Planeten in Doppelsternsystemen sind nicht selten. Die meisten Sterne sind nicht alleine sondern Teil eines Doppel- oder Mehrfachsystems. Genauso wie viele der bisher entdeckten Exoplaneten. Allerdings umkreisen sie dabei immer nur einen der beiden Sterne. Wenn der andere Stern ausreichend weit entfernt ist, dann besteht aus dynamischer Sicht kaum ein Unterschied zu einem Planeten, der einen Einzelstern umkreist (siehe z.B. das Bild in diesem Artikel). Auch die Planetenentstehung läuft in diesem Fall fast gleich ab. Der zweite Stern ist weit genug weg, um keinen relevanten gravitativen Einfluss darauf zu haben. Planeten, die außen um beide Sterne kreisen kannte man bis vor kurzem nicht. Letztes Jahr im September wurde aber Kepler-16 (AB)b entdeckt. Dieser Planet umkreist zwei Sterne in engen Abstand. Auch bei den Doppelsternen Kepler-34 und Kepler-35 hat man solche Planeten entdeckt. Die Planetenentstehung ist hier aber wesentlich komplizierter…
Die Grundlagen der Planetenentstehung sind leicht zu verstehen. Zu Beginn ist ein junger Stern von einer Scheibe aus Staub und Gas umgeben. Die Staubteilchen stoßen miteinander zusammen und bleiben aneinander kleben. Sie wachsen zu immer größeren Brocken, den Planetesimalen. Irgendwann sind meter- bzw. kilometergroße Felsbrocken entstanden. Auch sie kollidieren miteinander und so wachsen aus den Felsbrocken irgendwann große Planeten.
Ob bei einer Kollision zwischen zwei großen Felsbrocken im All ein neuer, noch größerer Himmelskörper entsteht oder beide sich gegenseitig zerstören, hängt von der Art und Weise ab,wie sie aufeinander treffen. Vor allem die Geschwindigkeit ist hier wichtig. Je schneller die Kollision, desto größer die Chance auf eine destruktive Kollision. Der kosmische Staub wächst dann nicht bis zu Planetengröße weiter, sondern wird wieder zu Staub. Bei einer Staubscheibe, die ein enges Doppelsternsystem umgibt, ist genau das der Fall. Die komplexeren gravitativen Störungen sorgen hier dafür, dass die Felsbrocken vermehrt stark exzentrische Bahnen haben. Sie umkreisen den Doppelstern also nicht auf kreisförmigen sondern auf sehr ovalen Bahnen. Dadurch erhöht sich auch die potentielle Kollisionsgeschwindigkeit, denn je exzentrischer eine Bahn ist, desto schneller ist der Himmelskörper, wenn er sich an seinem sternnächsten Punkt befindet (das besagt das zweite Keplersche Gesetz).
In Staubscheiben um Doppelsternen ist es also schwieriger, große Planeten aus kleinen Felsbrocken zu bauen. Die Kollisionen sind hier destruktiv und die Himmelskörper können nicht anwachsen. Oder doch? Denn ein paar konstruktive Kollision wird es trotzdem immer wieder mal geben. Einige größere Objekte könnten also vielleicht entstehen. Und da bei den restlichen Kollisionen die Himmelskörper immer zerstört werden, müssen sich die wenigen Überlebenden zwangsläufig durch große Trümmerwolken bewegen. Diese kleinen Trümmer können auf die größeren Planetesimalen fallen und sie so weiter anwachsen lassen. Das könnte reichen, um trotzdem ausgewachsene Planeten entstehen zu lassen.
Ob es auch wirklich reicht, haben Sijme-Jan Paardekooper von der Uni Cambridge in England und seine Kollegen durchgerechnet. Sie haben den Fall von Kepler-16 (AB)b simuliert. Das System sieht so aus:
Rot und orange sind die Bahnen der beiden Sterne eingezeichnet und blau zeigt, wo sich der Planet bewegt. Zum Vergleich ist in schwarz noch die Erdbahn im gleichen Maßstab eingezeichnet. Es ist also ein wirklich enges System. Paardekooper und seine Kollegen haben die Entstehung von Planeten nun am Computer simuliert. Sie fingen mit einer Scheibe an, die aus Planetesimalen von einem Kilometer Größe besteht. Sie beobachteten, ob die Felsbrocken kollidieren und wenn ja, ob sie sich dabei zerstören oder ob sie anwachsen. Und sie untersuchten, ob die aufgesammelten Trümmer einen relevanten Einfluss haben. So sehen die Ergebnisse aus:
Hier sehen wir das Profil der Staub- und Gasscheibe nach der Simulation. Das Diagramm zeigt an, wie viel Masse (y-Achse, in Einheiten von 1-km Planetesimale) sich in einem bestimmten Abstand (x-Achse, in Astronomischen Einheiten) vom Zentrum befindet. Die grünen Linien zeigen die Masse der Felsbrocken, die roten die des Staubs (schwarz ist die Gesamtmasse). Die durchgezogenen Linien zeigen das Ergebnis für den Fall bei dem das Aufsammeln von Material aus der Trümmerwolke berücksichtigt wurde, bei den gestrichelten Linien wurde das ignoriert.
Man sieht sofort den Unterschied zwischen den durchgezogenen und gestrichelten Linien. Wenn man einfach nur die Kollisionen berücksichtigt und ignoriert, dass die Kollisionstrümmer auch wieder aufgesammelt werden können, dann wachsen die Planetesimale kaum an (grüne gestrichelte Linie). Berücksichtigt man diesen Effekt aber, dann sinkt die Masse des Staubs (durchgezogene rote Linie) und die Masse der Planetesimale wächst (durchgezogene grüne Linie). Es können also auch in solch engen Doppelsternsystemen größere Planetesimale entstehen.
Eine detaillierte Untersuchung der Ergebnisse zeigte allerdings, dass das nicht ausreicht. Es gibt nicht genug große Planetesimale um daraus Planeten wie bei Kepler-16, Kepler-34 oder Kepler-35 entstehen zu lassen. Die Planeten sind aber trotzdem da. Wie also sind sie nun entstanden? Paardekooper et al. schlagen zwei Möglichkeiten vor. Teile der Gas- und Staubscheibe könnten durch gravitative Störungen direkt kollabieren und so direkt Planetesimale von etwa 10 Kilometer Größe zu formen. Mit diesen großen Himmelskörpern als Ausgangspunkt funktioniert der Prozess der Planetenentstehung ausreichend effizient um große Planeten entstehen zu lassen. Die Sache mit dem Gravitationskollaps ist allerdings sehr unwahrscheinlich und vor allem unnötig kompliziert. Viel wahrscheinlicher und einfacher wäre es, wenn die Planeten weiter weg vom Doppelstern entstanden sind. Weiter draußen sind die Störungen nicht so stark, von dort aus wirken die beiden Sterne im wesentlichen wie ein einziger und alles läuft normal ab. Durch die Interaktion mit den Resten der Scheibe ist der Planet dann nach seiner Entstehung näher an den Doppelstern gewandert. Diese planetare Migration ist ein bekanntes Phänomen und spricht nichts dagegen, dass es auch in diesen Systemen stattgefunden hat.
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