. Die kleinen Felsbrocken rotieren aber meist viel schneller als die Erde, auf der ein Tag-und-Nacht-Zyklus ganze 24 Stunden dauert. Die Tagseite eines Asteroiden ist wärmer als die Nachtseite. Wenn die warme Tagseite sich in die Nacht hinein dreht, kühlt sie aus. Weil sie wärmer ist, gibt sie mehr Wärme ab als die noch kalte Nacht- bzw. Vormittagsseite. Wärme ist aber nichts anderes als elektromagnetische Strahlung. Wenn ein Körper die abgibt, dann gibt es einen “Rückstoß” und der ist in diesem Fall nicht symmetrisch. Es wirkt eine Kraft und die bewegt den Asteroid. Nur minimal, aber im Laufe der Zeit kann sich das summieren. Zum Beispiel auf die 160 Kilometer Abweichung, die man bei 1999 RQ36 gemessen hat.
Solche Ergebnisse sind nicht nur interessant, sondern auch wichtig! In meiner Serie über Asteroidenabwehr (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5) habe ich ja beschrieben, dass der Jarkowski-Effekt theoretisch auch gezielt eingesetzt werden könnte, um die Bahn eines Asteroiden zu verändern. Dazu muss man natürlich vorher so viel wie möglich darüber wissen. Solche Daten helfen uns auch, die Modelle zu verbessern, mit denen wir die Eigenschaften der Asteroiden beschreiben.
2009 haben Andrea Milani von der Uni Pisa und seine Kollegen berechnet, wie stark sich der Jarkowski-Effekt auf 1999 RQ36 auswirken würde (“Long-term impact risk for (101955) 1999 RQ36”). Dabei kamen sie auf eine Bahnänderung von 200 Metern pro Jahr. Viel weniger als das, was man tatsächlich gemessen hat. Grund dafür sind die vielen Unbekannten. Kleine Asteroiden sind auch in den größten Teleskopen nur als winzige Lichtpunkte zu sehen. Daraus Informationen über ihre Form, ihren chemischen Aufbau, die Art und Weise wie sie rotieren oder die Zusammensetzung ihrer Oberflächenmaterialien zu lernen ist knifflig. Aber all diese Informationen sind nötig, um die Auswirkungen des Jarkwoski-Effekts korrekt berechnen zu können.
Hoffen wir also, dass die OSIRIS-REx-Mission ein Erfolg wird. 2016 soll gestartet werden, 2020 wird die Sonde beim Asteroid ankommen und 2027 ist die Rückkehr zur Erde geplant. Dann haben wir Material vom Asteroid für unsere Labors und wissen besser Bescheid über ihn. Hoffentlich so gut Bescheid, um im unwahrscheinlichen Fall einer Kollision in 160 Jahren entsprechende Maßnahmen einleiten zu können.
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