Das Landgericht Köln am 7. Mai 2012 entschieden, dass die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen strafbar ist. Die politischen Parteien Deutschlands wollen nun aber, dass Kinder weiterhin beschnitten werden dürfen. Nicht nur die Regierungsparteien, auch SPD und Grüne sind für eine gesetzliche Regelung, bei der die Beschneidung weiterhin straffrei bleibt. Wieder einmal werden der Religion also Sonderrechte eingeräumt…
Diese Sache ärgert mich wirklich. Vor allem, weil sie so scheinheilig ist. Da wird mit “Rechtsfrieden für jüdisches und islamisches religiöses Leben” argumentiert. Mit der “Religionsfreiheit”. Guido Westerwelle sagt:
“Es muss klar bleiben, dass in Deutschland die freie Religionsausübung geschützt ist. Dazu zählt auch der Respekt religiöser Traditionen”
Ich habe kein Problem mit der Religionsfreiheit. Jeder soll die Religion ausüben dürfen, die er ausüben will. Aber neben der Religionsfreiheit gibt es auch noch ein paar andere Rechte. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit zum Beispiel; immerhin ein Grundrecht im deutschen Gesetz. Und auch Kinder haben Rechte…
Es geht hier nicht um die Frage, ob Juden oder Moslems mit dieser Entscheidung ein Problem haben oder nicht. Es geht um die Frage, was wichtiger ist: Das Recht eines Kindes auf körperliche Unversehrtheit oder die Religionsfreiheit.
Eine Handlung steht nicht automatisch außerhalb des Gesetzes, nur weil sie aus religiösen Gründen durchgeführt wird! In der Klatschpresse wird derzeit ständig über die Trennung von Tom Cruise und Katie Holmes diskutiert und die Medien überbieten sich gegenseitig darin, sich Horrorgeschichten über das Schicksal ihrer 6-jährigen Tochter auszudenken. Die musste ja vor der Scientology-Sekte gerettet werden. Aber warum eigentlich? Was auch immer bei Scientology mit den Kindern gemacht wird (und ich bezweifle nicht, dass es Dinge sind, die mit keinem Kind gemacht werden sollten!), es geschieht aus religiösen Gründen. Warum muss das nicht respektiert werden? Nur weil es Scientology noch nicht so lange gibt, die Juden und Moslems aber schon seit Jahrtausenden an den Geschlechtsteilen von Kindern herumschnippeln?
Mir ist bewusst, dass es eine komplexe Entscheidung ist. Mir ist bewusst, dass sich gläubige Juden und Moslems durch ein Verbot in der Ausübung ihrer Religion behindert fühlen. Aber – und mir ist sehr bewusst, dass das eine provokante Frage ist – muss uns das kümmern? Entweder eine Beschneidung Minderjähriger ohne medizinische Notwendigkeit ist ein Verstoß gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Dann wäre es fahrlässig und gegen die Menschenrechte, das weiterhin zuzulassen. Wenn es um den Protest gegen die Beschneidung von Frauen geht, stört sich ja auch niemand an den “religiösen Traditionen”. Oder eine Beschneidung Minderjähriger ohne medizinische Notwendigkeit ist kein Verstoß gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Dann ist das Problem nicht existent.
Das ist die Entscheidung, die die Gesetzgeber treffen müssen. Es darf nicht darum gehen, ob es sich hier um eine “religiöse Tradition” handelt. Ob die Religionen ein Problem mit dem Verbot hätten.Oder ob die Beschneidung schon seit langer Zeit durchgeführt wird. Wenn eine Beschneidung Minderjähriger ohne medizinische Notwendigkeit ein Verstoß gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist, dann ist es um so schlimmer, dass sie schon seit Jahrtausenden durchgeführt wird und gehört erst recht schnellstens verboten. Wenn sich Erwachsene, die wissen was sie tun, dafür entscheiden, sich beschneiden zu lassen, dann ist das ihre Sache. Aber warum muss man Kindern diese Entscheidung aufzwingen? Erlauben wir eine Handlung, die ansonsten strafbar wäre nur deswegen, weil sie von einer religiösen Gruppierung durchgeführt wird? Wenn ja, warum?
Die freie Ausübung der Religion ist in einem demokratischen Land wie Deutschland zu schützen. Aber die Rechte der Kinder, die sich nicht wehren und nicht für sich selbst sprechen können, sind ebenfalls zu schützen! Und ich bin der Meinung, dass die Menschenrechte über die Religionsfreiheit zu stellen sind. Das ist auch gar keine radikale Meinung. Es gibt genug religiöse Gruppierungen in Deutschland, denen nicht alles erlaubt wird, was sie gerne tun würden. Der Staat verbietet fundamentalistische Praktiken, er verbietet Sekten – er schränkt überall dort die freie Ausübung der Religion ein, wo diese andere Gesetze verletzen würde. Das ist gut so. Und das sollte auch für die etablierten Religionen gelten. Eine “lange Tradition” darf kein Freibrief sein, um gegen die Grundrechte zu verstoßen! Ich finde es traurig, dass sich keine Partei in Deutschland findet, die das klar und deutlich sagt!
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