Angst macht irrational. Und wenn man nicht mehr rational denkt, dann sieht man überall böse Vorzeichen und schlimme Dinge, die die eigene Angst bestätigen. Besonders dann, wenn manche Medien ebenfalls nicht allzu viel von rationaler Berichterstattung halten sondern eher auf Sensation und Panikmache aus sind. Letztes Jahr war es das “mysteriöse Vogelsterben”, dass überall in den Medien zelebriert wurde (obwohl daran nichts mysteriös) war. Oder der “Supermond”, der Erdbeben auslöst (Und wenn der Hype vorbei ist, werden diese Themen dann ohne großes Aufsehen wieder fallen gelassen). Erschreckend viele Leute haben sich durch diese Berichte beeinflussen lassen und sahen diese – rational betrachtet völlig normalen Ereignisse – als Zeichen dafür, dass irgendwas Dramatisches mit der Welt passiert und die Erde im Dezember 2012 doch untergehen wird – was nicht passieren wird!.
Dieses Jahr ist es das Wetter…
Asterix und Obelix hatte noch Angst, dass ihnen der Himmel der auf den Kopf fällt und in früheren Zeiten, als Wetter, Gewitter und andere Naturereignisse noch als Werk der (zornigen) Götter galten, war das Wetter wohl tatsächlich oft der Grund, um Angst vor dem nahenden Ende zu haben. Aber in der heutigen modernen und aufgeklärten Welt, in der wir über Meteorologie Bescheid wissen, sollte das doch anders sein, oder?
Sollte es ja. Aber ist es leider nicht. Ich habe in den letzten Wochen sehr viele Emails bekommen, die im wesentlichen alle so klangen: “Das Wetter ist doch zur Zeit nicht normal! Es ist viel zu kalt/zu heiß/zu nass/zu trocken. Was passiert hier? Ist das nicht doch ein Zeichen dafür, dass bald die Welt untergeht?”
Ich bin kein Meteorologe (obwohl man als Astronom auch ein wenig grundlegende Ahnung vom Wetter haben muss). Aber ich kann das tun, was auch jeder andere Mensch tun kann. Ich kann probieren, das Problem rational anzugehen und die Frage zu beantworten, ob das Wetter jetzt “normal” ist oder nicht. Das habe ich getan und möchte diesen Artikel hier nutzen, um zu zeigen, dass es gar nicht so schwer ist, das zu tun.
Mit dem Wetter ist das natürlich so eine Sache. Wenn es zum Beispiel um Erdbeben geht, dann ist die Sache klarer. Erdbeben werden durch die Vorgänge im Inneren der Erde verursacht und es gibt keinen Grund, davon auszugehen, dass sich hier auf einmal irgendwas Wesentliches geändert hat. Darum ist es auch nicht überraschend, dass – entgegen dem was man oft im Internet hört – die Zahl der Erdbeben nicht ansteigt. Beim Wetter ist es anders. Hier hat sich in letzter Zeit etwas geändert. In den letzten Jahrzehnten hat der Mensch das Klima beeinflusst. Der menschengemachte Klimawandel ist real und es gibt tatsächlich Grund zur Annahme, dass sich das auch auf das Wetter auswirkt. Besonders die extremen Wetterereignisse – Dürren, Überflutungen, etc – werden häufiger.
Aber – und das ist ein wichtiger Punkt! – das alles hat nichts mit den absurden Theorien zum angeblichen Weltuntergang 2012 zu tun! Die sind alle nachweislich falsch und der Klimawandel ist zwar real, aber ein Phänomen, das nicht von heute auf morgen auftritt sondern langsam und kontinuierlich abläuft. Er kann definitiv nicht dafür verantwortlich sein, dass an einem bestimmten Tag die Welt untergeht. Ein verändertes Klima, dem wir, wenn alles so weiter geht wie bisher, erst in ein paar Jahrzehnten ausgesetzt sein werden, macht die Welt für uns Menschen zwar ungemütlicher – aber er wird uns nicht alle umbringen.
Wie auch immer. Es geht hier auch erstmal nicht um den Klimawandel sondern um die Frage, ob das Wetter zur Zeit wirklich so wenig “normal” ist. Ich hab das gemacht, was man in so einem Fall immer machen sollte: Daten suchen! Wetterstationen finden sich fast überall. In jeder Stadt werden täglich Temperatur, Niederschlagsmenge und andere Wetterdaten aufgezeichnet und das schon seit Jahrzehnten. Es ist also relativ leicht, Vergleichsdaten zu finden. Ich habe mir eine Station in Jena ausgesucht und mit die Daten für Juli zwischen 1999 und 2012 angesehen:
Die Durchschnittstemperatur betrug (bis jetzt, ein paar Tage dauert der Juli ja noch), 19,7 Grad. Damit liegt der Juli ziemlich genau im langjährigen Mittel. Auch wenn es also Anfang Juli kalt und nass war: Daran ist nichts “verrückt”. Der Juli ist temperaturmäßig bis jetzt ganz normal. Ich hab auch die Jahre 2009 und 2001 markiert. Damals war es genauso warm wie jetzt – nur noch ein wenig nasser…
Hier ist eine Übersicht über den Rest des Jahres:
Das Bild zeigt Temperatur (rote Punkte) und Niederschlagsmenge (blaue Balken) für 2012 im Vergleich zum langjährigen Mittelwert (graue Linie/Balken). Bei der Temperatur sehen wir, dass alle Datenpunkte nicht weit vom Mittelwert abweichen; bis auf den Februar, der kälter war als im Durchschnitt. Bei der Niederschlagsmenge gibt es mehr Abweichungen. Aber auch das ist nicht unbedingt abnormal. So ist die Statistik eben. Mal liegt ein Datenpunkt über dem Mittelwert, mal liegt er darunter. Das Wetter ist ein chaotischer Prozess; wie die Kugel im Rouletterad. Da kann man auch nicht konkret vorhersagen, wo sie landen wird. Aber man weiß, wie oft sie durchschnittlich bei einer bestimmten Zahl zum liegen kommt. Hier sind noch zwei andere Jahresübersichten; überall kommt es zu Abweichungen vom Mittelwert:
Ich sage es nochmal, weil es wichtig ist: Es ist völlig normal, wenn Datenpunkte vom Mittelwert abweichen! Wenn es nicht so wäre, dann müsste man aufmerksam werden, denn dann wäre wirklich irgend etwas seltsames im Gange… Das gilt natürlich alles auch für andere Statistiken. Hier ist eine Übersicht über die Zahl der Blitze in Österreich. In einem Jahr sind es mehr; im anderen sind es weniger und nur weil es dieses Jahr mehr sind als im Jahr davor, heißt das nicht, dass irgendwas besonderes abläuft oder das Wetter “verrückt spielt”.
Beim Wetter ist es leicht, Opfer der selektiven Wahrnehmung zu werden. Wenn man sich an die vergangenen Jahre erinnert, dann erinnert man sich hauptsächlich an das, was schön und beeindruckend war. Die netten Sommerabende, die man mit Freunden im Garten verbracht hat. Die heißen Tage mit den Kindern im Schwimmbad. Aber sicher nicht die kühlen, verregneten Tage, an denen man vorm Fernseher gesessen ist und nichts besonderes gemacht hat. Und wenn dann wieder Mal so ein Regentag ansteht, dann sitzt man zuhause und denkt sich: “Hmm – letztes Jahr sind wir am Abend draußen gesessen und waren tagsüber im Schwimmbad. Jetzt regnet es nur. Das Wetter war früher besser…”
Darum ist es immer wichtig, objektive Daten zu berücksichtigen. Die eigene Erinnerung ist keine vernünftige Basis um verlässliche Schlussfolgerungen zu ziehen. Das Wetter spielt nicht verrückt. Und es ist ganz definitiv kein Vorbote für einen Weltuntergang!
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