Wenn es ein großes Thema gibt, das sich durch die gesamte Geschichte der Astronomie zieht, dann ist es der Versuch, Dinge zu sehen, die man eigentlich nicht sehen kann. Das fing mit den ersten simplen Teleskopen an, die Sterne zeigten, die noch niemand vorher gesehen hatte. Und es ging weiter mit immer ausgeklügelteren Methoden, um dem Licht Informationen zu entlocken, von denen man nicht dachte, dass sie überhaupt drin stecken. Die chemische Zusammensetzung der Sterne, die Geschwindigkeit mit der sie sich bewegen, ihr Alter, die Dynamik des Gases aus dem sie bestehen, die nuklearen Vorgänge in ihrem Inneren und noch viel viel mehr: All das können die Astronomen aus der Untersuchung des Lichts ableiten, dass sie vom Stern sehen. Anders geht es ja auch nicht, denn mehr als Licht steht ihnen nicht zur Verfügung. Sterne sind viel zu weit weg für direkte Untersuchungen.
In letzter Zeit schaffen es die Astronomen aber auch immer öfter, Dinge zu sehen, die man eigentlich gar nicht sehen kann. Extrasolare Planeten zum Beispiel. Die sind so gut wie immer viel zu klein, zu weit weg und zu dunkel um direkt beobachtet zu werden. Man entdeckt sie auf indirekte Art und Weise, in dem man den subtilen Einfluss ausnutzt, den sie auf ihren Stern haben und in seinem Licht nach dessen Spuren sucht. Mit solchen Methoden ist es nun gelungen, einen Planeten zu wiegen, den man nicht sehen kann.
Es gibt zwei hauptsächliche Methoden, um extrasolare Planeten zu entdecken und sie liefern unterschiedliche Informationen über den entdeckten Himmelskörper. Bei der sogenannten “Radialgeschwindigkeitsmethode” nutzt man die Tatsache aus, dass jeder Planet mit seiner Gravitationskraft ein klein wenig an seinem Stern zieht und ihm zum “Wackeln” bringt. Das Wackeln kann man messen, denn es führt dazu, dass sich der Stern in periodischen Abständen immer wieder auf die Erde zu und von ihr weg bewegt. Natürlich nur minimal. Zuerst wackelt er in unsere Richtung, dann wackelt er von uns weg, dann wieder zu uns hin, und so weiter. Eine Lichtquelle, die sich bewegt, während sie Licht austrahlt, unterliegt aber immer dem Dopplereffekt: Die Lichtwellen werden ein wenig gestaucht beziehungsweise gestreckt, je nachdem in welche Richtung sich der stern bewegt. Das kann man messen und so die Planeten indirekt entdecken.
Leider lässt sich damit die Masse des Planeten nicht genau bestimmen. Das ist leicht zu verstehen. Je massereicher der Planet ist, desto stärker wackelt der Stern. Aber wie stark wir den Stern wackeln sehen, hängt auch von unserem Blickwinkel ab. Wenn wir genau von “oben” auf die Bahnebene Planeten blicken, dann sehen wir überhaupt kein Gewackel. Denn das findet immer in der Ebene statt. Blicken wir stattdessen genau von “vorne” auf das System, dann sehen wir maximales Gewackel. Und blicken wir schräg auf das System, dann liegt der sichtbare Effekt des Gewackels irgendwo dazwischen. Leider weiß man im Allgemeinen nicht, aus welchem Winkel man auf ein Planetensystem blickt – man sieht die Planeten ja nicht! Wackelt der Stern stark, kann es sich also um einen massereichen Planeten handeln. Oder um einen kleinen Planeten, den wir zufällig gerade unter einem günstigen Winkel sehen. Bei der Radialgeschwindigkeitsmethode lässt sich immer nur eine Untergrenze für die Masse eines Planeten angeben (was oft dazu führt, dass man gar nicht sicher weiß, ob man einen Planeten entdeckt hat, oder doch etwas viel schwereres wie zum Beispiel einen braunen Zwerg).
Es gibt auch noch die Transitmethode. Dabei sucht man nach Planeten, die von uns aus gesehen direkt vor ihrem Stern vorüber ziehen. Dabei blockieren sie jedesmal ein kleines bisschen seines Lichts und diese periodischen Verdunkelungen kann man beobachten. Bei einem Transit müssen wir direkt von “vorne” auf das System blicken, ansonsten könnten wir ihn gar nicht beobachten. Wir kennen also den Blickwinkel und wenn wir jetzt noch eine Messung mit der Radialgeschwindigkeitsmethode nachschieben, können wir die Masse des Planeten recht genau bestimmen. Das ist allerdings sehr aufwendig. Man braucht unterschiedliche Instrumente, muss bei beiden Methoden oft monate- bis jahrelang beobachten und es gibt sehr viele Sterne, bei denen schlicht und einfach kein Transit beobachtbar ist, weil wir nicht unter dem richtigen Winkel auf ihn sehen.
Drei Wissenschaftler der Universität Barcelona haben es nun aber erstmals geschafft, die genaue Masse eines Planeten zu bestimmen, bei dem kein Transit zu beobachten ist. Dazu haben sie sich die Atmosphäre des Planeten angesehen, der nicht zu sehen ist…
Wenn man den Dopplereffekt benutzt, um mit der Radialgeschwindigkeitsmethode nach Planeten zu suchen, dann muss man Spektrallinien beobachten. Wenn Licht durch das Gas eines Sterns strahlt, dann erzeugen die verschiedenen chemischen Elemente aus denen es besteht, ein “Spektrum”. Spaltet man das Licht mit einem Prisma in seine Bestandteile auf, dann sieht man viele dunkle Bereiche. Hier haben – simpel gesagt – die Atome des Gases das Licht blockiert. Das macht jedes chemische Element bei ganz bestimmten und charakteristischen Wellenlängen. Aus der Abfolge der dunklen Linien im Spektrum kann man also bestimmen, aus welchen Elementen der Stern besteht. Aber nicht nur das. Wegen des Dopplereffekts verschieben sich die Linien ein kleines bisschen, wenn der Stern wackelt. Auf diese Art und Weise kann man die Stärke des Wackelns messen und Planeten entdecken.
Künstlerische Darstellung des Planeten Tau Bootis b (
Florian Rodler und seine Kollegen von der Uni Barcelona sind aber noch einen Schritt weiter gegangen. Planeten leuchten nicht von selbst. Aber sie reflektieren das Licht des Sterns. Viel zu wenig, damit wir es direkt sehen können – so gut wie immer wird der Planet vom wesentlich helleren Stern überstrahlt. Aber das Licht des Planeten ist trotzdem da. Ein kleiner Teil des Lichts, das uns vom Stern erreicht, wurde vorher vom Planeten reflektiert. Dabei ist es auf seine Atmosphäre getroffen. Ein paar neue Spektrallinien wurden erzeugt. Und weil sich der Planet natürlich, verschieben sich auch diese Spektrallinien. Die Verschiebung ist stärker als bei den Linien des Sterns und so kann man sie auseinander halten. So kann man indirekt die Bewegung des Planeten um den Stern beobachten und daraus bestimmen, unter welchem Blickwinkel man auf das System sieht. Und das erlaubt es einem schließlich, die Masse des Planeten zu berechnen.
So weit die Theorie. Die Praxis ist wesentlich schwieriger. Es ist verdammt schwer, die schwachen Linien des Planeten im Spektrum des Sternenlichts zu finden und sie so genau zu vermessen, um die Rechnungen in der nötigen Genauigkeit anstellen zu können. Bis jetzt sind diese Messungen immer fehlgeschlagen. Florian Rodler und seine Kollegen waren aber jetzt endlich erfolgreich. Sie untersuchten den Planeten Tau Bootis b. Von dem wusste man bisher nur, dass er seinen Stern enorm nah umkreist und auf jeden Fall viel schwerer als Jupiter ist. Eine genaue Masse war aber nicht bekannt. Mit Beobachtungen am Very Large Telescope in Chile schafften sie es aber, die Spektrallinien des Planeten zu vermessen und fanden heraus, dass wir unter einem Winkel von 47 Grad auf das System blicken. Das bedeutet, dass der Planet 5.6 +/- 0.7 Jupitermassen schwer ist. Interessanterweise hat ein anderes Team von Wissenschaftlern völlig unabhängig von der Gruppe aus Barcelona die gleichen Messungen am gleichen Planeten angestellt und das auch noch fast zur gleichen Zeit. Sie haben eine Masse von 5.95 +/- 0.28 Jupitermassen bestimmt. Innerhalb der Fehlergrenzen stimmen also bei Ergebnisse überein.
Coole Sache! Und ich bin schon gespannt auf die nächsten Ergebnisse. Am Himmel gibt es so viel zu sehen. Selbst dort, wo man nichts sehen kann 😉
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