Heute wird es ein wenig historisch. Ich möchte euch zwei Bücher vorstellen, die sich mit der Geschichte beschäftigen. Das erste behandelt einige tausend Jahre der mitteleuropäischen Geschichte, das zweite beschränkt sich auf ein paar Jahre im Leben zweier Männern. Interessant sind sie aber beide.
“Germania” von Simon Winder (auf deutsch: Germany, oh Germany: Ein eigensinniges Geschichtsbuch) verspricht “A Personal History of Germans Ancient and Modern”. Im Klappentext wird darauf hingewiesen, dass das Buch “hilarious” ist und der Rezensent der Sunday Times meint sogar “It made me laugh so hard that I woke up my wife”. Er muss wohl ein anderes Buch gelesen haben, den lustig ist das Buch definitiv nicht. Ok, ab und zu gibt es den einen oder anderen (etwas lahmen) Witz, aber wer sich wegen der Aufmachung des Buches nun eine humorvolle Betrachtung von Deutschland und der deutschen Geschichte á la Bill Bryson (der im Klappentext auch erwähnt wird) erwartet, der wird enttäuscht werden.
Simon Winder hat ein Buch über die deutsche Geschichte geschrieben. Angefangen bei Arminius und der Varusschlacht arbeitet er sich durch die Jahrzehnte und probiert zu erklären, was Deutschland und deutsch ist. Ich bin kein Historiker und kann nicht beurteilen, wie komplett Winders Abhandlung ist. Aber man bekommt auf jeden Fall einen guten Überblick. Winder erzählt nicht nur von der Geschichte, er reist auch selbst durch Deutschland und nützt die Orte die er dort besucht als Aufhänger für seine Erklärungen. Ob das nun die vielen “Wunderkammern” in den Schlössern und Burgen sind, oder das eher unaufregende Gera: Winder findet immer etwas Interessantes. Ich habe aus dem Buch einiges gelernt. Deutschlands ungesunde Faszination mit dem Mittelalter war mir so bis jetzt noch nicht bewusst und was der 30jährigen Krieg mit Europa angerichtet hat, habe ich vorher auch in der Form noch nicht erfahren. Das Buch hat aber auch so seine Probleme. Winder reist zwar ständig durch das moderne Deutschland – spricht aber darüber kaum; genauso wenig wie er mit Deutschen gesprochen hat. Das moderne Deutschland wird überhaupt nicht behandelt; das Buch endet im Jahr 1933 (was Winder aber natürlich nicht hindert, sich überall im Buch auf Hitler und das Dritte Reich zu beziehen – anders geht es in Großbritannien wohl nicht). Wer kein Deutscher ist und objektive Informationen über Deutschland möchte, der sollte sich vielleicht lieber ein anderes Buch besorgen. Wer aber nur sein Geschichtswissen über Deutschland ein wenig auffrischen möchte, der findet in Winders Buch einen gut lesbaren Überblick mit vielen interessanten Details.
Um ein ganz anderes Thema geht es in “Newton and the Counterfeiter” von Thomas Levenson. Nach der Lektüre der Einleitung könnte man meinen, man sei in einem originellen Sci-Fi/Fantasy-Roman gelandet, der in einer Parallelwelt spielt: Levenson erzählt von Isaac Newton, der ingocnito in einer schäbigen Kneipe in London sitzt um sich dort mit ebenso schäbigen Gesindel zu treffen um Informationen über einen Geldfälscher zu erhalten, den Newton unbedingt hinter Gitter bringen wollen. Der große Physiker Isaac Newton als Detektiv, der Verbrecher jagt? Das klingt tatsächlich nach einer äußerst coolen Idee für ein Buch. Aber Stevenson hat keinen Roman geschrieben, sondern ein Sachbuch. Das Treffen zwischen Newton und dem Informaten in der Kneipe hat tatsächlich stattgefunden. Denn was viele nicht wissen: Newton war nicht nur ein genialer Wissenschaftler, er hat die zweite Hälfte seines Lebens als Beamter im Dienst der englischen Krone verbracht. Im Jahr 1696 wurde Newton zum “Wächter der königlichen Münzprägeanstalt” (“Warden of the Royal Mint”) ernannt.
Das englische Finanzwesen war damals in keinem guten Zustand. Banknoten existierten damals noch nicht wirklich und die Münzen aus Edelmetall wurden zum Opfer kreativer Fälscher und Betrüger. Die Leute feilten die Ränder ab oder schnitten kleine Stücke aus den Münzen heraus. Heute würde so etwas keinen Sinn machen, aber damals war das ein Problem. Eine Münze war deswegen wertvoll, weil sie aus einer genau definierten Menge edlen Metalls bestand. Die manipulierten Münzen waren daher ein großes Problem für das Finanzsystem. Hinzu kamen die üblichen Versuche, bei denen aus billigeren Metallen gefälschte Münzen gemacht wurden. Das die Führung der Royal Mint im Allgemeinen durch und durch korrupt war, war dabei nicht unbedingt hilfreich.
Isaac Newton war als Warden der Royal Mint genauso gründlich wie als Wissenschaftler. Er räumte mit dem korrupten Laden auf; dachte sich neuen Methoden aus, um die Münzen fälschungssicher zu machen und das Finanzsystem wieder auf Vordermann zu bringen und widmete sich vor allem einer weiteren Pflicht, die im als Wächter der Prägeanstalt zufiel: Der Bekämpfung der Geldfälscher. Sein Gegner war der Betrüger und Fälscher William Chaloner.
Die Geschichte von Newton vs. Chaloner hat wirklich das Potential für einen Kriminalroman! Chaloner war ein gewifter Gauner, der es dank seiner Kontakte und seiner überzeugenden Geschichten immer wieder schaffte, sich aus dem Gefängnis zurück in die Gesellschaft zu kommen um dort mit seinen Trickbetrügereien erfolgreich zu sein. Er fälschte Geld und nutzte das marode Finanzsystem aus um mit Pyramidenspielen und ähnlichen Betrügereien an Geld zu kommen. Aber sein Ziel war die königliche Prägeanstalt. Wenn er es schaffen konnte, sich durch seine Trickserei dort einen Posten zu erschleichen, dann könnte er das Finanzwesen ganz nach Lust und Laune manipulieren um reich zu werden. Aber wenn der Gegenspieler Isaac Newton heißt, dann ist es nicht überraschend, wie die Geschichte ausgeht. Am 16, März 1699 starb er am Galgen; verurteilt wegen Hochverrats.
Für die Welt- und Wissenschaftsgeschichte ist die Auseinandersetzung zwischen Isaac Newton und William Chaloner nur eine unbedeutende Fußnote. Aber trotzdem ist es eine wunderbar spannende Geschichte und man wird dabei einen ganz anderen Isaac Newton kennenlernen… Lest das Buch, es lohnt sich!
(Ich bin gerade in Urlaub, also wundert euch nicht, wenn ich auf Kommentare nicht antworte)
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